Ich fange meine Serie „Erlebnisse und Einblicke im Widerstand gegen HSL in Frankreich“ mit Hintergrundinformationen zum Widerstand gegen die Atomanlagen in der Normandie.
Teil1: der Standort Flamanville und der EPR Reaktor
Anhand eigener Recherchen und des Beitrages vom CRILAN (Regionales Komitee zur Information über und für den Kampf gegen die Atomkraft), der für das Widerstandswochenende gegen HSL Neubau geschrieben wurde, stelle ich die wichtigsten Hintergründe und Ereignisse zur heutigen Atompolitik in der Niedernormandie stichpunktartig dar.
Die Anfänge des Atomprogramms
Gehen wir chronologisch vor…
1945: Der CEA (eine Atomenergiebehörde) wird gegründet. De Gaulle und die kommunistische Partei tragen im Wesentliche dazu bei.
1959: in La Hague fangen die Bauarbeiten an: Das Ziel der „Wideraufbereitungsanlage“ ist die Plutoniumgewinnung für die Atombombe vom Typ A.
Der militärische Hafen in Cherbourg, wird dem Bau vom Atomaren U-boten gewidmet.
1967: Das Werk in La Hague geht in Betrieb. Ein Endlager für schwach und mittel-radioaktivem Müll wird ebenfalls in La Hague eingerichtet (der Müll wird oberirdisch gestappelt und mit etwas Bitum und Gras abgedeckt… heute ein sehr verseuchtes Gebiet).
1974: Planungen für 4 Atomreaktoren in Flamanville. Der Bau startet 1977. 2 Reaktoren werden gebaut und ab 1986 in Betrieb genommen.
1976: eine zweite Produktioneinheit geht in La Hague in Betrieb. Ihre Zweckbestimmung sind internationale Verträge. Die COGEMA (heute AREVA NC) ist die zivile Fassade des CEA und betreibt die Anlage.
1989-1991: Zwei neue Produktionseinheiten gehen in La Hague in Betrieb und sind zur Abwicklung von Verträgen mit Deutschland, Japan, italien, Holland, Belgien, etc. bestimmt.
2007: die Genehmigung für ein drittes Atomreaktor in Flamanwille wird erteilt. Der EPR-Reaktor befindet sich heute noch in Bau. Die Bauarbeiten haben 4 Jahre Verzögerung.
2011: Beginn der Bau einer neuen Hochspannungsleitung (HSL) à zwei mal 400 000 Volt quer über die Normandie
Die Anfänge der Antiatombewegung...
in La Hague wurden mit der zunächst militärischen Anlage Tatsachen geschaffen, bevor es überhaupt eine Ökobewegung gab. Der Widerstand es hat entsprechend schwer gehabt…
1972: Erste Demonstrationen in der Region, mit vielen BäuerInnen und LehrerInnen (die WissenschaftlerInnen spielten damals durch die Aufklärung über die Gefahren der Radioaktivität eine große Rolle). Im Rahmen der Proteste wird ein Transport mit radioaktivem Müll auf dem Weg zur Ammüll-Deponie gestoppt.
1975: Erste große Demos (5.000 – 7.000 Menschen) gegen das Atomkraftwerk in Flamanville. Das regionale Komitee für Information und Atomwiderstand (CRILAN), das bis heute besteht und etwa 30 Gruppen in sich vereint, wurde gegründet.
1976: Die Gewerkschaft CFDT schließt sich den Protesten gegen die Übertragung der Wiederaufbereitungsanlage an einen privaten Betreiber , was mit einer Erweiterung der Anlage verbunden gewesen wäre, an. Eine Demonstration bringt 10.000 Menschen vor die Anlage und die ArbeiterInnen organisieren einen dreimonatigen Streik.
1979-1980: Mehrere Demonstrationen bei der Einfahrt japanischer Schiffe, die in den Hafen Cherbourg fahren, um radioaktiven Müll zur Wiederaufbereitung zu entladen.
1980: 20.000 Menschen versammeln sich bei einer Demonstration.
1981: Ein Zug aus Deutschland, der Atommüll enthält, wird in der Umgebung von Caen (Basse-Normandie) blockiert. Der Zug muss zurückfahren!
1981 – 1983: Es kommt immer wieder zu Kranbesetzungen gegen die Ankunft von abgebrannten Brennelementen aus Schweden und Japan.
Der Widerstand wird ab diesen Zeitpunkt aufgrund des enormen ökonomischen Einflusses der Atomindustrie in der Region immer schwieriger. Es geht nicht nur um Jobs, sondern auch um Steuereinnahmen von etwa € 170 Millionen jährlich für die Kommunen. Dazu komme ich in einem späteren beitrag zurück. Beim Bau der Hochspannungsleitung geht der Staast ähnlich vor.
2006: 30 000 demonstrieren gegen AKW-Neubau (EPR) in Cherbourg.
2007: erste Strommastbesetzung an einer bestehenden Hochspannungsleitung als der Bau vom neuen Reaktor genehmigt wird. Zahlreiche folgten dann bis zum Beginn der Bauarbeiten
Ab ende 2011: Verstärkter Widerstand gegen die Hochspanniungsleitung. Gründung der „Assemblée du Chefresne“, Ständige Demos, Aktionen (u.a. des zivilen ungehorsams)
Bis Mai 2012 über 60 Sabotageakten gegen die HSL. (Link zum Artikel auf Französisch)
Didier Anger vom CRILAN schreibt zum Schluss „Wir stehen seit langer zeit an der Front und freuen und darüber, dass heute sich neue Antiatomkräfte gegen die Atomnkrake formieren. Wir hoffen auf eine breitere Bewegung und Respekt der Unterschiede.Der Kampf gegen den EPR-Reaktor und die HSL bleibt für uns vorrangig.“
Über La Hague habe ich im Rahmen der Kampagne Europas Atomerbe eine Infoblatt gemacht. Link zum PDF
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