Warum ich hier gerne wohne und #unfugbleibt ein MUSS ist!
Ich möchte heute darlegen, weshalb mir das Wohnprojekt ans Herz gewachsen ist und ich gerne hier lebe. Weshalb #unfugbleibt!
Ein politisches Hausprojekt jenseits der kapitalistischen Immobilienspekulation im einem benachteiligten Stadtteil
Wir haben vor 2 Jahren ein Grundstück mit Einfamilienhaus und Nebengebäude am Waldfriedhof im Stadtteil Kaltenmoor gekauft. Unser Wohnprojekt ist nach dem Modell des Mietshäusersyndikats aufgebaut. Es gibt einen Hausverein, dieser ist Gesellschafter der Unfug-Verwaltung GmbH, die das Haus gekauft hat. Im GmbH-Vertrag ist festgelegt, dass die Immobilie zu Spekulation/Gewinnerzeugung nicht wieder verkauft werden darf. Ziel ist die Schaffung von dauerhaft bezahlbarem Wohnraum möglichst weg von der kapitalistischen Logik, die auf dem Immobilienmarkt herrscht und für so viele Probleme in der Wohnungspolitik sorgt. Für teure Mieten, für Wohnungsknappheit und Immobilien-Haie wie Deutsche Wohnen (Berlin) oder wie hier in Lüneburg Vonovia, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Den Hauskauf haben wir mit der solidarischen Unterstützung von Menschen, die uns Direktkredite gegeben haben und Darlehen bei der Bewegungsstiftung und der GLS Bank finanziert. Mit unseren Mieten zahlen wir die laufenden Kosten und die Darlehen ab.
Wir sind ein politisches Projekt, das ist auch in unserer Satzung verankert. Einige von uns sahen diese Betonung als notwendig an, um Fehler anderer Wohnprojekte nicht zu wiederholen. Über meine Erfahrung mit dem Wagenplatz Fango, wo sich vor meinem Auszug Esoterik und Neu-Rechtes Gedankengut breit gemacht hatten, habe ich bereits berichtet. Ich bin allerdings dort schon Ende 2017 ausgezogen und kenne daher die aktuellen Entwicklungen nicht.
Wir sind bei Unfug alle in einer Art und Weise politisch aktiv. Einige beschäftigen sich mit Politikwissenschaften oder sind gern bei Demos und verschiedenen Initiativen unterwegs, eine Person macht Parteipolitik, andere lehnen dieses aus Überzeugung ab. Wir sind keine homogene Gruppe und das ist gut so. Vielfalt ist wichtig. Ich habe viel Spaß an den Gesprächen und gemeinsamen Unternehmungen mit meinen Mitbewohner*innen. Natürlich ist es keine perfekte Idyle und es gibt wie in jeder Wohngemeinschaft auch Konflikte (ach, das ewige Thema Putzen zum Beispiel!)
Wir haben ein schönes Grundstück am Waldrand. Gegenüber sind die Hochhäuser von Kaltenmoor zu sehen. In wenigen hundert Meter Entfernung gibt s eine weitere Wohnsiedlung Namens Bülows Kamp mit Einkaufmöglichkeiten, Richtung Stadt ebenfalls am Waldfriedhof befindet sich ein Altenheim. Ich mag diese Mischung sehr. Im Bus, den ich häufig zum 3,5 Kilometer entfernten Bahnhof oder in die Innenstadt nehme – sofern ich nicht wegen mangelndem Platz für meinen Rollstuhl durch KVG Stade stehen gelassen werde – treffe ich auf sehr unterschiedliche Menschen. Unsere Wohngemeinschaft beteiligt sich an Stadtteil-Events. Unser Siebdruckstand war im Sommer beim Stadtteilfest gut besucht, die Menschen sind kostenlosen Angebote nicht gewohnt, die Kids vom Viertel, der als sozialer Brennpunkt gilt, fanden dies natürlich toll. Beim unserem Sommerfest fanden sich zahlreiche Menschen ein, die einfach das Wohnprojekt kennen lernen wollten, weil sie davon in der Zeitung gelesen hatten. Es waren eher Menschen aus anderen Vierteln anwesend. Diese haben sich insbesondere für die Bauwagen auf dem Grundstück interessiert und es gab viel Zuspruch für unser Konzept. Nächstes mal wollen wir aktiver auf die Menschen im Viertel zugehen und diese explizit einladen.
Zusammengefasst: Wir fühlen und wohl hier im Viertel – ok zu Silvester hasse ich die Knallerei aber das ist Geschmackssache und die gibt‘s fast überall.
Ärger mit der Stadtverwaltung
Die Stadtverwaltung sagt uns aber, wir gehören nicht dazu, weil das Grundstück sich im Außenbereich befindet und kein Bauland ist, sondern zur Grünfläche vom Friedhof gehört. Aus diesem Grund fordert sie uns in einem Brief von November 2019 dazu auf, die Bauwagen im Garten zu räumen. Diese sind aber fester Bestandteil unseres Wohnkonzeptes. Und wo der politische Wille da ist, gibt es Möglichkeiten das Wohnprojekt, so wie wir es uns vorstellen, zu erhalten. Auch im Rahmen der geltenden Gesetze. Denn ein gewisser Handlungsspielraum haben Politik und Verwaltung immer. Wir arbeiten daher an Lösungen – trotz der Tatsache, dass die Stadtverwaltung uns unter Druck setzt und mit einer Räumung droht. Schließlich sollte sich die Stadt darüber freuen, dass wir alles selbst organisiert haben. Als der Wagenplatz Fango 2010 gegründet wurde, gab es Gespräche mit der Stadtverwaltung und der OB persönlich fragte, warum für die Bauwagen kein privates Grundstück gesucht werde – ich war an den Gesprächen beteiligt und erinnere mich gut daran.
Zum rechtlichen Status
Das Haus wurde 1926 erbaut, das Nebengebäude gibt es auf Plänen vom Katasteramt seit den 70er Jahren. Das Haus gehörte früher zur Friedhofsverwaltung. Das Grundstück wurde aber getrennt und in den 80ern an Privat als Grundstück mit Einfamilienhaus durch die Stadt verkauft. Der Flächennutzungsplan wurde jedoch nie geändert. Das wussten wir beim Hauskauf nicht und das wird uns heute zum Verhängnis. Beziehungsweise nutzt die Stadtverwaltung dies als Argument, um uns Steine in den Weg zu legen.
Das Haus besitzt Bestandschutz und darf bewohnt werden. Beim Nebengebäude mit Fundament klärt sich die Situation allmählich. Es wurde uns vorgeworfen, uns über Gesetze stellen zu wollen, als wir mit der Renovierung anfingen. Die Dame, die uns das Haus verkaufte, versicherte uns schriftlich, dass alle Gebäude auf dem Grundstück eine Baugenehmigung besitzen. Die Stadt sagt aber, Nebengebäude und Carport haben keine. Ein Baustopp wurde deshalb vor einem Jahr verhängt. Wir haben inzwischen einen Bauantrag gestellt und gehen davon aus, dass wir bald zu Ende renovieren können. Seltsam ist aber schon, dass wir es als neue Eigentümer gleich mit der Stadtverwaltung zu tun bekommen, für ein Nebengebäude, das schon ca. 50 Jahre auf den Plänen eingezeichnet ist!
Hauptsache für uns: die Angelegenheit wird nun endgültig geklärt, wir können zu Ende renovieren und schaffen damit zusätzlichen Raum!
Mit den Bauwagen gibt es dagegen mehr Ärger. Und das ist für uns schwer nachvollziehbar. Die Stadt sollte sich doch darüber freuen, dass Wohnraum selbstverwaltet ohne öffentlichen Gelder geschaffen wird! Das ist doch im Sinne der Allgemeinheit!
#Unfugbleibt – Ein Gewinn für alle!
Wir haben auf ein Grundstück, wo früher 2 Menschen gewohnt haben, Wohnrum für derzeit 10 Menschen geschaffen. Wir haben ein Wohnhaus, ein Nebengebäude (dessen Renovierung noch nicht abgeschlossen ist) und 6 Bauwagen, die von Mitbewohner*innen als Zimmer genutzt werden, im Garten. Im Haus selbst haben wir 3 Zimmer neben Gemeinschaftsräumen und -Infrastruktur. Das ist eine selbstorganisierte große WG. Das Untergeschoss ist nach meinen Bedürfnissen barrierefrei ausgebaut: Duschhocker, Badewannenlift, Griffe im Bad, Rollstuhlrampe, etc. Unser Projekt macht ein Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen möglich, wir sind ein Mehrgenerationenprojekt.
Ich habe 10 Jahre in einem Bauwagen gelebt und freue mich sehr, die Bauwagen jeden Ta
g im Garten zu sehen. Ich finde die Kombination aus Bauwagen und Haus toll. Die Bauwagen sind Wohnraum ohne Flächenversieglung. Dadurch habe ich zahlreiche Mitbewohner*innen, sodass ich trotz Pflegebedürftigkeit durch meine chronische rheumatische Erkrankung keinen Pflegedienst in Anspruch nehmen muss. Einen solchen Pflegedienst könnte ich mir nicht leisten, ich wäre, würde ich alleine Leben, sicher auf Sozialhilfe angewiesen. Zumal bezahlbare barrierefreie Wohnungen in Lüneburg so gut wie nicht vorhanden sind. Ich habe vor Verwirklichung von Unfug danach gesucht, weil das Leben im Bauwagen wegen des Fortschreitens meiner Erkrankung nicht mehr möglich war. Ich habe nichts bezahlbares barrierefreies gefunden. Und in ein Heim – wie der OB es sich vorstellt – will ich nicht ziehen. In einem Gespräch mit dem OB im Juni zeigte sich dieser wenig entgegen kommend. In seiner Welt gibt es keine inklusive Wohnkonzepte mit unterschiedlichen Wohnformen. Sondern: Behinderte gehören ins Heim, ist das beste für sie (nett gemeint aber…). Menschen, die im Bauwagen leben wollen, dann dort wo es schon Bauwagen gibt, etc…
Ich will aber meine Wohnform selbstbestimmt und frei wählen! Das solidarische Miteinander ermöglicht, dass Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen zusammen und selbstbestimmt leben können und ist nebenbei auch für die Gesellschaft kostengünstiger! Und an einen Tag wie heute – es ist Weihnachten – freue ich mich über diese Gemeinschaft! Viele Menschen sind weg. Menschen, die keine Familie haben oder diese nicht besuchen können, sind oft alleine. Ich habe den gestrigen Abend mit 2 Mitbewohner*innen und unserer Katze Jeanny verbracht. Wir haben gemeinsam gekocht. Das finde ich schön. Ich stehe nicht auf Weihnachten und Konsumwahn. Alleine bin ich aber auch ungern!
Es ist schwer nachvollziehbar, weshalb die Stadt die Bauwagen räumen lassen will. Wir stören hier wirklich niemanden. Die Nachbarn sind zwar in Sichtweite, aber direkt neben uns, befinden sich nur ein kleiner Stück städtischer Wald und ein Parkplatz. Eine Gefahr für die Öffentlichkeit gibt es nicht. Die Öfen in den Bauwagen wurden vorschriftsgemäß durch den Schornsteinfeger abgenommen – selbst auf dem Wagenplatz Fango wo ich zuvor gelebt habe, war dies nicht der Fall, weil rechtlich nicht erforderlich.
Rechtlich gibt es außerdem Möglichkeiten, dem Wohnprojekt dauerhaft Sicherheit zu geben.
Wo politische Wille ist, gibt es eine Lösung
Es gibt die Möglichkeit der Duldung, wie es bei vielen Bauwagenplätzen der Fall ist, am Wienebütteler Weg beim Kulturforum in Lüneburg gibt es einen Wagenplatz im Wald, seit ca. 25 Jahren. Ordnungsrechtlich muss eine Stadt nur aktiv werden, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet ist. Das ist dort genauso wenig wie bei uns der Fall.
Es ist rechtlich eine Grauzone. Und je nachdem wie Bauwagen eingestuft werden, ist eine Baugenehmigung fällig oder auch nicht. Für fliegende Bauten ist keine notwendig. Auf dem Wagenplatz Fango sah der Schornsteinfeger die Bauwagen als fliegende Bauten an, deshalb war er nicht zuständig für die Öfen. Der Platz hat „nur“ (und das reicht aus!) eine Baugenehmigung als Gesamtanlage, nicht für jeden Wagen.
Natürlich haben wir Interesse an einer sichereren Lösung. Wir haben uns juristisch beraten lassen, das Miethäusersyndikat hat uns Dokumente mit weiteren Beispielen von Genehmigungen von Bauwagen im Außenbereich zukommen lassen. Wir eruieren mögliche Lösungen gerade nicht mit der Stadtverwaltung, die sich mit ihrem Schreiben an uns mit der Androhung einer kostenpflichtigen Räumungsverfügung festgelegt zu haben scheint und sich bislang nicht sehr gesprächsbereit zeigt – das darf sich gerne ändern, wir sind gesprächsbereit! Sondern mit den Stadtratsfraktionen. Wir haben sie im Sommer und Hebst zu uns eingeladen (nur die AFD nicht, verstößt ja gegen unsere Satzung). Und am 14.1.2020 haben wir sie für ein gemeinsames Treffen eingeladen. Einige Fraktionen haben öffentlich erklärt, dass sie unser Vorhaben unterstützen.
Wir möchten einen Antrag auf einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan stellen, um so Baugenehmigungen für die Bauwagen (möglicherweise als Gesamtanlage) nachträglich zu beantragen. Dafür muss aber der Flächennutzungsplan geändert werden und das geht nur wenn die Politik grünes Licht gibt.
Die Stadtverwaltung hat uns eine Fristverlängerung bis zum 31.1.2020 gegeben, um Stellung zu nehmen. Wir werden dies tun. Denn auch wenn sie sich festgelegt zu haben scheint: eine Verwaltungsmitarbeiterin sagte am Telefon, wir brauchen keinen Anwalt, die Sache sei doch klar, die Bauwagen müssen weg. Die Argumente der Stadtverwaltung lassen wir nicht gelten und denken, dass es vor allem eine politische Angelegenheit ist.
Die Stadt „befürchtet“ eine Splittersiedlung und es sei extrem kompliziert den Bebauungsplan / Flächennutzungsplan zu ändern. Rechts und Links von uns gibt es aber Siedlungen, wir sind nicht außerhalb von der Stadt. Für das Seniorenheim in wenigen hundert Metern Entfernung wurde vor 10 Jahren der Flächennutzungsplan geändert. Das Grundstück war damals auch als Grünfläche vom Friedhof ausgewiesen! Wir haben eine öffentliche Sitzung des Bauausschuss besucht. Dort ging es auch um diverse vorhabenbezogenen Bebauungspläne!
Die Stadt argumentiert weiter mit dem Wald, wenn die Bauwagen bleiben, müssen die Bäume rundum gefällt werden. Dies habe ich in keinem Gesetz explizit gelesen und wenn man sich Bebauungen in Lüneburg anschaut… liegen sie oft direkt am Waldrand! Viel mehr geht es um Abstände von Bebauungen mit Grundstückgrenzen und zwischen Bebauungen, also um den Abstand zum Gebäude vom Nachbar. Die Grabsteine sind keine Gebäude, so weit ich weiß. Ich glaube nicht, dass die Bauwagen die Toten stören, zumal die Grabsteine weiter entfernt sind. Es geht um 5 Meter die auf 3 Meter reduziert werden dürfen, wenn der Nachbar zustimmt. Und eine Sicherungspflicht bezüglich Bäume die abstürzten könnten hat die Stadt uns gegenüber so oder so. Relevant ist die Frage, ob es sich um einen bewohnten Grundstück handelt, nicht die Frage wo die Gebäude dort stehen.
Es kommt mir aber komisch vor, so ins juristische Detail zu gehen. Ob #unfugbleibt ist eine politische Entscheidung. Darum setzen wir weiter auf Gespräche, auf Öffentlichkeitsarbeit und freuen uns über die gesellschaftliche Unterstützung, die wir erhalten haben. Der Dachverband Lüneburger Wohnprojekte Mehr Leben e.V. unterstützt uns, der AstA der Uni hat einen Brief an den OB geschrieben, der DGB Nord Ost Niedersachsen unterstützt uns auch. Und es kann sein, dass wir bald mehr tatkräftige Unterstützung benötigen. Wir haben einen Soliverteiler, du kannst dich eintragen lassen, Infos gibt es bei kontakt[at]unfug-lg.de
Wir haben eine Homepage, sowie Twitter und Facebook (ich mag es nicht aber für Vernetzung hilfreich).
Die politische Lage ist nicht einfach einzuschätzen. Ich habe das Gefühl, dass das Klima sich für alternative Projekte und alles was „links“ ist in Lüneburg (und sicherlich anderswo auch) verschlechtert hat. Von anderen Projekten hört man, dass sie ebenfalls Ärger mit der Verwaltung haben. Und im Stadtrat wird sich darüber gestritten, ob die AFD „rechtsextrem“ genannt werden darf. Was bei dem was sie so sagt und tut eine Selbstverständlichkeit sein müsste. Der OB reagierte wütend auf einen offenen Brief des Bündnisses gegen Rechts. Obwohl selbst einige seiner Parteikolleg*innen von der SPD dort engagiert sind… Und man kann nicht sagen, dass bürgerliche Unterzeichner wie die Diakonie sehr weit links stehen.