Atomkonzerne und ihre Tarnorganisationen, wie zum Beispiel die „Nuclearia“, „Nuclear Pride Coaltion“ oder auch die europaweite Partei VOX, nutzen die Diskussion um die Klima krise, um Atomkraft als angebliche CO2-freie Lösung salonfähig zu machen. Sie setzen darauf, dass der Widerstand nachlässt, weil die Atomunfälle in Tschernobyl 1986 und Fukushima 2011 langsam in Vergessenheit geraten und weil viele Klimademonstrantinnen zu jung sind, um die Höhepunkte der Antiatom-Bewegung miterlebt zu haben.
Tatsächlich ist nicht allen Menschen bewusst, dass der Atomausstieg längst nicht vollständig vollzogen ist:
Es sind noch nicht alle AKWs abgeschaltet und auch die Atomtransporte, die Uranan-reicherung in Gronau und die Brenn-elementefertigung in Lingen laufen unbefristet weiter. Dabei gibt es keine sichere Endlagerung des Atommülls. Das Versprechen einer CO2-freien„Lösung“ für die Klimakrise klingt verlockend. Doch Atomkraft ist hier keine Lösung. Atomkraft deckt zwei Prozent des weltweiten Energiebedarfs, die Erneuerbaren Quellen 18 Prozent. Der Bau zahlreicher Atomkraftwerke wäre nötig, um irgendeine Auswirkung auf die Klimakrise zu erzielen – angenommen, Atomenergie wäre überhaupt CO2- frei und sicher. Je mehr AKW in Betrieb sind, umso höher sind aber auch das Unfallrisiko und die radioaktive Verseuchung bei Normalbetrieb.
Neue Mini-Reaktortypen, wie zum Beispiel der durch die Lobby angepriesene Thorium-Reaktor, sind hoch gefährlich. In jedem dieser Mini-Reaktoren entsteht die Radioaktivität, die vielen Hiroshima-Bomben entspricht. Ein Unfall oder ein Anschlag auf ein Kleinst-AKW könnte eine Stadt unbewohnbar machen. Viele kleine Reaktoren sind viele, schlecht gesicherte, potentielle Anschlagsziele. Wenn heute in Syrien und im Irak diese neuen AKW stünden, dann könnte der IS schmutzige Bomben bauen. Zivile und militärische Nutzung der Atomkraft sind nicht voneinander zu trennen. Ohne die große Anzahl der zivilen Atomkraftwerke wäre beispielsweise die geringe Menge von Antriebsreaktoren von Kriegsschiffen weder finanzier- noch organisierbar.
Umweltbelastend, krank machend und sogar tödlich sind die Folgen der Thoriumgewinnung und der atomaren Aufarbeitung. Im sogenannten Normalbetrieb geben auch Kleinreaktoren wohnortnah krebserzeugende Radioaktivität an die Umwelt ab. Ein ThoriumReaktor erzeugt zwar weniger und kürzer strahlenden Atommüll als ein Druckwasserreaktor, doch dafür strahlt er stärker.
Aufgrund der Klimaänderungen häufiger auftretenden Hitzeperioden, müssen AKW entsprechend häufigerabgeschaltet werden, weil das aus den Flüssen entnommene Kühlwasser zu warm ist.
Bau und Betrieb von AKW und Atommüllagerung sind CO2-intensiv
Uran ist außerdem ein fossiler Brennstoff ohne Zukunftsperspektive. Studien zufolge werden die Uranvorkommen weltweit spätestens 2070 ausgebeutet sein. Die Kosten und der CO2-Ausstoß beim Abbau steigen jetzt schon, weil dieser immer energieintensiver wird.Atomkraft verursacht weniger CO2-Emissionen als Kohlekraftwerke, aber mehr als die Erneuerbaren Energien und hat, je nachdem wie der Rohstoff gewonnen wird, einen CO2-Ausstoß von bis zu 288 Gramm pro kWh. Für Deutschland liegt der Wert bei ca. 36 Gramm pro kWh.
Für eine saubere Berechnung der CO2-Belastung durch Atomstrom muss die ganze Produktionskette berücksichtigt werden. Dazu gehört der Uranabbau, der Transport, Bau, Rückbau und Unterhalt eines Atomkraftwerks sowie die Verteilung des Stroms und die Entsorgung von Atommüll. Je nach Herkunft des Urans sind die Emissionen unterschiedlich hoch. Irrwitzig ist, dass Kohlekraftwerke betrieben werden, um den Rohstoff abzubauen und zu verarbeiten. Es werden allein für den Uranabbau in Arlit (Niger) 400.000 Tonnen Kohle jährlich eingesetzt.
Uran aus Namibia wird regelmäßig über Hamburg nach Narbonne in Südfrankreich zur Weiterverarbeitung transportiert. Bei der dortigen chemischen Verarbeitung, ein notwendiger Schritt hin zur Fertigung von Brennelementen, entsteht Atommüll. Dieser soll in einer neuen Anlage THOR verbrannt werden – dafür müssen 5.700 Tonnen Steinkohle pro Jahr verfeuert werden. Ca. 40 Prozent des Strom-Mixes, den Urenco für die Anreicherung seines Urans nutzt, stammt aus Hambacher Braunkohle.
Hinzu kommt der Eigenverbrauch der Atomindustrie, der diese Form der Energiegewinnung wenig effizient werden lässt. In Frankreich wird aktuell ür die Pumpen in den AKW und die Urananreicherung 46 Milliarden kWh/Jahr verbraucht, das ist ca. 12% des produzierten Atomstroms.
Der CO2-Ausstoß im Zusammenhang mit der Entsorgung von Atommüll ist unbekannt, dürfte aber in den kommenden Jahren in die Höhe schießen. Frankreich will beispielsweise ein Lager in tiefen geologischen Tonschichten in Bure (Lothringen) bauen. Geplant sind 300 Kilometer unter irdische Stollen. Für die Befestigung der Gänge sind 275000 Kubikmeter Beton nötig. Das ist energie- und CO2-intensiv! Und keine sichere Lösung für das Atommüll-problem.
Atommüll entsteht bereits bei jeder Etappe der Brennelementefertigung, nämlich beim Uranabbau, bei der Kon-version, bei der Urananreicherung und bei der Brennelementefertigung. Hinzu kommt dann der Müll aus dem Betrieb des Atomreaktors und aus der Wiederaufbereitungsanlage. Zwischen allen Schritten erfolgen Atomtransporte und es entsteht weiterer Atommüll!
Atomtransporte gehen weiter
Der Atommüll wird immer wieder verschoben. Das soll den Eindruck erwecken, die Atomindustrie habe das Problem im Griff. Für 2020 stehen Castor-Transporte von Sellafield nach Biblis an. Doch in Deutschland weiß man genauso wenig wie in anderen Ländern wohin mit diesem Atommüll. Weder für den schwach- und mittel-radioaktiven noch für den hochradioak-tiven Müll gibt es eine Endlagerlösung.
Der Export von Uranmüll aus der Gronauer Urananreicherungsanlage von Urenco sorgt derzeit für Protest von Atomkraftgegnerinnen im Münster-land und zeigt, wie menschenverachtend das Geschäft mit dem Atom ist. Da der Export von Atommüll gesetzlich nicht erlaubt ist, deklariert Urenco den Müll als Wertstoff um und exportiert ihn nach Sibirien. Dort werden nicht einmal 10% der Gesamtmenge wiederverwendet. 90% lagern unter freiem Himmel. Die Fässer rosten vor sich hin. Ein Unfall ist jederzeit möglich. Aus Uranhexafluorid bildet sich stark ätzende Flusssäure, wenn der Stoff mit Wasser und Luft in Kontakt kommt.
Atomkraft bremst den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Deshalb müssen Subventionen für Atomkraft (Euratom-Gelder, Forschung) gestrichen werden. Das Geld muss in die Erneuerbaren investiert werden. Zwischen 2009 und 2018 sind die Kosten der kommerzi-ellen Sonnenenergie weltweit um 88% gesunken, die Kosten der Windenergie um 69%. Im selben Zeitraum stiegen die Kosten der Atomenergie um 23%.
Atomkraft ist keine Lösung für die Klimakrise.
Cécile Lecomte
Esrschienen im ROBIN WOOD Magazin 144