Im Anschluss an einer Kletteraktion gegen den Castortransport nach Gorleben in Fulda durch die Gruppe Fuldatalsperre wurde Kletteraktivistin Cécile Lecomte vor einem Jahr, am 26. November 2011, verhaftet und für drei Tage zum Frauengefängnis nach Frankfurt gebracht.
In ihrem Tagebuch « mein K(n)astortransport in der JVA Preungesheim“ hat Cécile ihre Erfahrungen in der Justizvollzugsanstalt Preungesheim geschildert. Weil die Justizvollzugsanstalt es mit der Einhaltung von Grundrechten nicht so genau nahm, reichte sie nachträglich eine Klage vor der Strafvollzugskammer ein. Bereits bei der Anhörung am 16. August zeigte der zuständige Richter Lehmann-Fritsche keine Motivation, den Fall aufzuklären.
Der Beschluss vom Landgericht fiel im Oktober 2012 und kann wie folgt zusammen gefasst werden: „ Die Klägerin hat kein Feststellungsinteresse, ihre Inhaftierung dauerte nur drei Tage an, ob ihre Grundrechte eingehalten wurden, ist nicht wichtig“. Dagegen wurde nun Rechtsbeschwerde eingelegt.
Für den Vollzug von Ordnungshaft gibt es gesetzliche Vorgaben, die sich vom Vollzug von Strafhaft unterscheiden. Daran wurde sich in Preungesheim nicht gehalten, mit der Begründung, die JVA Preungesheim unterliege der höchsten Sicherheitsstufe; zahlreiche gesetzlich vorgeschriebenen Rechte können zudem aus organisatorischen Gründen am Wochenende nicht eingehalten werden.
Die Folge war Einzelhaft, Hofgangsperre und absolute Kontaktsperre – selbst mit ihrem Anwalt – über das Wochenende. Bücher wurden als gefährliche Gegenstände eingestuft. Dass die schwerbehinderte Aktivistin an einer chronischen Krankheit leidet und auf Medikamente angewiesen ist, beeindruckte die Anstaltsleitung auch nicht. Aus Sicherheitsgründen könne man der Aktivistin ihre selbst mitgebrachten Rheumatabletten nicht aushändigen, aus organisatorischen gründen seien sie auch nicht zu bestellen, das gehe nur Werkstags. Wer am Wochenende verhaftet wird, hat Pech. Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gilt da nicht.
Dieser Praxis gibt nun der Beschluss vom Landgericht freie Bahn. Dass Grundrechte nicht eingehalten wurden, sieht das Landgericht als „geringfügig“ an.
Aus den Urteilsgründen: „[…] Im Übrigen setzt der Antrag der Antragsgegnerin, da die Maßnahmen bereits vollzogen und die Antragstellerin die Justizvollzugsanstalt bereits wieder verlassen hat, ein Feststellungsinteresse voraus. Dieses ist weitgehend nicht gegeben, so dass der Antrag der Antragstellerin größtenteils bereits aus diesem Grund zurückzuweisen war.
[…] Ob der Antragstellerin, wie sie behauptet sonntags der Hofgang verweigert wurde, kann ebenfalls dahinstehen. Selbst wenn dies zutreffen wäre, stellt dies, angesichts der Ordnungshaftdauer von 3 Tagen keinen schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar. Dass die Antragstellerin nicht die von ihr mitgeführten Rheumatabletten erhielt stellt ebenfalls keinen solchen tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar. Dass die medizinische Versorgung der Antragstellerin nicht gewährleistet war und sie in Lebensgefahr geraten ist, trägt sie nicht vor. „
“Eine Bagatellisierung der von derA ntragstellerin gerügten Menschenrechts-,Grundrechts- und Rechtsverletzungen [finde] statt“, rügt der Verteidiger der Aktivistin in seinem zehn-seitigen Rechtsbeschwerdeschreiben.
„Werden während einer drei Tage andauernden Freiheitsentziehung gleich mehrfach einfache Gesetze sowie mehrere, Grund- und Menschenrechte verletzt, kann nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass ein Feststellungsinteresse nach § 115 m StVollzG besteht. Ein solches wird im Falle von Freiheitsentziehungen schon anerkannt, wenn solche nur wenige Stunden andauern.“ Fügt er hinzu.
Die Verteidiger stellt die Verletzung des Gebotes effektiven Rechtsschutzes im Vordergrund, weil eine Rechtsbeschwerde nur dann angenommen wird, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.
Die Beschwerde „ wird darauf gestützt ,dass Rechtshormen nicht und nicht richtig angewendet worden sind. Gerügt wir eine Verletzung der §§ 115 II, l7l ff,185 StVollzG, § 147 I StPO, Art. 1I, 2I, II, 19 IV sowie der Rechtsschutzgarantien der EMRK und der EU-Charta.“
Cécile drückt es im Beschwerdeschrift mit eigenen Worten aus: „[…]Ich wusste vor meiner Festnahme selbstverständlich über den Haftbefehl wegen der Ordnungshaftanordnung Bescheid und hatte mich selbstverständlich über den Vollzug von Ordnungshaft erkundet. Ich hatte mich fürs Absitzen entschieden, weil ich zum einem kein Geld hatte und zum anderen es nicht mit meinem Gewissen nicht vereinbaren konnte, wortlos zu zahlen. Ich begreife dies als bewusster politischer Akt, genauso wie die Handlung, die zur Verhängung des Ordnungshaftes führte. In meiner Erwägung zwischen Absitzen oder Geldsammlen um bezahlen zu können habe ich selbstverständlich meine Recherchen zu den gesetzlichen Grundlagen für den Vollzug von Ordnungshaft einfließen lassen. Ich habe das Bedürfnis zu wissen, was mich erwartet, wenn ich eine Entscheidung treffe. Rechtssicherheit soll den unterschied zwischen Rechts- und Willkürstaat ausmachen.
Schockiert hat mich dann, dass sich in der JVA Preungesheim an die gesetzlichen Bestimmungen nicht gehalten wurde, weil es ja Wochenende sei, weil es auch Strafgefangenen gebe und man könne aus organisatorischen Gründen nicht unterscheiden. Schockiert hat mich folglich auch der Beschluss vom Landgericht, dass mit seinem Beschluss der JVA einen Freischein für nicht gesetzlich vorgesehenen willkürlichen Einschränkung von Grundrechten, indem es schreibt, es sei egal ob das Gesetz von der JVA beachtet worden sei, weil ich ja nur drei Tage in der JVA gewesen sei und somit kein Feststellungsinteresse habe. Warum gibt zum Vollzug von Ordnungshaft spezielle gesetzliche Bestimmungen, wenn dann die JVA und das Gericht der Auffassung sind, diese seien eh egal? Ordnungshaft ist per se immer von kurzer Dauer! Durch ihr Verhalten setzten die JVA und das Gericht quasi dieses Gesetz außer Kraft. Die Logik der JVA und des Gerichtes fasse ich wie folgt zusammen: Grundrechte werden zwar in Gesetze und Verfassungen groß geschrieben, aber daran muss man sich ja nicht unbedingt halten, das ist auf jeden Fall egal wenn es nur um wenige Tage geht.[..]“
Der Beschluss vom Landgericht ist in sich eine Aussage: Grundrechte werden in diesem Staat groß geschrieben, daran muss sich dieser aber lediglich nicht halten. Scheindemokratie. Dass Menschen über andere Menschen entscheiden, dass Menschen andere Menschen einsperren. Das finde ich in sich schon ganz schön gruselig.
Knast löst keine Probleme, sondern verstärkt diese. Aus den Augen aus dem Sinn, das ist wie beim Atommüll eine – schneinbar – einfache Lösung die keine ist!
Knäste zu Baulücken!
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Volksbank Mittelhessen
Verwendungszweck: Fuldatalsperre