Bleib da oben!

Von aktivistischen Eichhörnchen und unnachgiebigen Repressionssystemen

Eine Eichhörnchen-Buch-Rezension von Jana Ballenthien, erschienen in der GWR von März 2014 (Libertäre Buchseiten) – meine nächste Lesung findet am kommenden Freitag  (28.3.) in Göttingen statt.

Bild: Eichhörnchen auf der Buchmesse in Leipzig am 16.3. (quelle michael schulze von glaßer)

——

« Kommen Sie da runter! » – Was verbirgt sich hinter dieser Aufforderung?

Die sehr persönliche Biographie einer Aktivistin. Ein Kompendium der Vielfalt des (Kletter-)-Aktivismus. Ein Lehrbuch über den kreativen Umgang mit Polizeirepression und dem Führen von politischen Prozessen.

« Dieses Buch soll vermitteln, was politisch aktivistisches Leben bedeutet. Es ist zugleich ein Appell, sich politisch zu engagieren », so die Autorin.

Cécile Lecomte, auch genannt das Eichhörnchen, ist weit über die Grenzen der Anti-Atom-Bewegung hinaus bekannt. Denn Cécile hat fantasievolle Protestformen populär gemacht, indem sie seit über zehn Jahren mit Akrobatik und viel Mut die Form der Sitzblockade in die dritte Dimension transferiert. Was viele nicht wissen: Wer sich kreativ, humorvoll und friedlich zur Wehr setzt gegen atomare Bedrohung, genveränderte Pflanzen, gegen Militarismus, muss sich zwangsläufig auch mit Polizeirepression und juristische Unzumutbarkeiten auseinandersetzen.

Von aktivistischen Eichhörnchen und unnachgiebigen Repressionssystemen

Eine Eichhörnchen-Buch-Rezension von Jana Ballenthien, erschienen in der GWR von März 2014 (Libertäre Buchseiten) – meine nächste Lesung findet am kommenden Freitag  (28.3.) in Göttingen statt.

Bild: Eichhörnchen auf der Buchmesse in Leipzig am 16.3. (quelle michael schulze von glaßer)

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« Kommen Sie da runter! » – Was verbirgt sich hinter dieser Aufforderung?

Die sehr persönliche Biographie einer Aktivistin. Ein Kompendium der Vielfalt des (Kletter-)-Aktivismus. Ein Lehrbuch über den kreativen Umgang mit Polizeirepression und dem Führen von politischen Prozessen.

« Dieses Buch soll vermitteln, was politisch aktivistisches Leben bedeutet. Es ist zugleich ein Appell, sich politisch zu engagieren », so die Autorin.

Cécile Lecomte, auch genannt das Eichhörnchen, ist weit über die Grenzen der Anti-Atom-Bewegung hinaus bekannt. Denn Cécile hat fantasievolle Protestformen populär gemacht, indem sie seit über zehn Jahren mit Akrobatik und viel Mut die Form der Sitzblockade in die dritte Dimension transferiert. Was viele nicht wissen: Wer sich kreativ, humorvoll und friedlich zur Wehr setzt gegen atomare Bedrohung, genveränderte Pflanzen, gegen Militarismus, muss sich zwangsläufig auch mit Polizeirepression und juristische Unzumutbarkeiten auseinandersetzen.


Kapitel I

Im ersten Kapitel werden wir Knall auf Fall eingeführt in die aktivistische Welt Céciles. Beispiele aus dem Alltag der Autorin machen Lust darauf « Einfach frech [zu] sein! », wenn uns etwas politisch nicht passt.

Ein Beispiel berichtet von einer zuvor nie da gewesenen Abseil-Aktion von einer 75 Meter hohen ICE-Brücke über das darunter liegende Castor-Gleis.

Wir Aktivist*innen klatschen juchzend in die Hände, die Presse stürzt sich drauf, die Polizei hingegen ist mal wieder perplex und überfordert. Und damit hat das Buch auch schon erreicht, was Cécile erreichen möchte. Doch wer nun schon das Buch zuklappt, wird viel verpassen!

Kaptitel II

Im zweiten Kaptitel begegnen uns skurrile Geschichten aus dem Nähkästchen der polizeilichen Praxis mit dem Eichhörnchen. So werden ihr telekinetische Fähigkeiten zugeschrieben, die es sogar fast vor Gericht schafften. Schwere Körperverletzung habe sie begangen, als ohne ihre Anwesenheit ein Polizeibeamter aus der Schiebetür eines fahrenden Fahrzeugs fiel. Ah…. ja.

Kapitel III und IV.

Es wird ungemütlicher. Cécile versteht es, uns Leser*innen mitzunehmen in aktivistische Erfahrungswelten, die mir das blanke Entsetzen in die lesenden Augen trieben. Die Staatsgewalt physisch zu spüren zu bekommen, ist die brutalste Art, sich mit ihrer Absurdität auseinanderzusetzen.

Doch auch das bleibt in einem aktivistisch geprägten Leben leider oft nicht aus. Bei weitem nicht ohne Spuren, aber dennoch gestärkt, geht Cécile aus ihren biographischen Erfahrungen heraus. Mich ließen die Geschichten inne halten und reflektieren. Wie stark wäre ich gewesen? Wie aktiv wäre ich geblieben?

Kapitel V und VI.

Kapitel V konfrontiert uns mit dem Schlimmsten, was uns in unserem politischen Alltag passieren kann – mit dem Tod eines Aktivisten bei einer Aktion, dem Tod von einem von uns, dem Tod von Sébastien Briat. « Er starb nicht nach einem Discobesuch betrunken am Steuer, sondern bei einer Aktion, um seiner Überzeugung Gehoör zu verschaffen », zitiert Cécile die Erklärung der Freund*innen von Sébastien.

Es folgen Erlebnisse aus Céciles Leben, die von der Überwachung ihrer Person berichten und die durch ihren gnadenlosen Realismus schon wieder witzig wirken. Besser könnte mensch es sich nicht ausdenken.

Kapitel VII.

In Kapitel VII erzählt uns Cécile von Situationen, in denen staatliche Institutionen aufs absurdeste begründet das Eichhörnchen zur Gefahrenabwehr in die Mangel nahmen.

Kapitel VIII

Kapitel VIII fokussiert noch einmal auf zahlreiche Situationen, in denen Cécile ihre Kletterkünste für politische Protestaktionen nutze.

IX-tes Kapitel

Cécile sitzt ein. Ihre Erfahrungen im Knast haben bei ihr psychische Spuren hinterlassen. Dennoch, oder gerade deshalb, unterzieht sie ihre Erfahrungen einer kritischen Analyse. Ihr Ergebnis: Statt Resozialisierung und Erleben allgemeiner Lebensverhältnisse bedeutet Knast Knappheit und Erziehung zur Unterordnung.

Kapitel X

Im Kapitel X werden wir wieder einmal eingeladen zu einer Vorführung des absurden Theaters der Justiz. In den Hauptrollen: ein renitentes Eichhörnchen und einige Laien gegen und die « unfehlbare » Justiz. Seid gespannt!

Cécile liefert mit ihrem offenen Schreibstil eine gelungene Melange zwischen einem die psychische Integrität sicherndem Galgenhumor und der gebotenen Ernsthaftigkeit.

Es hat bei mir viele Reaktionen hervorgerufen: Von Gackern, bis Kichern und Schnorcheln, vom Kloß im Hals bis zum Luftanhalten, vom Trauern bis zum Ausrufen eines lauten « Pah! ».

Die Rezension ist aus der Perspektive einer Aktivistin geschrieben. Aber auch gerade für nicht-aktivistische Menschen scheint es mir ein schönes Lehrbuch zu sein – nicht nur um einen Einblick in die Praxis von kreativen Widerstandsaktionen zu bekommen, sondern auch um vielleicht zum ersten Mal ungeschönt davon zu erfahren, dass staatliche Repression gegenüber politisch unbequemen Menschen System und nichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun hat.

Und als Beilage zum Buch gibt es einen sehenswerten, dreißigminütigen Dokumentarfilm auf DVD.

Jana Ballenthien

Im « Essener Morgen » ist außerdem ein längeres Interview zu meinem Buch erschienen.