(Eichhörnchen) Griechenland ist wegen der anstehenden Wahlen am morgigen Sonntag in aller Munde. Es ist davon auszugehen, dass die Linke die Wahl gewinnt. In der linken Polit-Szene ist eine gewisse Begeisterung festzustellen. Ich bin da skeptisch. Meine Erfahrung sagt mir: Veränderungen kommen von der Strasse, nicht aus den Urnen – oder wie ein bekannter Spruch es auch ausdrückt: Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten. Um von den Wahlen abzulenken und den Fokus auf die konkreten Problemen zu legen, veröffentliche ich hier einen Artikel von Zwiebel über den (Umwelt)Konflikt um Goldabbau in Griechenland. Ob die Wahlen den Konflikt lösen werden? Die Syriza-Partei ist auf dem Papier gegen die Goldminen. Es wird sich also zeigen.
Skouries – Goldabbau in Griechenland
(Zwiebel) Mit meinem Rucksack auf dem Rücken schleppe ich mich langsam die Straße hinauf. Eine Polizeistreife fährt an mir vorbei, dann der Wagen eines Security-Unternehmens. Dann kommt die Streife wieder zurück. Und noch ein weiteres Security-Auto. So geht das nun schon die ganze Zeit, seit ich den Weg hoch auf den Kakavos-Berg in Griechenland eingeschlagen habe.
Keine zwei Stunden habe ich mit Bus und ausgestrecktem Daumen von Thessaloniki bis ins 3.000-Seelen-Dorf Megali Panagia gebraucht, welches im Osten der Halbinsel Halkidiki gelegen ist. Doch von dort aus ging’s dann nur noch zu Fuß weiter. Was mich antreibt? Etwa die wunderschöne Natur, der Wald, die Berge, die Flüsse, das Meer? – In gewisser Weise schon. Jedoch auf eine wahrlich unschöne Art und Weise: Was mich hierher bringt, ist der Kahlschlag des Waldes, die Sprengung des Berges, die Vergiftung von Meer, Flüssen und Grundwasser.
Auf dem Kakavos-Berg soll eine der zahlreichen geplanten Goldminen in Nordgriechenland entstehen: Skouries. Kaum auszumalen werden die katastrophalen Auswirkungen dieses Projekts sein und es steht bereits mehr als in den Startlöchern.
Die Straße, auf der ich gehe, ist neu und wahrscheinlich besser in Schuss als irgendeine Autobahn in Griechenland. An den rot-bräunlichen Steilwänden neben ihr lässt sich leicht ausmachen, wie sie regelrecht in den Berg hineingefressen wurde. Nach einiger Zeit beginnen scheinbar endlose Holzstapel den Weg zu säumen. Unschwer, den Zusammenhang zwischen der Straße und den toten Bäumen herzustellen.
Nicht recht wissend, was mich erwartet und wo genau ich hingehen muss, hat mir die nervtötende Präsenz der wie aufgescheucht hin- und her fahrenden Autos von Polizei und Security zumindest die Sicherheit gegeben, auf dem richtigen Weg zu sein. Mein Ziel ist ein 10-tägiges Protestcamp direkt auf dem Berg nur unweit von der geplanten Mine und den bereits stattfindenden Arbeiten zur Errichtung der Infrastruktur. Von Kampfkomitees aus Halkidiki und Thessaloniki war das vom 22. bis 31. August 2014 stattfindende Camp angekündigt worden mit den Worten: „…gegen die Paranoia und die destruktive Raserei von Staat, Gesellschaften und Spekulanten… Die willkürliche Orgie der Verwüstung muss stoppen. Heute, sonst gibt es kein Morgen mehr!“
Auf dem Camp selber konnte ich dann in zahlreichen Gesprächen, Diskussionen, Vorträgen und Spaziergängen meine Wissenslücken über den Ort und das Geschehen schließen und kam zu der Entscheidung, dies in einem Artikel zu verarbeiten. Denn darüber, was hier vor sich geht, sollten mehr Menschen Bescheid wissen.
In Nord-Griechenland sind zur Zeit zahlreiche Goldminen in Planung. Unter anderem soll auf der Halbinsel Halkidiki konkret in den Gegenden um Skouries Gold abgebaut werden. In der Nähe der Mine, die bei Skouries entstehen soll, bei Piavitza, befindet sich auch noch ein weiteres Goldvorkommen und die Überlegungen zu einer Mine dort könnten noch zehnmal größere Ausmaße als in Skouries annehmen
In Makedonien sind die Regionen Kilkis und Serres betroffen und in Thrakien soll bei Perama eine Mine entstehen.
Hinter den Minen auf Halkidiki und bei Perama steckt dabei die gleiche Firma: Eldorado Gold, ein kanadisches Unternehmen mit Sitz in Vancouver. Jeweils ist der Beginn des Abbaus für 2016 geplant und die Laufzeiten gehen teilweise bis zu 27 Jahren. Aber auch bei den anderen für den Goldabbau freigegebenen Regionen ist eine Teilhabe von Eldorado Gold nicht
ausgeschlossen.
Zwielichtige Transaktionen – Wie Eldorado Gold ins Spiel kam
Im Jahr 1996 waren die Abbaurechte für die Kassandra-Minen im Wege einer öffentlichen Ausschreibung für 32 Mio. Euro an TVX Hellas S.A., ein Tochterunternehmen der kanadischen TVX Gold, veräußert worden. In den darauf folgenden Jahren wurde unter anderem eine Silber-Blei-Zink-Mine in Stratoni betrieben sowie eine Mine in Olympiada.
Doch bereits in 2002 wurde nach heftigen Protesten die Abbaugenehmigung widerrufen. Das oberste Verwaltungsgericht von Griechenland hatte entschieden, dass der geplante Goldabbau eine Katastrophe für die Region wäre. TVX Gold stellte daraufhin die Finanzierung ein und schließlich musste TVX Hellas Insolvenz anmelden und wurde offiziell für bankrott erklärt.
Dazu kam, dass im Dezember 2002 nach heftigen Regenfällen stark saures und schwermetallhaltiges Wasser aus den Galerien einer von TVX Hellas betriebenen Mine in den Golf von Stratoni lief, wo sich daraufhin das Wasser rot färbte. TVX jedoch sprach von einem „optischen Phänomen“.
Am 12. Dezember 2003 wurden die Bergbaukonzessionen der Kassandra-Minen für 11 Mio. Euro an den griechischen Staat überschrieben. Diese Transaktion beinhaltete ebenfalls die Übernahme der rund 17 Mio. Euro, die TVX deren 472 Arbeiter_innen schuldig geblieben war.
Noch am gleichen Tag ging das Vermögen, welches u.a. Minen- und Erkundungsrechte in einem Bereich von 317 km² beinhaltete, für den gleichen Preis an die HELLAS GOLD S.A. Dabei wirkte der damalige Staatssekretär für Finanzen Christos Pachtas (Pasok) intervenierend. Gleicher besetzte später das Bürgermeisteramt der Gemeinde Aristoteles, in der der Bergbau stattfinden sollte.
Die Art und Weise, wie diese Transaktion durchgeführt wurde, gibt dabei zahlreiche Aufschlüsse über die Verflechtung politischer und wirtschaftlicher Interessen und deren Erscheinungsformen.
Unter anderem fand zuvor weder eine Wertprüfung statt noch gab es eine öffentliche Ausschreibung. Weiterhin wurde das Unternehmen von der Eintragungs- und sonstigen Steuern befreit, erhielt verschiedene Gebührennachlässe, z.B. auf Anwalts- und Notarkosten, und wurde vertraglich aus der Verpflichtung genommen, für Reparationszahlungen aufgrund der Umweltschäden, welche TVX in dem betroffenen Gebiet verursacht hatte, aufzukommen.
Eine weitere Tatsache, die mensch stutzig machen sollte, ist, dass HELLAS GOLD S.A. gerade einmal drei Tage zuvor mit einem Aktienkapital von 60.000 Euro gegründet wurde – scheinbar kein Hinderungsgrund, ein Vermögen von 11 Mio. Euro aufzukaufen.
Dazu kommt, dass sechs Monate später der Marktwert der Minen von einem globalen Finanzdienstleister auf 408 Mio. Euro geschätzt wurde. Also 37mal mehr als der Kaufpreis.
Dennoch bestätigte der Staat die Transaktion, woraufhin in 2004 eine Phase begann, in der das Unternehmen schrittweise in Teilstücke zerlegt und verkauft wurde. Dabei machten die drei Hauptaktionäre von Hellas Gold – Leonidas Bobolas, Dimitrios Koutras und Frank Timiş – einen Gewinn von 95,7 Mio. Euro und an den Staat ging genau nichts.
Bis Ende 2007 erwarb dann die kanadische Firma European Gold Fields 95 Prozent von Hellas Gold. Die übrigen 5 Prozent behielt der Aktionär Bobolas mit dessen Baufirma AKTOR. (Zu den Bobolas sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass es sich hierbei um einen einflussreichen, regierungsnahen griechischen Familienclan handelt, dem unter anderem auch große Teile der griechischen Medien gehören.)
2011 wurde mit der Zulassung der in vielen Teilen fehlerhaften und unvollständigen Studie von Hellas Gold zum Umwelteinfluss (EIA), welche konkret die Standorte in Olympiada, Skouries und Stratoni betrifft, eine weitere bürokratische Hürde geebnet. European Gold Fields ging dann im Februar 2012 an die ebenfalls in Kanada ansässige multinationale Aktiengesellschaft Eldorado Gold über.
Heute gehört Hellas Gold S.A. also zu 95 Prozent Eldorado Gold und zu 5 Prozent AKTOR. Der Wert der Mineralien von Halkidiki wird inzwischen auf 15,5 Mrd. Euro geschätzt.
Skouries und seine Folgen
Allein die Verstrickungen von Politik und Großkonzernen wären ja nun scho
n Grund genug für einen Aufschrei. Allerdings sind die Probleme, die die Goldminen jetzt schon aufwerfen und noch aufwerfen werden noch weitaus schwerwiegender.
Aber der Reihe nach: Was soll eigentlich genau in Skouries passieren?
In der Region Skouries befindet sich ein Gold-Kupfer-Porphyr- Vorkommen. Dieses will Hellas Gold ab 2016 zunächst im Tagebau abbauen. Mit sechs Tonnen Sprengstoff pro Tag soll über die Jahre ein Loch entstehen mit einem Durchmesser von bis zu zwei Kilometern und einer Tiefe von 220 Metern. 24.000 t Gestein mit einem geschätzten Gehalt von 0,8 g Gold pro Tonne sollen pro Tag abgebaut werden.
Unter dem Tagebau soll dann ein bis 770 Meter tiefer Untertagebau mit bis zu 25 km Galerien entstehen.
Zusätzlich soll an dem Standort Skouries auch eine Metallurgie-Fabrik zur Reingoldgewinnung entstehen. Dieser Punkt macht Skouries zu einem Schlüsselstandort der griechischen Goldproduktion. Denn hierher würde zu diesem Zwecke auch das Erz der anderen nordgriechischen Minen gebracht werden.
Der Wald
Um dieses Projekt zu verwirklichen, wurden bereits ca. 3 km² Wald kahlgeschlagen. Ein ganzes Ökosystem und damit auch Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzen wird dauerhaft zerstört. Auch die Menschen der umliegenden Dörfer, die Teile des Waldes schon seit Jahrhunderten forstwirtschaftlich genutzt haben, sehen sich nun einer wichtigen Quelle für Brenn- und Bauholz entzogen.
Das Wasser
Außerdem wird mit mehreren Drainage-Bohrungen das Grundwasser bis zu einer Tiefe von 750m (davon 140m unter dem Meeresspiegel) abgepumpt, um zu verhindern, dass die Mine vollläuft. Dies hat unter anderem die Austrocknung des Berges zur Folge, gefolgt von Bodenerosion und Überflutungen.
In Anbetracht der Tatsache, dass sich an diesem Ort das Haupt-Grundwasser-Vorkommen von Halkidiki befindet, ergeben sich allerdings noch weitere erschreckende Auswirkungen. Zum einen werden bereits 15 Mio. m³ Wasser pro Jahr abgepumpt, was dem Wasserverbrauch der gesamten Halbinsel entspricht. Weiterhin wird jedoch auch das übrig bleibende Wasser kontaminiert. Unter anderem würde es bei dem vom Unternehmen geplanten Zurückführen des Wassers nach Beendigung der Bergbauaktivitäten zum Eindringen von Schadstoffen wie Schwermetallen kommen. Auch das Einlaufen von Salzwasser in küstennahe Grundwasservorkommen stellt ein Problem dar.
Aufgrund der bereits geschehenen Bergbauaktivitäten ist das Wasser in einigen Gegenden bereits mit Schwermetallen verseucht.
Des weiteren wird eine unglaubliche Menge an Frischwasser verschwendet: Zur Förderung von einem Kilo Gold werden durchschnittlich 691.000 Liter Wasser benötigt.
Die Luft
Durch die täglichen Sprengungen wird eine Unmenge an Feinerz-Staub produziert – über 3.000 t pro Stunde werden es nach eigenen Einschätzungen von Eldorado Gold sein. Dazu kommen die Emissionen von Kohlenmonoxid, Stickoxiden, flüchtigen organischen Verbindungen, Schwefeldioxiden und den Aerosolen PM10 und PM2,5 . Diese atmosphärischen Schadstoffe werden über weite Distanzen verteilt.
Besonders die Feinstaubtypen PM10 und PM2,5 sind gesundheitsgefährdend, da sie aufgrund ihrer Größe von der Lunge nicht herausgefiltert werden und somit direkt in den Organismus von Menschen und anderen Tieren aufgenommen werden. Die sich an die Partikel anlagernden Schwermetalle und radioaktiven Elemente gelangen ebenfalls in den Körper und verursachen schwere Gesundheitsschäden. Allein in Skouries werden geschätzte 430t PM10 pro Jahr anfallen mit hohen Konzentrationen insbesondere an Arsen.
Der Boden
Kohlenmonoxid, Stickoxide und Schwefeldioxide werden zu saurem Regen führen und infolge dessen übersäuert ebenfalls der Boden. Dies in Verbindung mit der Kontaminierung durch eine lange Liste an Schwermetallen von A wie Antimon bis Z wie Zink wird es für Pflanzen und andere Organismen unmöglich machen, in dem betroffenen Bereich zu überleben.
Die „Endlagerung“
Des weiteren entsteht durch die Goldproduktion Müll und zwar vor allem durch den Prozess des Herauslösens des Goldes aus dem restlichen Gestein.
Denn dafür werden heutzutage zahlreiche, in höchstem Maße giftige Chemikalien verwendet. Und all das muss dann anschließend irgendwo hin: Täler werden durch Dämme zu Becken umgewandelt und mit dem Bergbau-Müll gefüllt, der dann in der Regel so lange dort bleibt, bis der entsprechende Damm bricht, wie im Jahr 2000 in einer Goldmine in Baia Mare (Rumänien) geschehen. Dort wurden durch ein Leck 100.000 m³ mit Zyanid und anderen Schwermetallen verseuchtes Wasser freigesetzt. Dieses Wasser floss in den Fluss Tesla und später in den Danube, führte zur Kontamination über Rumänien, Ungarn und Serbien hinaus, vergiftete Trinkwasserressourcen, tötete Tausende Fische und verursachte das Absterben der angrenzenden Ökosysteme. Diese Umweltkatastrophe in Baia Mare gilt direkt nach Tschernobyl als eine der verheerendsten in der Geschichte des europäischen Kontinents.
Oder aber die Giftstoffe verdunsten oder sickern langsam in den Boden ein und kontaminieren das Wasser und den Boden.
Normalerweise wird bei der Goldproduktion vor allem Zyanid verwendet. Nun rühmt sich aber Hellas Gold damit, ein Verfahren anwenden zu wollen, bei dem kein Zyanid verwendet würde: das soganannte Schwebeschmelzverfahren oder auf Englisch: „Flash smelting“. Dieses wurde niemals in industriellem Ausmaß für die Goldproduktion erprobt und ergibt außerdem kein Reingold sondern Mischungen mit Kupfer, Blei und Eisen. Da es bisher keine Methode zur Trennung gibt, ist es wahrscheinlich, dass das Unternehmen doch auch Zyanid einsetzen wird.
Weiterhin gibt es wissenschaftliche Hinweise darauf, dass das ausgewählte Veredelungsverfahren für den Goldtyp der Kassandra-Minen nicht geeignet ist und die Fabrik, wenn sie gebaut und eingesetzt wird, mehr Arsen in die Umwelt freisetzen wird als irgendeine andere Fabrik in der EU. Das finnische Unternehmen OUTOTEC, das die Technologie des Schwebeschmelzverfahrens entwickelt hat, drückte bereits ernsthafte Bedenken gegenüber der von Hellas Gold geplanten Anwendung im industriellen Maßstab aus.
Der durch die Produktion des Goldes entstehende Müll wird nun zu etwa 70 Prozent aus arsenhaltigem Eisenoxid-Schlamm (Skorodit) und Kalziumsulfat bestehen und ist besonders aufgrund des Arsens gefährlich. Außerdem ist die Stabilität des kristallinen Skorodit bei der Lagerung mit anderen Stoffen fraglich. Aber auch dafür hat sich nun das Unternehmen von der nationalen technischen Universität von Athen eine Methode ausdenken lassen, welche nicht einmal in Pilot-Tests erprobt wurde, aber dennoch eingesetzt werden soll.
Die für Skouries geplanten Abfallbecken werden sich in den von den Flüssen Karatzas und Lotsaniko gebildeten Schluchten befinden. Die Bäume dort, einige über 300 Jahre alt, wurden bereits gefällt und 140-160 Meter hohe Dämme sollen gebaut werden. Der abgeladene Müll soll laut Angaben des Unternehmens relativ trocken sein und wie ein Berg an der höchsten Stelle noch 220 Meter über die Dämme hinausreichen. Dass dies starken Regenfällen standhalten würde, ist sehr fraglich.
Nach den Bergbauaktivitäten soll dann alles mit 60 cm Erde zugeschüttet w
erden und Hellas Gold will „zwei Bäume dort pflanzen, wo vorher einer stand“. Abgesehen davon, dass Bäume dicht gedrängt nicht besser wachsen, ist es auch absolut unmöglich, dass an einem solchen Ort Bäume länger überleben könnten.
Weiterhin will das Unternehmen, um das Einsickern der giftigen Stoffe in den Boden zu verhindern, die Becken mit einer Folie auskleiden. Nach aktuellen Einschätzungen wird diese Folie allerdings höchstens 50 Jahre lang dicht halten. Da Hellas Gold den Goldabbau in Skouries 27 Jahre betreiben will, wird die Lösung des Problems also anscheinend auf die Dauer des Bestehens des Unternehmens angesetzt. Was danach kommt – darum sollen sich andere kümmern.
Auswirkungen auf die Menschen
Die Menschen in der Gegend um Skouries sind in vielfacher Weise negativ von der Goldmine betroffen: gesundheitlich, sozial und ökonomisch.
Gesundheitlich sind sie betroffen, da das verseuchte Wasser, die Schwermetalle und der Staub zahlreiche, auch tödliche Krankheiten verursachen. Dies betrifft nicht nur die Arbeiter (ich schreibe hier nur in männlicher Form, da es vor allem Männer sind, die in der Mine arbeiten) sondern auch alle Bewohner_innen der Region und Besucher_innen.
Die sozialen Auswirkungen beschreibt Carlos Zorrilla in dem Ratgeber „Protecting your community against mining companies and other extractive organizers“ sehr passend:
„Es ist allgemein üblich, dass multinationale Bergbauunternehmen spezielle Taktiken verfolgen, die darauf zielen, die soziale Anerkennung zu bekommen.
Vor allem suchen sie Verbindungen zu lokalen Führungspersonen und Gruppen, die niemanden repräsentieren, aber leicht zu beeinflussen sind. Dadurch wird schrittweise ein Bruch im sozialen Netzwerk verursacht, während die Unternehmen ausgleichende soziale Projekte finanzieren. Sie erachten eingereichte Bewerbungsschreiben als Volksentscheide zu ihren Gunsten und erwerben strategisch Land. Sie benutzen aggressive Methoden gegen oppositionelle Bürgerinitiativen, wie z.B. Terrorismus, Gewalt, Erpressung, Infiltrierung, Überwachung, Klagen, die die finanziellen Möglichkeiten dieser Gruppen erschöpfen, Verbreitung falscher Gerüchte, Erstellung falscher Verbrechen, ausgedachte Anschuldigungen bis sogar hin zu Morddrohungen. Schließlich benutzen sie private Sicherheits-Unternehmen und arbeiten eng mit Milizen und Polizei zusammen.“ Viele, wenn nicht sogar alle dieser Strategien wurden von Hellas Gold S.A. in Halkidiki angewendet.
Schließlich wird die Region und die Menschen, die dort leben, noch ökonomisch in den Ruin getrieben. Denn die Haupt-Betätigungsfelder sind hier Landwirtschaft, Imkerei, Fischerei, Forstwirtschaft und Tourismus. All dies ist kaum bis gar nicht mit dem Goldbergbau vereinbar und wenn die Mine dann in einigen Jahren schließen würde, stünden die Menschen nur noch einer komplett zerstörten Umwelt und damit der Zerstörung aller Lebensgrundlagen gegenüber.
Markant ist auch wieder einmal das Bergbaurecht, das ganz eindeutig für die Interessen der Großkonzerne und gegen die Menschen ausgelegt ist. Unter anderem ist jede Aktivität, die den Bergbau stört, in ausgeschriebenen Bergbaugebieten verboten, privater Landbesitz kann enteignet werden (es kann also auch zu Zwangsumsiedlungen kommen), Schutzstatus für Gebiete durch nationale oder internationale Übereinkommen greifen nicht mehr und das Bergbauunternehmen hat den vollen Besitz an den Mineralien, muss also keinerlei Abgaben zahlen.
Die offene Koordination von Thessaloniki gegen die Goldminen schreibt in einem Statement zur ökonomischen Unterwanderung der Region: „Es ist außerdem kein Zufall, dass dieser skandalöse Transaktionsbetrug der nord- östlichen Chalkidiki Minen in einer Periode des Wohlstands stattfand. Zu einer Zeit, da niemand darauf achtete, während die Umsetzung des Megaprojekts, dem tatsächlichen Aufbau der Minen, inmitten der Krise durchgedrückt wird. Nun werden wir mit unverblümter Erpressung konfrontiert: wir müssen entweder eine deutliche und direkt zerstörerische Absicht akzeptieren oder wir schaffen es sonst nicht zu überleben.“
Diese deutliche und direkt zerstörerische Absicht wollen aber bei weitem nicht alle akzeptieren. Denn das Überleben kann es nur ohne die Minen geben und mit den Minen nur den Tod.
Der Widerstand (und die Repression)
Widerstand regte sich in der Region um die Kassandra-Minen schon in den späten 90ern. Wie oben bereits erwähnt, hatten die Leute dort es geschafft, eine Goldmine in Olympiada zu stoppen.
Die Mahnwache
Als nun die Pläne um Skouries klar wurden, formten sich in den umgebenden Dörfern Bürgerinitiativen, die Kampfkomitees genannt werden.
Im Jahr 2009 errichteten sie auf dem Berg, wo die Mine entstehen sollte, eine Mahnwache. Diese war seitdem dauerhaft besetzt, um jede Aktivität von Hellas Gold mitbekommen und verhindern zu können. Bohrgeräte, die sich vor Ort befanden, wurden dann auch ziemlich schnell entfernt. Über Jahre blieb es ruhig auf dem Berg. Das Goldgeschäft schien nur auf dem Papier zu existieren, die Millionengewinne nur mit Spekulationen gemacht zu werden. Keiner rechnete ernsthaft damit, dass das wahnwitzige Projekt tatsächlich durchgeführt werden sollte.
Dennoch organisierten dich die Bergbaugegner_innen weiterhin, informierten sich und andere über die katastrophalen Folgen des Goldabbaus, wurden mehr. Alle Kongresse oder ähnliche Propagandaaktivitäten des Konzerns wurden in den Folgejahren gestört, vor allem mit wissenschaftlich fundierten Richtigstellungen der Tatsachen und auch Aktionen wie „Banner-Drops“.
Nachdem Anfang 2012 nach zwei Monaten meterhohen Schnees, in denen der Berg „unbesetzt“ blieb, die Leute mitbekamen, dass Hellas Gold mit Angestellten des Archäologischen Instituts von Griechenland den Berg hochfuhren, schrillten die Alarmglocken: Dies schien ein Zeichen für eine tatsächliche Realisierung des Projekts zu sein. Denn das Archäologische Institut muss in Griechenland aufgrund der vielen Funde aus der Antike immer zuerst sein Okay geben, bevor irgendwelche Baumaßnahmen stattfinden dürfen. Nach einer Vollversammlung der Kampfkomitees wurde entschieden, den Fokus auf die Mahnwache zu legen und insgesamt 40 Menschen versammelten sich schließlich dort.
Am Tag darauf, am 20. März 2012 passierte dann etwas, mit dem keine_r gerechnet hatte. Hellas Gold zwang unter Androhung der Kündigung alle 350 Arbeiter aus der Silber-Blei-Zink-Mine in Stratoni und zusätzliche 150 potentielle Arbeiter auf den Berg zu gehen. Den potentiellen Arbeitern war erzählt worden, die einzige Möglichkeit für sie, in Zukunft einen Job zu erhalten, wäre, wenn sie dort hochgehen. So kam es, dass 500 Minenarbeiter die 40 Menschen in der Mahnwache, die wohlgemerkt teilweise ihre eigenen Nachbarn waren, angriffen und die Mahnwache selbst komplett zerstörten.
In Ierissos, einem der Widerstandsdörfer, wurde daraufhin das Bürgermeisterbüro besetzt und in einer Vollversammlung wurde eine Demo auf dem Berg für den 25. März angesetzt.
Die Demos
Bei der angesagten Demo nahmen ca. 2.500 Leute teil: Dorfbewohner_innen, darunter auch alte Menschen und Kinder. An diesem Tag wurden die Leute zum ersten mal mit der MAT (die griechische Bereitschaftspolizei) konfrontiert, die sie am Eingang zum Berg massiv mit Tränengas attackierte.
In den folgenden Tagen, Wochen und Monaten kam es immer wieder zu großen Demonstrationen mit zwischen 2.000 und 5.000 Teilnehmer_innen und im Gleichzug auch immer wieder zu stundenlangen Auseinandersetzungen mit der MAT.
Als einschneidendes Ereignis prägte sich die Demo am 21. Oktober 2012 in die Gedächtnisse ein, bei der die Polizeigewalt ungeahnte Ausmaße annahm: Die Teilnehmer_innen auf dem Berg wurden über 7 km von der Polizei gejagt. Sie wurden geschlagen und mit Plastikmunition und Tränengas beschossen. 21 Menschen wurden verhaftet und 14 von ihnen der „Rebellion“ angeklagt.
In der Folgezeit verlagerte sich der Widerstand immer mehr in Richtung Ierissos, anstatt sich weiter auf den Berg und auf das nächstliegendsteWiderstandsdorf Megali Panagia zu konzentrieren. Dies ermöglichte es dem Unternehmen, mit Baumaßnahmen für die Infrastruktur zu beginnen. Tausende Bäume wurden gefällt, eine breite Straße entstand dort, wo sich vorher nur ein schmaler Waldweg befand und zahlreiche Straßen wurden komplett neu in den Wald geschlagen. Das Abpumpen des Grundwassers begann, die Flächen für die Mine und die Abfallbecken wurden vorbereitet. Komplexe aus Bürokontainern wurden errichtet und mit dem Bau der Fabrik angefangen. Zeitgleich wurde auch in der Presse nur noch von dem Widerstandsdorf Ierissos berichtet, während absichtlich alle anderen Beteiligten unerwähnt blieben, was teilweise zur Spaltung des Widerstands führte.
Der Brandanschlag
In der Nacht zum 17. Februar 2013 betraten laut Polizeiangaben 40-50 Personen das Gelände, auf dem die Baumaßnahmen von Hellas Gold stattfanden und überwältigen vier Sicherheitskräfte. Fahrzeuge, Maschinen und Büroräume gingen in Flammen auf: Die Firma sprach von einem Sachschaden von 900.000 Euro. Als der Vorfall bekannt wurde, sanken die Aktienwerte von Eldorado um sechs Prozent.
Direkt am nächsten Tag nach dem Anschlag besuchte der rechtsgesinnte Minister für Bürgerschutz Nikos Dendias die Baustelle und versprach, die Täter zu fassen. Die Antiterroreinheit wurde involviert und der griechischeMinisterpräsident Antonis Samaras ließ verkünden, dass „die ausländischen Investitionen um jeden Preis geschützt werden“. Die Repression gegen die Bewohner_innen der Widerstandsdörfer ging ab diesem Zeitpunkt auf eine ganz neue Ebene: Tägliche Hausdurchsuchungen, Festnahmen, Drohungen, Überwachung. Über 400 Personen wurden gezwungen, DNA abzugeben und auf ca. 70 Personen regnete es Klagen: Die Vorwürfe lauteten unter anderem Gründung einer kriminellen Vereinigung, versuchter Mord und Besitz von Sprengstoffen.
Im März fielen mehrere Hundertschaften in Ierissos ein, um Menschen festzunehmen und schossen dabei sogar Tränengas in eine Schule. Die Bewohner_innen schafften es jedoch, sich gegen den Angriff zu verteidigen.
Zwei Tage später versammelten sich erneut 10-20.000 Menschen in Thessaloniki, um gegen die Polizeigewalt und die Goldmine zu protestieren.
Im April wurden zwei Personen festgenommen und für sechs Monate ohne wirkliche Beweise in Untersuchungshaft gesteckt. Bei den Festnahmen brach die Polizei nachts in die Häuser ein und überwältigte die Männer im Beisein ihrer Familie. Zwei weitere Personen wurden im Juli in Ierisso festgenommen und verbrachten drei Monate in U-Haft, ebenfalls ohne Beweise. Es kam zu stundenlangen Ausschreitungen.
Noch bis in den Juli 2014 hinein wurden Leute für Aussagen bei der Staatsanwaltschaft vorgeladen. Dabei wurden häufig Daten für angekündigte Aktionen und Demonstrationen gewählt. Viele haben Auflagen bekommen, dass sie sich nicht mehr als 3,5 km dem Berg nähern und das Land nicht verlassen dürfen. Die Prozesse stehen noch aus.
Aktueller Stand
Am 5. August diesen Jahres stimmte das Griechische Parlament positiv über Artikel 36 des neuen Forstgesetzes sowie eine Gesetzesänderung ab, durch welche öffentliche Wälder für private Geschäfte verfügbar werden. Dadurch wurden auch alle bereits geschehenen und auch alle zukünftigen Bau-Aktivitäten von Hellas Gold legalisiert. Alle bisherigen Baumaßnahmen waren nämlich ohne Genehmigung durchgeführt worden. Am Vortag hatten zwölf Frauen aus Protest gegen die Verabschiedung der Gesetzesänderung den Eingang zur Mine blockiert, vier von ihnen hatten sich am Tor festgekettet.
Die starke Repression war auch deutlich auf dem Camp zu spüren, da die Teilnehmer_innen von einer Zahl von über 2.000 auf ca. 200 Menschen zusammengeschrumpft war.
Weiterhin befürchten nun viele, durch die Wahl des neuen, laut Wahlversprechen Anti-Gold-Bürgermeisters von Ierissos, Yiannis Michos, weitere Kraft des Widerstandes zu verlieren. Denn eine Hoffnung darin, dass Politiker_innen das Problem lösen könnten, wäre nur allzu trügerisch.
Auch die Wahlen, die in Griechenland am 25. Januar 2015 anstehenden und bei denen die Partei Syriza gute Karten hat, halten die Gemüter zur Zeit noch im Schach. Sollte Syriza die Wahlen jedoch gewinnen und – wie zu erwarten – die Wahlversprechen (gegen den Goldabbau) nicht einhalten, könnte sich dies jedoch schnell ändern. Und auch wenn die Widerstandsbewegung gerade schwere Zeiten durchmacht, ist hier auf Halkidiki noch nichts entschieden.
Mobilisierung
Im Jahr 2015 wird es wieder ein internationales Camp gegen den Goldabbau geben. Ein genaues Datum steht noch nicht fest. Voraussichtlich wird es Ende Juli, Anfang August in Ierissos stattfinden. Haltet Augen und Ohren offen.
Infos wird es auf den Internetseiten beyondeurope.net und ak2003.gr geben. Wir sehen uns in Griechenland!
Vielen Dank an Zwiebel für diesen Text!