Hamm: Bahnhofsvordach-Kletteraktion kein Hausfriedensbruch
Par eichhörnchen le jeudi 6 février 2014, 11:38 - Pressemitteilungen - communiqués - Lien permanent
2 Antiatom-AktivistInnen wurden am gestrigen Tag in Hamm vor dem Amtsgericht Freigesprochen. Ihnen war Hausfriedensbruch auf einem Bahnhofsvordach, wo sie mit einem Transparent demonstrierten, vorgeworfen worden. Die Richterin hatte vor Erlass des Strafbefehls die Akte möglicherweise nicht gelesen und in der Hoffnung, das Verfahren ganz schnell vom Tisch zu bekommen, den Strafbefehl ohne Prüfung der Rechtslage unterschrieben, Ich war schon auf Bahnhofsvordächer zum Demonstrieren... die Verfahren mussten alle eingestellt werden, weil die Handlung nicht strafbar ist. Die Richterin in Hamm hat zu Beginn der Verhandlung erklärt, sie habe ihre Meinung geändert. Späte Einsicht in einem klaren Fall - aber immerhin. Ich bin noch im Süden auf Lesereise (es lief gestern in Stuttgart sehr gut). Ich übernehme die Mitteilung der AktivistInnen, die gestern in Hamm dabei waren - zur Aktion damals, gibt hier einen Bericht (ich war auch dabei).
Freispruch für Anti-Atom-Aktivist_innen in Hamm
Wegen einer symbolischen
Transparentaktion auf dem Vordach des Bahnhofs Hamm 2013 standen heute zwei
Aktivist_innen vor dem Amtsgericht. Nach nur viertelstündlicher Verhandlung
wurden sie vom Vorwurf des Hausfriedensbruches freigesprochen.
Hintergrund: Über dem Bahnhof Hamm laufen regelmäßig Atomtransporte, die die
Urananreicherungsanlage in Gronau und Arevas Brennelementefabrik in Lingen
versorgen. Damit verbunden sind gravierende Risiken, weil es bei Unfällen zur
Freisetzung radioaktiver Substanzen kommen könnte. Dagegen protestierten die
beiden Aktivist_innen, indem sie auf dem Vordach des Bahnhofs Hamm, im Februar,
ein Transparent entrollten. Verfolgt wurde diese Aktion nun als
Hausfriedensbruch. Richterin Bartz kündigte bereits zu Beginn der Verhandlung
an, ihre Meinung seit Erlass des Strafbefehls geändert zu haben. Ihrer
Auffassung nach handle es sich bei dem vorgeworfenen Verhalten nicht um eine
Straftat, da das Vordach primär dem Witterungsschutz diene und auch sonst nicht
als befriedetes Besitztum angesehen werden könne. Auf Vernehmung der anwesenden
Zeugen wurde verzichtet, auch die Staatsanwaltschaft beantragte Freispruch, der
schliesslich auch erging.
In ihrer Begründung führte die Richterin darüber hinaus an, mit normalen
Argumenten und unspektakulären Aktionen ließe sich heutzutage keine
Aufmerksamkeit mehr gewinnen.
Verteidigung und Angeklagte zeigten sich zwar durchaus nicht unzufrieden mit dem Ausgang des Verfahrens, merkten jedoch an, dass es sich von Anfang an um politische motivierte Verfolgung handelte, die das Gericht den Angeklagten hätte ersparen können. Ob die vorgesetzte Staatsanwaltschaft das Urteil akzeptieren oder Rechtsmittel einlegen wird ist noch offen.
Update vom 6.2.2014: Vor dem Amtsgericht Lingen gab es für Anne auch einen Freispruch.
Ich übernehme die Meldung von der Unterstützer-Gruppe:
Anti-Atom-Aktivistin in Lingen freigesprochen
Im Sommer
2013 blockierten rund 30 Aktivist_innen die Brennelementefabrik von Areva,
in Lingen, mit einer Sitzblockade. Eine von ihnen stand heute vor Gericht. Der
Prozess endete nach knapp zwei Stunden mit einem Freispruch.
Hintergrund: Im niedersächsischen Lingen steht die einzige Brennelementefabrik
Deutschlands, sie produziert Brennelemente für Atomkraftwerke Weltweit und ist
damit von herausragender Bedeutung für die Atomwirtschaft. Die Anlage ist vom
sogenannten Atomausstieg nicht umfasst und hat eine unbefristete
Betriebsgenehmigung. Mit dem Betrieb untrennbar verbunden sind zahlreiche
Transporte die jeweils ein erhebliches Unfallrisiko bergen. Um für die
sofortige Stilllegung dieser und aller Atomanlagen zu demonstrieren, setzten
sich rund 30 Aktivist_innen vor die Anlage, die nur eine Zufahrt hat.
Die Aktivist_innen wurden nach mehreren Stunden Blockade von der Polizei
geräumt. Dabei soll es zu Beleidigungen und Widerstandshandlungen gekommen
sein, weshalb heute eine Aktivistin vor dem Amtsgericht Lingen stand. Dies war
bereits der zweite Verhandlungstag bzgl. des Vorwurfs. Der Richter sah jedoch
keinen der Vorwürfe als gegeben an und sprach die Angeklagte frei. Ob die
vorgesetzte Staatsanwaltschaft das Urteil akzeptieren wird, oder Rechtsmittel
einlegen wird ist noch offen.
Dieses ist nur eines von vielen Verfahren gegen Anti-Atom-Aktive. Bereits gestern kam es vor dem Amtsgericht Hamm ebenfalls zu einem Freispruch. Wegen verschiedener Kletter-, Ankett- und Sitzblockade-aktionen sind aktuell in Niedersachsen und dem Münsterland ca. 50 Menschen von staatlicher Repression betroffen.