Eine « Überaschungsgerichtsverhandlung » heute… Wenn das Gericht mir Prozesskostenhilfe ablehnt und es nicht ein mal für nötig hält, mich über die Verhandlung meiner Klage zu informieren und dies über den Anruf eines Journalisten geschieht…
« absolut nervig und das ist absolut krank was sie macht » « Und das ist ein Störfaktor. Das müssen wir irgendwann unterbinden … » bezeichnete in einem Interview für den NDR der Lüneburger Polizeipräsident und Castoreinsatzleiter Friedrich Niehörster das Engagement der Kletteraktivistin Cécile Lecomte, auch »Eichhörnchen« genannt, die sich seit Jahren kletternd gegen Atom-Transporte – zuletzt am vergangenen Montag in Münster mit der 8-stündigen Blockade eines Uranmülltransportes nach Frankreich – engagiert.
Die Äußerung des Polizeipräsidenten – der die Aktivistin persönlich überhaupt nicht kennt und nie getroffen hat – sorgte für Empörung bei zahlreichen Menschen. Cécile Lecomte klagte daraufhin auf Unterlassung und Rückruf der verletzenden und unrichtigen Äußerung vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg. Ihre Klage wurde heute vom Gericht zurückgewiesen. Herr Niehörster habe sich zwar ungeschickt ausgedrückt, die Aktivistin müsse aber als bekannte Person des Zeitgeschehens mehr an Kritik hinnehmen als andere Menschen, so das Gericht.
Eine Meinungsäußerung, sei die Aussage von Friedrich Niehörster gewesen, keine Schmähkritik. Seine Äußerung können man ja verstehen, denn die Kletteraktionen der Klägerin könnten für sie und die Beamten gefährlich sein. Außerdem ginge es dem Polizeipräsidenten um die Sorge um die Gesundheit der Klägerin.
Das Urteil kommentiert Cécile Lecomte etwas amüsiert: « Im Umkehrschluss darf ich einen Polizist öffentlich als krank und verrückt bezeichnen, weil er den gefährlichen Castortransport gegen den Willen der Bevölkerung durchsetzt. Das ist einfach gefährlich und krank, was da gemacht wird. »
Als Absurd, bezeichnete sie das Urteil weiter. « Klettern ist angeblich gefährlich und dem Polizeipräsidenten ginge es ja auch um meine Gesundheit. Diese Schutzbehauptung wird ohne Beweisaufnahme als wahr unterstellt, um meine Klage ganz schnell abzuweisen. »
« Hunderte verletzten DemonstantInnen bei Castortransporten beweisen, das es der Polizei keineswegs um Gesundheit von DemonstrantInnen geht. » bekräftigt der erfahrene Castoraktivist Karsten Hilsen, der der Verhandlung beiwohnte.
« Die Klage habe ich aus Prinzip eingereicht. Weil viele Menschen, die die Aussage von Herrn Niehörster schockiert hatte, mich fragten, ob ich dagegen etwas unternommen habe, das sei ja unmöglich, was der Polizeipräsident in dieser Funktion gesagt habe. Mit einem Erfolg habe ich aber nicht gerechnet. Gerichte sehe ich als Instrumente der Erhaltung von Machtverhältnissen an. Es geht nicht um Gerechtigkeit. Das wollte ich mit dieser Klage zeigen. » erläuterte Cécile ihre Motivation.
Im Ablauf des ganzen Verfahrens sieht sie sich in ihrer Analyse bestätigt: « nachdem das Gericht mir die Beiordnung von einem Rechtsanwalt verweigerte und somit die Möglichkeiten der Verteidigung meiner Interessen von meinem Geldbeutel abhängig machte, wurde ein mündlicher Verhandlungstermin anberaumt. Das Gericht hatte es nicht für nötig gehalten, mich als Klägerin persönlich über den Termin zu informieren. Davon habe ich erst heute durch die Anfrage eines Journalisten erfahren! Das Gericht hat die Presse informiert, mich als Klägerin aber nicht! Das nenne ich nicht ein faires Verfahren.Ich prüfe das Einlegen von Rechtsmittel nach Erhalt des schriftlichen Urteils. »
Hintergrund
Die Auseinandersetzung zwischen der Kletteraktivistin und der Polizei hat eine längere Geschichte. Obwohl es kein Gesetz gibt, was das Klettern grundsätzlich verbietet und wonach Menschen sich nur horizontal zu bewegen hätten, erfährt die Aktivistin seitens der Polizei immer wieder eine gewisse Sonderbehandlung, als ob sie eine schwere Verbrecherin wäre, als ob Klettern den Staat dermassen gefährden würde, dass man sie einsperren müsse.
So wurde sie im Vorfeld Castortransportes im Jahre 2008 in Vorbeugehaft für vier Tage genommen. Eine rein präventive Festnahme, mit der Unterstellung, die Aktivistin würde am Tag X eine Ordnungswidrigkeit begehen. Diese Maßnahme ist inzwischen Gegenstand einer im Dezember 2009 eingereichten Verfassungsbeschwerde. Zwei Jahre zuvor wurde sie vor dem Castortransport 2006 sogar längerfristig unter Einsatz von besonderen technischen Mitteln durch diverse MEK überwacht. Die Polizei erkannte nachträglich die Rechtswidrigkeit der Maßnahme an, um eine Klage abzuwenden. Das sind nur zwei Beispiele – von vielen.
Eichhörnchen, den 9.5.2012
Presse:
Wendland-net – RedGlob-Artikel – dpa – Abendblatt (der Journalist kennt die Hintergründe nicht und hat nicht viel verstanden…)