Am heutigen Mittwoch begann vor dem Stuttgarter Landgericht eine Berufungsverhandlung gegen zwei Robin Wood AktivistInnen vor dem Stuttgarter Landgericht. Den zwei KletteraktivistInnen wird vorgeworfen, am 30. August 2010 aus Protest gegen das Bauprojekt Stuttgart 21 einen Abrißbagger besetzt zu haben. Hausfriedensbruch und Nötigung lautete die Anklagte zu Beginn der Verhandlung. Nach sechs Stunden intensivem juristischem Schlagabtausch wurde die Verhandlung auf den morgigen Donnerstag 14 Uhr vertagt, das allerdings nur, weil die Staatsanwaltschaft – wohl aus politischer Motivation – sich einer Einstellung des Verfahrens entgegen setzt.
Zum Auftakt kritisierten die Angeklagten die vom Vorsitzenden veranlasste Sicherheitsverfügung für die Verhandlung. Die Besucher der Verhandlung mussten sich einer Duchsuchung unterziehen lassen, wie in Sicherheitstrakts von Flughäfen oder Terroristenprozessen üblich. Einer Frau wurde der Zugang zum Gerichtsaal verwehrt weil sie Augentropfen mit sich führte und diese aus gesundheitlichen Gründen nicht abgeben konnte. Der Vorfall sorgte für Empörung bei ZuschauerInnen. « Die Öffentlichkeit wird als Störer betrachtet. Ich sehe hier eine gewisse Voreingenommenheit des Gerichtes gegen eine gewisse Kategorie von Menschen. Das ist eine Verletzung des Gebotes der Gerichtsöffentlichkeit. » rügte Cécile, eine der Angeklagten.
In bewegenden Einlassungen schilderten die Angeklagten ihre Beweggründe zum Protest gegen Stuttgart21. Auch zum « Volksentscheid » bezogen sie Stellung: « Erst Tatsachen schaffen und danach die Menschen nach ihrer Meinung dazu fragen? Das ist doch ein Witz. Das ganze Prokekt S21 ist rechtswidrig zustande gegekommen. Gegen diesen Unrecht haben wir uns zur Wehr gesetzt », erklärte Arne.
Ihrer Empörung über den Umgang der Justiz mit gewaltfreiem Protest machte die erfahrene Kletterkünstlerin Cécile Luft. » Der Staat bricht ständig die eigenen Gesetze. Ob rechtswidrige Überwachung oder Freiheitsentziehungen, das habe ich dutzende male erlebt. Und sie wollen dass ich mich auf Ihren Rechtsstaat positiv beziehe? Wenn der Staat rechtswidrig gegen mich vorgeht, erhalte ich einen Zettel Namens « Beschluss », der mir die rechtswidrige Handlung bescheinigt, mehr nicht. Wenn ich angeblich gegen Ihre Gesetze verstoße muss ich vor Gericht und ich werde wie eine Terroristin behandelt. Das zeigen die Einlaßkontrollen heute. Und das soll Gerechtigkeit sein? »
Mit einem Video und Beweisanträge der Angeklagten wurde dann in die Beweisaufnahme eingestiegen.
Es folgte ein « Rechtsgespräch » zwichen Pflichtverteidigern, Staatsanwalt und Richter hinter geschlossenen Türen. Es wurde sich darüber geeinigt, dass die Beweisaufnahme dahingehend beschleunigt wird, dass die Angeklagten sich zur Sache einlassen und sich zu ihrer Handlung « ich war auf dem Bagger » bekunden. Fakten, die durch das Video bereits belegt waren. Im Gegenzug wurde die Verfolgung auf den Anklagepunkt Hausfriedensbruch beschränkt und die Nötigung fallen gelassen.
Nach fünf Stunden sind wir also zum Stand des erstinstanzlichen Urteils zurück gekommen. Das Amtsgericht verurteilte die zwei AktivistInnen zu 30 Tagessätzen wegen Hausfriedensbruch. Von einer Nötigung war vor dem Amtsgericht keine Rede. Den Vorwurf stellte der vorsitzender Richter am Landgericht erst vor der Berufungsverhandlung in den Raum, in der Hoffnung, die Angeklagten würden ihre Berufung zurück nehmen. Einschüchtern ließen sie sich aber nicht. Der Vorfall zeigt auch, dass es eine kluge Entscheidung der Angeklagten war, sich zum Tathergang zu Beginn nicht einzulassen und diese Möglichkeit als Druckmittel zu behalten. Ohne Einlassung muss das Gericht zahlreiche Zeugen zur Aufklärung des Sachverhalts laden. Den Aufwand wollten die Staatsanwaltschaft und das Gericht aber ungern betreiben. Daraus kam eine Art Vereinbarung à la » wir ersparen euch diesen Aufwand indem wir uns nun doch einlassen, im Gegenzug verzichtet ihr auf einen Anklagepunkt »
Gerichtsverhandlungen sind an und für sich ein Theaterstück. Heute wurde die Szene « Kuhhandel » präsentiert.
Nach dem Kuhhandel ging es zurück zur Sache. Der Geschäftsführer der Firma Wolff und Müller Claus kostolnik wurde zu den von ihm gestellten Strafantrag befragt. Die Firma wirbt in ihrem Internetauftritt für Nachhaltigkeit und Umwelt. In der Wirklichkeit macht sie bei dessen Zerstörung mit und zeigt Umweltschützer, die ihre Profite einschränken könnten, an.
Zu einer endgültigen Klärung darüber, ob die Firma Hausrecht hatte, kam es nicht. Dafür müssen weitere Zeugen sowohl der Wollf und Müller als auch von der Deutsche Bahn geladen werden. Wer die S21-Verantwortlichen der Deutschen Bahn aus Frankfurt im Zeugenstand erleben will, ist herzlichst eingeladen, die Verhandlung an den Folgeterminen zu besuchen. Für den morgigen Verhandlungstag ist ein Polizeizeuge geladen. Die Angeklagten wollen dann in Beweisanträgen das Projekt Stuttgart 21 auf der Anklagebank stellen. Los gehts um 14 Uhr.
Eichhörnchen und Arne