Der Uran-Zug steht

Am 2. Juli 2012 wurde erneut Atommüll von der Urananreicherungsanlage Gronau (NRW) nach Frankreich (Pierrelatte) exportiert. AktivistInnen machten mit einer Mahnwache auf die Durchfahrt des Zuges in Münster aufmerksam. Alle vier Wochen sind mit gefährlichen toxischen abgereichertem Uranhexafluorid (UF6) geladenen Züge von Gronau nach Frankreich unterwegs.  UF6 kann in Kontakt mit Luft explodieren, in kontakt mit Wasser gefährliche Flusssäure bilden. Verschieben ist keine Lösung. Von Atomausstieg kann keine Rede sein, wenn die Urenco ihre Anlage erweitert und in aller Welt weiter mit radioaktiven Stoffen handelt.

Vermeiden statt verschieben, heißt es entlang der Strecke. Denn um die Menschen auf diese Gefahren  zu machen, finden immer wieder Mahnwachen und Aktionen gegen diese Transporte statt.

Ich veröffentliche hier einen Artikel von Martin Placht, erschienen in der Sommer 2012 Ausgabe der Monatszeitschrift GWR. Es geht um unsere letzte große Kletteraktion gegen diese sinnlose Verschiebung von Atommüll auf den Schienenweg.

Erfolgreiche Urantransportblockade durch KletteraktivistInnen

Ein Erfahrungsbericht

Am 2. Juli 2012 wurde erneut Atommüll von der Urananreicherungsanlage Gronau (NRW) nach Frankreich (Pierrelatte) exportiert. AktivistInnen machten mit einer Mahnwache auf die Durchfahrt des Zuges in Münster aufmerksam. Alle vier Wochen sind mit gefährlichen toxischen abgereichertem Uranhexafluorid (UF6) geladenen Züge von Gronau nach Frankreich unterwegs.  UF6 kann in Kontakt mit Luft explodieren, in kontakt mit Wasser gefährliche Flusssäure bilden. Verschieben ist keine Lösung. Von Atomausstieg kann keine Rede sein, wenn die Urenco ihre Anlage erweitert und in aller Welt weiter mit radioaktiven Stoffen handelt.

Vermeiden statt verschieben, heißt es entlang der Strecke. Denn um die Menschen auf diese Gefahren  zu machen, finden immer wieder Mahnwachen und Aktionen gegen diese Transporte statt.

Ich veröffentliche hier einen Artikel von Martin Placht, erschienen in der Sommer 2012 Ausgabe der Monatszeitschrift GWR. Es geht um unsere letzte große Kletteraktion gegen diese sinnlose Verschiebung von Atommüll auf den Schienenweg.

Erfolgreiche Urantransportblockade durch KletteraktivistInnen

Ein Erfahrungsbericht

Am 7. Mai 2012 hielten mehrer AktivistInnen einen Urantransport auf der Strecke Gronau-Münster auf. Im konkreten Fall handelte es sich um einen Zug mit Uranhexafluorid, der von Gronau ins südfranzösische Pierrelatte rollen sollte. Dort wird der hoch gefährliche Stoff zur Stabilisierung in Uranoxid umgewandelt um dann zur “Zwischenlagerung” zurück nach Gronau zu fahren.

Urantransporte fahren quer durch Europa und nur wenige Menschen wissen davon. Das lässt sich ändern!

Die Ziele der AktivistInnen sind klar, Stopp der Transporte, Aufklärung und Schließung der Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau.

 
Foto aaa-West

“Ich will nicht zusehen müssen, sondern handeln. Die leeren Versprechungen unserer Politiker kann ich nicht mehr hören.”

Wenn ich auf einen Baum klettere, ist es für mich immer noch ein merkwürdiges Gefühl soweit oben zu sein, heute verbinde ich es mit einem Ziel und das mulmige Gefühl verschwindet.

Ich hänge an einem 14 mm dicken Plastikseil über der Bahnschiene und überlege gerade, ob meine Knoten, mit denen ich das Seil befestigt habe sich nicht doch lösen könnten. Sie halten, auch dann als sich meine Kletterpartnerin mit reinhängt.

JedeR von uns ist jetzt auf Position und wir warten auf den Transport.

Er kommt nicht, dass heißt, dass der Zug steht. Wo bleibt die Polizei? Nicht, dass ich es eilig habe runter geholt zu werden, aber ich hätte gemeint, dass die schneller sind. Ich höre Sirenen, das Geräusch verebbt jedoch wieder. Die Polizei weiß offenbar noch nicht, an welchem Bahnübergang wir uns befinden. “Schaut mal nach oben”. Das hat was von Katz und Maus, nur dass wir nicht weglaufen.

Irgendwann sehe ich den ersten Polizisten, mit Zettel und Stift in der Hand. Es kommen noch ein zweiter und dritter dazu. Sie reden nicht mit uns, versuchen sich wohl erst ein Bild von der Situation zu machen. Ein sehr einfaches Bild, Menschen am Boden und Menschen in den Bäumen, die mit Transparenten gegen Atomkraft und Urananreicherung demonstrieren.

Mehr und mehr Polizei kommt. Landes- sowie Bundespolizei. Keine von beiden scheint zu wissen, wer für und zuständig ist. Für den Bahnbereich ist die Bundespolizei zuständig, nach Gesetzeslage sind wir jedoch deutlich über der Bahnanlage, ergo wäre die Landespolizei zuständig.

Da es auch hierbei um Ressourcen und Gelder geht, versucht jede Seite das “Problem” auf die andere abzuwälzen.

An der Lösung selbigen “Problems” scheinen nur ein paar Leute beteiligt zu sein. Denn der Großteil an Polizisten steht rum und wartet auf Anweisungen, wie mit uns zu verfahren ist.

Menschen gesteckt in Befehlsempfängerkleidung.

Macht eure Köpfe wieder an. Redet mit uns, und fragt warum wir hier hängen.”

Das tun sie aber nicht. Sie warten darauf, dass man Ihnen sagt, was sie zu machen haben.

Ohnmächtig suchen sie nach einem Verantwortlichen, den sie nicht finden, da jedeR von uns für sich selbst verantwortlich ist, auch wenn wir zusammen handeln.

Ich frage nach der Uhrzeit, der Urantransport steht schon mehrere Stunden.

Gegen 17 Uhr kommt über Lautsprecher die Ansage, dass wir eine halbe Stunde Zeit haben uns abzuseilen, von der Presse erfahren wir, dass ein Turmtriebwagen mit Hydraulik-Bühne unterwegs ist, der aber erst in zwei Stunden vor Ort sein kann.

Zwei Stunden, die auch der Urantransport warten muß. Stilles Einvernehmen: Oben bleiben!

Kurz vor Sechs, eine Hundertschaft der Landespolizei macht sich bereit, zu räumen, mit den Bodenleuten will sie anfangen. Diese sollen sich 50 Meter entfernen. Eine Aktivistin vom Boden erklärt, dass sie für die Sicherheit und psychische Stabilität der KletterInnen zuständig ist und freiwillig geht, wenn die KletterInnen geräumt werden. Der Redelsführer des Räumungstrupps unter mir hält nichts von Diskussionen und sagt, dass ihm unsere psychische Stabilität egal sei. Es kommt zum Wortgefecht, dem Erklären von Rechtsgrundlagen. Die Räumer wirken angespannt.

Jetzt fühle ich mich ohnmächtig nicht in den Prozess unter mir eingreifen zu können. Hier oben

– vermeintlich aktiv – bin ich zur Passivtät verdammt. Ich habe Angst, dass die Situation eskaliert und meine MitstreiterInnen gewaltsam geräumt werden. Glücklicherweise kommt es nicht dazu, denn Bundes- und Landespolizei sind sich offenbar nicht darüber einig wie, warum und auf welcher Rechtsgrundlage geräumt werden soll. Unsere Bodenleute müssen sich trotzdem entfernen, bleiben aber in Sichtkontakt. Das beruhigt mich genauso wie die Gruppe uns zu jubelnder PassantInnen, die sich gebildet hat.

Kurz vor 19 Uhr, der Turmtriebwagen nähert sich, um uns runter zu holen, ich bin der erste, meine Partnerin klettert höher und überwacht meine Räumung ein paar Äste über mir.

Es dauert anderthalb Stunden bis alle KletterInnen von den Bäumen sind.

 

Der Polizist der mit mir das Prozedere der Personalienfeststellung durchgeht, zollt uns in gewisser Weise Respekt für die Aktion. Ich sage ihm mit einem Lächeln: “Selber machen, nicht andere machen lassen.”

Unser Klettermaterial wird als Beweismittel beschlagnahmt. Ich frage mich, was da zu beweisen ist. Polizisten haben mich über den Gleisen gefilmt und wenn sie nicht glauben, dass ich geflogen bin, ist es klar, dass ich mich mit Seil und Karabiner hoch gearbeitet habe.

Um 21 Uhr fahren 450 Tonnen Uranhexafluorid an mir vorbei. Ich weiß, dass dieser und weitere Transporte beobachtet werden – etwa zweimal im Monat rollt ein Atomtransport zwischen Münster und Gronau, 10.000 sind es bundesweit auf Straßen und Schienen im Jahr.

Ich kann nicht wissen, ob sich durch mein Zutun das System, welches heimliche Urantransporte durch Europa fahren lässt, verändern wird, jedoch gibt allein der Versuch mir Kraft. Solange es Atomkraftwerke und Urantransporte gibt, solange dauert mein Protest an.

Es gibt viele Baustellen, lasst uns anfangen!

Martin Placht

  • Bildergalerie mit mehreren Kletteraktionen gegen Urantransporten 2008 – 2012