Fragwürdiges politisches Urteil in Hannover am 14.11.: Den Angeklagten wurde vorgeworfen, eine Säule der Messe AG in Hannover bei einer Protestaktion gegen die Euro-Tier-Messe verschmutzt zu haben. Voraussetzung für eine Strafbare Sachbeschädigung sind Vorsatz, eine Substanzverletzung und eine wesentliche – also nicht unerhebliche – Veränderung des Erscheinungsbildes. Keine dieser Tatbestandsvoraussetzungen wurden erfüllt. Die Zeugen haben vor Ort zu Tatzeit keine Verschmutzungen wahrgenommen, es wurde auch nicht versucht irgendwelche Spuren zu entfernen. Einziges « Beweisbild » ist eine vergrößerte Aufnahme von nicht weiter identifizierbaren Spuren auf einer Säule – aus geringer Entfernung sind diese Spuren schon nicht mehr zu sehen. Wann das Bild aus welcher Entfernung wo und durch wen aufgenommen wurde, ist nicht bekannt. Diese dünne Beweislage reichte allerdings für ein politisches Urteil. Der Richter schien aus Prinzip das Demonstrieren verurteilen zu wollen. Es fielen Bemerkungen à la « Die Säule gehören Ihnen nicht, dort wird nicht demonstriert ». Angeklagt wurde das Demonstrieren nicht, verurteilt wurde es aber schon – auch wenn die Verurteilung auf dem Papier wegen Sachbeschädigung erfolgte. Und wie üblich bei Verurteilungen mit dünner Beweislage und haarsträubender Begründung: das Urteil lautet auf 15 Tagessätze (TS) à 10 Euro – um eine rechtliche Überprüfung des Urteils zu erschweren. Ich hatte in meinem Plädoyer als Wahlverteidigerin auf Freispruch plädiert und hilfsweise bei einer Verurteilung 16 TS beantragt. Bei Verurteilungen bis zu 15 TS inklusive sind die Möglichkeiten das Urteil anzufechten eingeschränkt: Revision ist nur möglich wenn die StA keine (Sperr)Berufung einlegt und eine Berufung wird nicht wie bei einer Verurteilung ab 16 TS automatisch verhandelt, sondern muss begründet und dann angenommen werden – oder nicht.
Ich übernehme im Folgenden den Prozessbericht von Robin Wood:
Am 14. November ging vor dem Amtsgericht Hannover die Verhandlung in erster Instanz gegen zwei UmweltaktivistInnen zu Ende. Sie hatten aus Protest gegen die Messe EuroTier am 15. November 2016 zwei Säulen am Eingang Nord des Messegeländes in Hannover erklettert und dort ein Transparent mit der Aufschrift „Wald nicht verwursten – Tierfabriken schließen“ gespannt. Angeblich sollen die Säulen dabei durch Fußabdrücke verschmutzt worden sein. Richter Kleinert verurteilte sie daraufhin wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen – ohne nachvollziehbare Beweise. Die AktivistInnen haben bereits Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt.
Zu Beginn des Prozesses rügte die Verteidigung das Verhalten des Richters in der letzten Sitzung am 26.10.2017 sowie seine Stellungnahmen zu den Aussagen der Zeugen des ersten Verhandlungstermins. Danach wurden zwei ZeugInnen der Deutschen Messe AG angehört. Diese konnten wie die Zeugen des ersten Prozesstages nicht bestätigen, dass es Verschmutzungen an den Säulen gegeben hatte. Trotzdem stellte Richter Kleinert das Verfahren nicht ohne Auflagen ein, sondern verlangte, die Angeklagten sollten die Prozesskosten tragen. Dies lehnten die AktivistInnen ab, weil es einer Ersatzbestrafung gleichgekommen wäre!
Quizz zum Bild: Suche und finde die « Sachbeschädigung », also die wesentliche Veränderung des Erscheinungsbild durch Verschmutzungen die sich nicht entfernen lassen an den Säulen. Hinweis: das Banner ist nicht gemeint, es wurde durch die Kletter*innen nach der Demonstration wieder eingesammelt.
Die gestellten Beweisanträge der AktivistInnen wurden sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch vom Richter ignoriert. Die AktivistInnen ließen sich davon jedoch nicht beeindrucken und zeigten auf, dass die angeblichen Verschmutzungen nicht in den Bereich der Sachbeschädigung fallen können. Außerdem erläuterten sie die Hintergründe ihrer Aktion, die sich gegen die dramatischen Folgen der Tierproduktion für Klima, Mensch und Tier richtete.
Die Staatsanwältin behauptete, alle ZeugInnen hätten ausgesagt, es habe Fußspuren an den Säulen gegeben und diese seien von den KletteraktivistInnen verursacht worden. Dies war schlichtweg falsch!
Einer der beschuldigten Aktivisten kommentierte die Verhandlung mit den Worten: „Richter Kleinert hat am Anfang des Verfahrens gesagt, dass hier nicht meine politische Überzeugung vor Gericht steht. Durch den Verlauf der Verhandlung bin ich zu der Meinung gelangt, dass ich hier vor Gericht stehe, weil ich meine Meinung auf kreative Art äußere und zwar so, dass sie bestimmten Konzernen auch weh tut.“
Noch während der Urteilsverkündigung äußerten einige ZuschauerInnen im Gerichtssaal ihren Unmut über die Bestrafung der UmweltschützerInnen. Der Richter reagierte mit den Worten: „Hauen Sie doch ab! »
- PM zur damaligen Aktion
Als neutraler Beobachter war ich am.zweiten Prozesstag in Hannover beim Gerichtsverfahren anwesend. Ich bin entsetzt darüber, dass junge Menschen, die für eine gute Sache kämpfen, wie den Erhalt der Wälder und gegen Massentier Haltung grundlos bestraft werden. Das Urteil basiert nur auf Vermutungen der Staatsanwaltschaft, die nicht durch die Zeugenaussagen bestätigt wurden. Die Beweisführung der Verteidigung und Angeklagten wurden vom Richter bei der Urteilsfindung n keinster Weise gewürdigt. Mein Eindruck ist, dass hier ein politisches Urteil gefällt wurde, um Proteste zu verhindern. Eine Sachbeschädigung war nicht erkennbar und konnte weder von der Polizei noch von anderen Zeugen als solche bestätigt werden. Somit fand diese friedliche Protestaktion ohne Beschädigung fremden Eigentums statt. Dieses Urteil stellt die Rechtsstaatlichkeit auf den Kopf und hat den Anschein von Willkür. Peter, Gewerbelehrer, 65 Jahte