Aufmerksame Zuschhauer*innen haben mich auf die Doku « Gewalt von Links – Eine Bewegung zwischen Protest und Terror » (Arte-Link zu einem Auszug aus der Doku), die vergangene Woche auf Arte lief, hingewiesen. Ein Redebeitrag von mir (das ganze ab Minute 21:40) auf einer G20 Soli-Demo in Hamburg wurde darin eingeblendet.
Das ist an sich kein Problem. Demonstrationen sind ein öffentlicher Ort und das gesprochene Wort darf ausgetragen werden.
Der Kontext in dem mein Redebeitrag in der Doku jedoch einsortiert wird, ist zweifelhaft. Von seriösem Journalismus kann meiner Auffassung nach nicht die Rede sein.
Mein Redebeitrag wird darin als Beleg/ Illustration für die Aussage eingeblendet, dass zugereiste autonome Chaoten aus dem Ausland nach Hamburg zum G20 gereist sind, um Gewalt auszuüben und zu plündern.
Ich wette mal: Hätten die Autoren in ihre Film-Datenbank ein Redebeitrag auf italienisch gefunden, hätten sie ihn statt meinen genommen. Der Beitrag wurde genommen, weil er ins Klischee passt. Franzosen waren ja bei dem G20 Protesten dabei. Und an diesem Sommertag trug ich … eine Sonnenbrille. Unmittelbar nach meinem Redebeitrag, wird der Beitrag eines « Experten » eingeblendet, der erklärt, die Menschen aus dem Ausland würden Straftaten in fremden Städten begehen, um unerkannt zu bleiben. Als hätte der G20-Protest keine politische Dimension gehabt und die Menschen nur um Straftaten auszuüben angereist seien.
Abgesehen davon, dass dies eine sehr gewagte These ist …
Der Redebeitrag wurde auf einer angemeldeten friedlichen Demonstration nach dem G20 vor dem Gefängnis gehalten. Ich habe auf Französisch gesprochen. Darin habe ich geäußert, dass die wahren Verbrecher*innen nicht die G20 Gegner*innen sind, sondern die G20-Herrschaften und ihre Politik, die Elend und Tod verursacht und nicht die Aktivist*innen, die sich mit der Politik der G20 auseinandersetzen. Eine Auffassung, die zahlreiche Menschen – nicht ausschließlich Autonome – vertreten.
An den Protesten haben sich Menschen aus sehr unterschiedlichen politischen Spektren beteiligt. Ich selbst habe mich nur am Rande beteiligt (Demo in Lüneburg, Rechtshilfe) – an Demos während des Gipfels in Hamburg konnte ich mich nicht beteiligen, weil ich die Willkür und Gewalt der Hamburger Polizei nur zu gut kenne und einen gewaltsamen Losdraufknüppel ohne Vorwarnung in die Menge oder Wasserwerfereinsatz nicht riskieren durfte – wegen meiner Gehbehinderung kann ich in solchen Situationen nicht entkommen. Fakt ist, dass zahlreiche Demonstrationen während G20 durch die Polizei gewaltsam aufgelöst wurden. Auch friedliche Sitzblockade.
Und ins Gefängnis sind zahlreiche Menschen gekommen, denen nichts konkretes vorgeworfen wurde. Gesinnungsjustiz ist das. Der Fall Fabio sorgte für Schlagzeilen und ist ein gutes Beispiel dafür. Die Autoren der Doku scheinen es schlimm zu finden, dass man sich mit diesen Menschen solidarisiert, dass es sowas wie die Unschuldsvermutung gibt.
Auch wenn ich nicht das gesamte Protest-Geschehen gut fand und viele Dinge kritisch betrachte: ich bleibe dabei, die wahren Verbrecher sind die G20-herrscher*innen, die Klimakiller, etc.
Dass aber ausgerechnet mein Redebeitrag zur Untermauerung der These der Autoren gewählt wurde, ist ganz schön daneben! Wenn dies mit meinem Redebeitrag geschehen ist, kann man sich berechtigterweise fragen, was das auf die gesamte Dokumentation übertragen zu bedeuten hat. Dass die Autoren eine Meinung vertreten, die ich nicht teile, geschenkt. Aber Manipulation und eine Behauptung ins Blaue Hinein ohne Überprüfung des Wahrheitsgehaltes, das geht nicht!
Liebe Autoren: die Chaotin aus Frankreich, die ihr zur Illustration eurer Aussage zu Gewalttäter*innen aus dem Ausland wohnt bereits 15 Jahre in Deutschland! Und zwar in der Nähe von Hamburg (Lüneburg)
Liebe Autoren: die Chaotin aus Frankreich ist als Umweltaktivistin, Aktionskletterkünstlerin in der deutschen Öffentlichkeit für ihren Engagement bekannt und hat ein Buch zu diesem Thema « Kommen Sie da runter! Kurzgeschichten aus dem politischen Alltag einer Kletterkünstlerin » geschrieben und über 60 Lesungen in ganz Deutschland abgehalten. Das Buch ist im Verlag Graswurzelrevolution erschienen, der sich zum gewaltfreiem Anarchismus bekennt.
Also das ist als Beleg eurer These besonders schlecht ausgewählt. Guter Journalismus sieht anders aus! Hier wurden willkürlich Bilder nach Gusto (um)gedeutet.
Eine (amts)bekannte Person, kann sich schwer in einer fremden Stadt verstecken, um Straftaten zu begehen!
Es mag sein, dass die Autoren alle Menschen, die den Staat kritisch betrachten und oder gar ablehnen, als « Gewalttäter von links » sehen. Diese Auffassung dürfen sie vertreten – aber nicht mit Manipulation von Bildern belegen.
In deren Augen bleibe ich sicherlich auch nach dieser Richtigstellung eine linke Chaotin. Denn ich stehe zu Aktionsformen wie zivilem Ungehorsam und stehe dem gewaltfreiem Anarchismus nahe, handele mehr nach meinem Gewissen als nach Gesetzen (der Staat hält die eigenen Gesetze eh nicht ein, hat man u.a. bei G20 gesehen). Eine Gesellschaft braucht diese Form von Protest, eine Gesellschaft verändert sich schneller als ihre Gesetze!
Und ja wohl das gibts! Wäre hätte es gedacht?! Die Autoren der Doku scheinen dies nicht für möglich zu halten! Franzosen die in Deutschland leben! Das gibts! Die Journalisten hätten es merken müssen. Meinen kurzen Redebeitrag habe ich aus dem Stegreif auf französisch gehalten, aber weil ich im Alltag auf Deutsch denke, da schmunzeln meine französischen Freund*innen, hatte ich auf Französisch einen leichten … deutschen Akzent!
ich verkneife mir weitere Anmerkungen über die Doku. Ist halt Populismus. Nährt die Fantasien von AfD, Pegida und Co. Ich beschränke mich auf die Passage mit meinem Redebeitrag.
Unten, die Antwort vom MDR auf meiner Beschwerde (MDR hat für Arte produziert)
Mit einer Anmerkung vorab. Der Satz hier zeigt, dass MDR nicht verstanden hat, was an dieser Doku kritisiert wird. Zb die unkritische Übernahme von Angaben des Verfassungsschutzes, keine Transparenz zum – politischem – Background der "Experten" und die Art wie Bilder hier eingesetzt wurden um das alles zu illustrieren.
MDR schreibt mir:
Äh? Verfassungsschutz ist also DIE Quelle? Dabei geht es um Statistik, um durch die Behörden eingeleiteten Strafverfahren, nicht um Verurteilungen, nicht darum ob die Vorwürfe überhaupt stimmen.
Lustigerweise habe sich Xmale den hier genannten Vorwurf des "Gefährlichen Eingriffes" in den Bahn oder Straßenverkehr bekommen. Wegen Kletteraktionen gegen Atomtransporte zum Beispiel.
Verurteilt wurde ich deshalb NIE, weil der Vorwurf juristisch gesehen völliger Quatsch ist, aber weil er zum Straftatkatalog des §129a StGB (Terroristische Vereinigung) gehört und Ermittlungen in diesem Zusammenhang der Polizei viel Macht geben, wird er erstmals formuliert und in Datenbanken der Polizei und des Verfassungsschutzes gespeichert.
Der jüngste Eintrag dürfte 2 Wochen alt sein: Nötigung und gefährlicher Eingriff im Straßenverkehr auf einer Anti-Atom-Demo in Lingen durch Sitzenbleiben auf einen Rollstuhl, der weg getragen wurde, weil er einem Auto, das angeblich ein Polizeiauto war aber nicht als solches gekennzeichnet war, im Weg stand. Ja wohl der Vorwurf steht in den Datenbanken zu kriminellen Linken Aktivist*innen. So wird Stimmungsmache gemacht!