Trubel draußen, bissl Gedanken über Unterdrückung und eine geschlossene Gesellschaft

Neckar-K(n)astor-Tagebuch Teil III

Voriger Beitrag teil II – Klassen-Medizin und unterlassene Hilfeleistung

12. April 19 Uhr

Ich durfte heute endlich eine Vertrauensperson und meinen Anwalt anrufen. Meine Freund*innen wussten nicht, wo ich mich befinde. Sie dachten ich wurde nach Schwäbisch Gmünd gebracht. Es war für mich eine Erleichterung mitteilen zu dürfen, wo ich mich befinde, damit ich am Sonntag abgeholt werden kann. Ich konnte mitteilen, dass ich medizinisch nicht ordentlich versorgt werde, das war mir wichtig, auch wenn es die Schmerzen nicht lindert. Mein Wohnprojekt, Robin Wood, das Aktionsbündnis gegen die Castortransporte, der BBU haben mit öffentlichen Mitteilungen auf meinen Fall aufmerksam gemacht. Das hat mich natürlich gefreut dies zu erfahren. Mein Anwalt hat mir mitgeteilt, dass er Beschwerde gegen meine Inhaftierung eingereicht hat. Ich habe nun eine Begründungserklärung an das Gericht durch die JVA faxen lassen, rechne aber nicht damit, dass Richte Reißer die Beschwerde an das zuständige OLG vor meiner Entlassung weiter reicht, denn er will Ordnungshaft als Bestrafung nutzen und verzögert bewusst, davon gehe ich aus. Effektiver Rechtsschutz? Nix da!
Mein Anwalt hat mir mitgeteilt, dass auch mein Arzt sich an die JVA gewendet hat, wegen meiner Schmerztherapie. Hier hat sich allerdings nichts bewegt.

(Bild: Solibanner von meinem Wohnprojekt Unfug)

Neckar-K(n)astor-Tagebuch Teil III

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12. April 19 Uhr

Ich durfte heute endlich eine Vertrauensperson und meinen Anwalt anrufen. Meine Freund*innen wussten nicht, wo ich mich befinde. Sie dachten ich wurde nach Schwäbisch Gmünd gebracht. Es war für mich eine Erleichterung mitteilen zu dürfen, wo ich mich befinde, damit ich am Sonntag abgeholt werden kann. Ich konnte mitteilen, dass ich medizinisch nicht ordentlich versorgt werde, das war mir wichtig, auch wenn es die Schmerzen nicht lindert. Mein Wohnprojekt, Robin Wood, das Aktionsbündnis gegen die Castortransporte, der BBU haben mit öffentlichen Mitteilungen auf meinen Fall aufmerksam gemacht. Das hat mich natürlich gefreut dies zu erfahren. Mein Anwalt hat mir mitgeteilt, dass er Beschwerde gegen meine Inhaftierung eingereicht hat. Ich habe nun eine Begründungserklärung an das Gericht durch die JVA faxen lassen, rechne aber nicht damit, dass Richte Reißer die Beschwerde an das zuständige OLG vor meiner Entlassung weiter reicht, denn er will Ordnungshaft als Bestrafung nutzen und verzögert bewusst, davon gehe ich aus. Effektiver Rechtsschutz? Nix da!
Mein Anwalt hat mir mitgeteilt, dass auch mein Arzt sich an die JVA gewendet hat, wegen meiner Schmerztherapie. Hier hat sich allerdings nichts bewegt.

(Bild: Solibanner von meinem Wohnprojekt Unfug)

Irgendwie macht es ein bisschen Spaß, den Laden hier aufzumischen. Das ist Teil meiner Anti-Knast-Einstellung. Knast löst Probleme nicht, er schafft stattdessen neue. Es braucht andere Ideen, Probleme sind nicht weg zu sperren.. und die Überwiegende Mehrheit der „Probleme“ sind gar keine.Hier denke ich an die Anzahl an „Schwarzfahrer“ die im Knast sitzen, an die verfehlte Drogenpolitik, etc.


Bild: Soliaktion in Stuttgart, Erklärungen in diesem Video

Ich habe hier Zeit mich mit den Themen Polizei, Knast, Herrschaft, Sicherheitsstaat, Überwachungsstaat  auseinander zu setzen und seit heute abend habe ich endlich meine Zeitschrift erhalten. Das ist eine Ausgabe der Anti-Atom-Aktuell mit einem Dossier zu den neuen Polizeigesetzen der Länder: „ kein Freund. Kein Helfer.“ Ich habe die Zeitschrift zunächst nicht erhalten, weil die Inhalte geprüft werden müssten. Ich hoffe die Prüfer haben dabei etwas gelernt!
Ich mache mich gerade Gedanken für meinen Vortrag kommende Woche Freitag auf dem Hambi-Camp  – am Wochenende gibt es dann ein Teilhabe-Kletterworkshop, ich zeige Klettertechniken für Menschen mit Behinderung (Skillsharing).

Irgendwie passt die Ordnungshaft sehr gut in das Thema meines Vortrages. Die Polizeigesetze sind für den Unterdrückungsapparat bequem. Sie ermöglichen Strafen gegen unbequeme Bürger*innen (offiziell isses nur Gefahrenabwehr, natürlich) mit kurzem und sogar keinem Prozess. Menschen werden auf Grundlage von vagen Erkenntnissen, die Gefahrenprognose getauft werden, überwacht und eingesperrt.  Es braucht keine Beweise. Nur Prognose in der Möglichkeitsform.

Bei der Verhängung von Ordnungshaft gibt es auch keinen Prozess. Es braucht keine Beweise. Nur die Aussage eines Richters, Mensch habe sich ungebührlich verhalten. Ungebühr ist nicht genau definiert und sehr auslegbar. Scheinbar zählt das Stellen (wollen) von Anträgen, das Verteidigen von Rechtspositionen durch eine unverteidigte Angeklagte dazu.

Im Grunde genommen ein Sondergesetz für Richter*innen, die gerne ohne umständliche Beweisaufnahme strafen wollen.
Die Polizeigesetze sind Sondergesetze für Polizist*innen, die ohne umständliche Beweisaufnahme strafen wollen.
Da muss man sich nur eine „drohende Gefahr“ ausdenken. Es für dazu, dass es keine Rechtssicherheit gibt, Mensch kann gar nicht einschätzen, wann weshalb er / sie festgenommen werden kann / darf.

Angst ist das Schmieröl der Staatstyrannei. (ich zitiere hier Rolf Gössner)

Der Hofgang alleine fühlte sich heute Nachmittag seltsam an. Zwei Beamt*innen haben mich da begleitet. Die Männer hatten Hofgang auf dem Sportplatz, ich bin Außenrum hin und her gefahren. Es war sonnig. Die Beamt*innen waren freundlich. Ich würde unter keine Umstände die Rolle tauschen und ihren Job machen, sie tragen zum Arsch-System bei. Aber menschlich sind sie ok.

Anders als bei der Tablettenausgabe heute abend. Ich habe versucht die 2 Beamten auf meine Schmerzmittelversorgung anzusprechen und auf das Schreiben von meinem Arzt hingewiesen. Aber es sind zwei abgestumpfte Menschen ohne Empathie, die sich einen Dreck drum kümmern, dass Menschen durch das Vorenthalten von Schmerzmedikation und Hilfsmitteln Schmerzen zugefügt werden und keine Stunde richtig schlafen können. Solche Menschen machen Willkürstaat möglich.  Unter der NS-Herrschaft haben die Menschen auch „nur ihren Job“ gemacht. Der Vergleich ist heftig, aber es geht mir dabei um die Einstellung, die ein solches System erst überhaupt möglich macht.
Ein Beamter würgte meine Fragen mit der Aussage, ich solle mich vor Gericht anständig verhalten, ab. Wie bitte? Was hat der Ordnungshaftbeschluss mit meinem Recht auf Medizin, auf Menschenwürde zu tun? Mit der Tatsache, dass hier mir Schmerzen zugefügt werden? Hier sieht man. Zusätzlich zur Ordnungshaft wird Bewusst meine Behinderung zur Zusatzbestrafung genutzt.

Ich schlage den zwei Herren vor, man fügt ihnen vergleichbare Schmerzen zu und sieht dann was sie dazu sagen. Ich werde auch nach der Haft gegen diese Zustände kämpfen, sonst gibt es keine Hoffnung auf Veränderung. Andere Menschen leiden ebenfalls unter dieses menschenverachtendes System. Also gehe ich hier den Beamten gern auf die Nerven, wenn ich es für nötig halte. Die Leute draußen auch, wie ich heute erfahren habe. Finde ich gut.
 
Meine Zelle ist ziemlich groß. Blöd nur, dass das Klo nicht mit dem Rolli zu erreichen ist. Es ist grundsätzlich gut, Kontakt mit anderen Gefangenen zu haben, nicht alleine in der Zelle zu sein. Mit Gesprächen lässt sich die Zeit besser vertreiben und als neuer „Zugang“ habe ich keine Ahnung davon was es wie wann gibt, das ist  ganz praktisch, dass die anderen Gefangenen mich darüber aufklären. Ich frage mich jedoch, wie gut ich diese Zwangsgemeinschaft auf Dauer vertragen würde.

L‘enfer c‘est les autres
(die Hölle, das sind die  Anderen), ist in „geschlossene Gesellschaft“  vom Philosophen Jean Paul Sartre, zu lesen. Das Theaterstück ist zu empfehlen!

Das stimmt, insbesondere wenn man sich die Beziehung nicht selbst ausgesucht hat. Die Nächte hier sind nicht ruhig, die Notrufanlage laut und jede kommt mit ihren eigenen Beschwerden, Gewohnheiten, Geschmäckle. Gut finde ich, dass bei uns etwas Unordnung im Zimmer herrscht und es toleriert wird. Das ist für mich ein Stück Normalität. Klinische Sauberkeit und Ordnung hasse ich.

Die U-Haft ist für meine Zellengenossinnen sehr belastend. Zwei haben Kontaktverbote, eine Frau darf nicht einmal ihre Kinder sehen. Eine Mitgefangene fragt alle paar Minuten wie lange sie hier bleiben muss. Nicht zu wissen wie lange sie eingesperrt bleiben, macht die Menschen fertig. Sie fragt mich ständig aus, weil sie mitbekommen hat, dass ich mich juristisch auskenne. Aber ich muss sie leider enttäuschen, es kommt nicht darauf an was sie genau getan hat, sondern auf das was in der Akte steht. Ohne Akteneinsicht geht nichts in Sache Verteidigung. Meine Zellengenossinnen haben alle einen Anwalt, aber diese scheinen sich nicht sonderlich viel zu kümmern, da sie alle ihre Akte noch nicht kennen. Eine Frau hat Verhandlung am kommenden Donnerstag, eine andere ist seit November hier, hat noch keine Akte gesehen, ihr Anwalt hat keine Haftbeschwerde eingelegt und sie hat Verhandlungstermin Anfang Mai. Ich habe ihr nahe gelegt, ihren Anwalt zu fragen, warum es so ist und wenn die Erklärung nicht zufriedenstellend ist, den Anwalt zu wechseln.

Zusätzlich zu der Belastung, die die Haft an sich darstellt, haben dann alle ihre gesundheitlichen Beschwerden, das ist hier ja ein Krankenhausknast.

Nachmittags kann der Fernseher um 16 Uhr angemacht werden, davor gibt es keinen Strom – zum Glück!
Gerade läuft ein Soap auf RTL. Furchtbar und nervig,finde ich das. Grausam. So kriegen die Leute die Zeit um. Ich schreibe lieber, auch wenn meine Hand weh tut und meine Schrift kaum lesbar ist.

Gut der Top 40 (oder war es 50?) war zuvor noch schlimmer, ich kenne das alles nicht, ist doch was für meine „Kultur“ (Danke dafür Herr Reißer) und es war doch irgendwie lustig. Wir haben mit der schlechten Musik Turnübungen auf unseren Betten gemacht, 3 von 4 Insassinnen haben mitgemacht. Die Beamten hinter der Überwachungskamera hatten was zu gucken! Und ich habe die Bauchmuskeln schön trainiert. Die brauche ich fürs Klettern!

Te
il IV – Widerspruchsgeist und hungernde Gefangenen