Vergangenes Jahr berichtete ich über den so genannten Rathausprozess vor dem Stuttgarter Amtsgericht. AktivistInnen haben 2012 mit der Forderung nach einem Bürgerparlament das Stuttgarter Rathaus besetzt. Die Antwort der regierenden Grünen war eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch. Amtsrichter Gauch sprach am 25. April 2014 nach 7 Verhandlungstage und reichlich Zopf um die Rechte der Verteidigung sein Urteil gegen drei Angeklagten: eine Verurteilung zu 15 Tagessätzen wegen Hausfriedensbruch.
Ich bin in diesem Verfahren als Verteidigerin (§138II StPO) eines Angeklagten involviert. Nach dem Urteilsspruch legten wir Revision ein. Eine Revision darf nur eine-n Verteidiger-in begründen. Die 3 Angeklagten hatten jeweils eine-n Verteidiger-in: 2 Laienverteidiger-in und einen Rechtsanwalt. Der/die Laienverteidiger-in hat die gleichen Rechte wie ein Rechtsanwalt. So dass für alle drei Angeklagten Revision eingelegt werden konnte.
Es hat bis zur Entscheidung vom Oberlandesgericht lange gedauert. Es kommt selten vor, dass man eine Revision gewinnt, aber ja, unsere Revision hat Erfolg, das Urteil ist aufgehoben.
Die Staatsanwaltschaft hat es versucht, unsere Revision zu verhindern, indem sie Berufung eingelegt hat – wenn eine Seite Berufung einlegt, gibt es keine Revision, sondern eine Berufungsverhandlung. Bei einer Verurteilung bis zu 15 Tagessätzen muss die Berufung aber begründet werden und vom Landgericht angenommen werden. Das Landgericht hat die Berufung der Staatsanwaltschaft abgelehnt. So dass das Oberlandesgericht dann über unsere Sprungrevision entscheiden musste, diese hatten wir gleich eingereicht und begründet. Eine Revisionsbegründung zu schreiben bedeutet viel Arbeit. Man muss sich an starren Formvorschriften halten. Unsere Begründung hatte einen Umfang von über 40 Seiten. Es ist eine Sprungrevision, weil man so die Berufungsinstanz überspringt.
Unsere Revisionen wurden laut Beschluss form- und fristgerecht eingereicht, sie sind auch begründet. Das Urteil vom Amtsgericht ist aufgehoben, das Verfahren wird an das Amtsgericht zurück verwiesen – wie von uns beantragt. Der Prozess soll nun vor einem anderen Richter von Neuem beginnen. Das ist eine Klatsche für Richter am Amtsgericht Gauch… mit seiner « laienhaften Rechtsauffassung« , wie er im Laufe der Verhandlung mal selbst zugeben musste, als ihm nachgewiesen wurde, dass er die Strafprozessordnung nicht korrekt anwendete. Dem OLG kam es nicht einmal auf die Verfahrensrügen an, denn das Urteil wurde wegen der Sachrüge aufgehoben: Es geht um eine fehlerhafte Anwendung des Rechts, aus dem Urteil kann nicht entnommen werden, dass der Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllt ist und die von den Angeklagten geltend gemachten Grundrechte (hier das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit) korrekt berücksichtigt wurden.
Wir könnten darauf gespannt sein, wie es nun weiter geht: der Prozess soll vor dem Amtsgericht wiederholt werden – es sei dem das Verfahren wird eingestellt. Die Staatsanwaltschaft darf jederzeit einstellen, das ist bei Bagatellverfahren üblich – aber nicht wenn es um ein Polit-Verfahren geht… Das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung ist oft politisch motiviert.
Der OLG-Beschluss ist hier anonymisiert als PDF herunter zu laden.