Ein Urteil im Namen des « Volkes » oder genauer gesagt der EnBW. Ist nicht neu dass Atomkraft und Grundrechte inkompatibel sind.
Ich bin heute zwei male aus dem eigenen Prozess raus getragen worden.Die gesamte Zeugenvernehmungen erfolgten in meiner Abwesenheit. Weil ich versucht habe… Anträge zu stellen! Ich bin das erste mal ausgeschlossen worden, als ich versuchte einen Antrag einzubringen. Richter Michael Reißer wollte meine schriftliche Einlassung nicht zu Protokoll nehmen und ich habe versucht dies zu beanstanden und einen Gerichtsbeschluss zu erwirken. Vergeblich. Ich veröffentliche hier die Schriftstücke, die ich nicht einreichen durfte. Sowie die Pressemitteilung vom Bündnis Neckar Castorfrei. Einen Antrag auf Genehmigung eines Verteidigers durfte ich auch nicht stellen, einen Befangenheitsantrag auch nicht. Der Richter hat selbst (nicht) protokolliert. Damit ins Protokoll nur das rein kommt, was er will und Anträge erst gar nicht gestellt werden können. Mein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit konnte ich heute nicht verteidigen. Der Atom- und Rechtsstaat hat ein sehr hässliches Gesicht gezeigt. Das nenne ich Willkür! Ich habe bereits Rechtsmittel eingelegt. « Niemals aufgeben Stopp Castor » stand heute auf mein T-Shirt. Wohl wahr!
Die Urteilsverkündung habe ich mit Antiatom-Liedern überstimmt: « Affreux nucléaire, dangereux nucléraire, veux tu me laisser tranquille, et les déchets, qu’est qu’on en fait… » (air de Jolie Bouteille)
Ein ausführlicherer Bericht folgt. jetzt erstmals die PM.
- Befangenheitsantrag wegen Ablehnung einer Pause zur Formulierung eines Befangenheitsantrags, der nicht gestellt werden durfte (lag schriftlich vor, weil es nicht selten vorkommt, dass Richtis die Pause verweigern, aber ich hatte es noch nie erlebt, dass ich den Antrag gar nicht stellen darf -> Willkür!)
- Pressemitteilung vom Bündnis (unten)
- Hintergrund der Aktionen: Kletteraktion – Schwimmaktion
Castor-Protest wird kriminalisiert
Heilbronn. Am heutigen Mittwoch, den 11.04.2018 wurde in einem kafkaesken Prozess ein Urteil gesprochen, dessen Willkür kaum zu überbieten ist. In einem Verfahren gegen eine Umweltaktivistin, die an Protestaktionen gegen die Castor-Transporte von Obrigheim nach Neckarwestheim teilnahm, wurden die grundrechtlich geschützten Rechte von Beschuldigten vor Gericht von Richter Michael Reißer eklatant missachtet. Es war der Aktivistin nicht möglich, sich zu verteidigen. Nachdem sie und die Zuschauer*innen mehrmals aus dem Gerichtssaal entfernt wurden, führte der Richter den Prozess ohne die Beschuldigte fort und verurteilte sie schließlich am Ende zu Geldbußen.
Bereits am Morgen fand eine Mahnwache von Atomkraftgegner*innen vor dem Amtsgericht Heilbronn statt. Während unten am Boden Sprüche gegen Atomkraft gezeigt wurden, spannten Kletter*innen zwischen zwei Bäumen ein Banner gegen Atomtransporte. Die Situation vor dem Gericht war entspannt.
Im Gerichtssaal verhielt sich die Situation jedoch völlig anders. Wie im Folgenden dargestellt, wurden die gesetzlichen Bestimmungen zur Führung eines Gerichtsprozesses (Strafprozessordnung, kurz StPO), in der u.a. die Rechte von Beschuldigten festgehalten sind, schlichtweg ignoriert.
Die Atomkraftgegnerin musste sich vor Gericht völlig alleine verteidigen. Auf ihren mündlichen Antrag auf Zulassung eines Verteidigers entgegnete der Richter: „Sie bekommen in dieser Verhandlung keinen Verteidiger“. Ihren schriftlichen begründeten Antrag nahm der Richter erst recht nicht entgegen. Dies steht in Gegensatz zu § 137 StPO (Strafprozessordnung):
„Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen.“
Außerdem wurden vom Richter Zeugen geladen, ohne dies der Beschuldigten vorher bekannt zu geben. Dadurch war eine Vorbereitung auf die Vernehmung der Zeugen nicht möglich. Die Beschuldigte hat erst während des Prozesses erfahren, dass Zeugen geladen sind und welche dies sind. Dies steht im Gegensatz zu § 222 StPO:
„Das Gericht hat die geladenen Zeugen und Sachverständigen der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten rechtzeitig namhaft zu machen und ihren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben.“
Unter anderem aufgrund dieser Fehler hat die Beschuldigte versucht, die Leitung der Verhandlung durch den Vorsitzenden (Richter) zu beanstanden. Dies steht ihr nach § 238 StPO zu:
„Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.“
Ihre Beanstandung durfte sie aber nicht einbringen. Der Richter ging sogar soweit, die schriftlich formulierten Anträge nicht zu lesen, sondern ungesehen auf den Tisch der Beschuldigten zurückzulegen. Als diese versuchte, den Antrag mündlich zu verlesen, um damit ihre Rechte vor Gericht durchzusetzen, wurde sie des Saals verwiesen und schließlich von der Polizei mit Zwang aus dem Gerichtsgebäude gebracht. Aufgrund von Unmutsbekundungen seitens der Zuschauer*innen über diese Rechtsbrüche durch das Gericht, wurden auch diese durch eine Spezialeinheit der Polizei aus dem Gerichtsgebäude gedrängt. Die Verhandlung ging ohne Beschuldigte und ohne Wahrung der Öffentlichkeit weiter. Die Zeugen wurden in Abwesenheit der Beschuldigten vernommen. Die Aktivistin durfte danach in den Gerichtssaal wieder hinein. Sie durfte aber weiterhin keine Anträge stellen. Sie durfte nicht ein mal einen Befangenheitsantrag einreichen. Die Aktivistin quittierte schließlich die Urteilsverkündung mit Antiatomliedern und wurde erneut aus dem Saal entfernt.
Diese rechtswidrige Art der Prozessführung seitens Richter Reißer schockierte sowohl die beschuldigte Aktivistin als auch anwesenden Zuschauer*innen: „Es kann nicht sein, dass in einem Rechtsstaat in Gerichtsprozessen die Grundrechte nicht gewahrt werden. Wir werden und können uns das nicht gefallen lassen. Der Widerstand wird weiter gehen, ob auf der Straße, dem Wasser oder im Gerichtsgebäude“, sagte Julian Smaluhn, der der Verhandlung beiwohnte.
Die Aktivistin hat umgehend Rechtsmittel gegen das ergangenen Urteil (200 Euro Bußgeld) eingelegt.
Bilder: T. Christensen
weitere Infos:
www.neckar-castorfrei.de
Dienstaufsichtsbeschwerde
Einige Menschen wollen Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Richter Reißer und den Amtsgerichtsdirektor, der die Handlung des Kollegens mit der Erteilung von Hausverboten an Zuschauer*innen unterstützten, verschicken. Beschwerden kann man per Fax, Mail, Post schicken. Das kann man formlos machen. Wenn man seine Erreichbarkeit angibt (Mail, Adresse), erhält man eine Antwort (die wahrscheinlich so lauten wird à la « Unabhängigkeit der Justiz bla bla »). Aber das ist trotzdem ein wichtiges politisches Zeichen. Sie müssen auf jeden Fall antworten.
Die Adressen hierfür lauten:
Ministerium der Justiz und für Europa
Baden-Württemberg
Postfach 10 34 61
70029 Stuttgart
FAX: 0711-279-2377
poststelle@jum.bwl.de
Kopie kann an die Landtagsabgeordnete Aras geschcikt werden (oder einfach an den Landtag)
muhterem.aras@gruene.landtag-bw.de
Richter Reißer ist außerdem Pressesprecher für das Landgericht Heilbronn, seine Erreichbarkeit gibt er selbst an:
http://www.landgericht-heilbronn.de/pb/,Lde/Startseite/Aktuelles/Pressestelle
Richter am LG Reißer
Tel.: 07131/64-35413
e-mail: michael.reisser@lgheilbronn.justiz.bwl.de