Kein Widerstand gegen die Atomkraft in Frankreich? oder doch…
Im Atomland Frankreich hat es der Widerstand schwer. Die Atomkraft wurde in den 70er und 80er Jahren mit militärischen Mitteln gegen den Willen der Bevölkerung durchgesetzt ( Artikel hierzu). Es wurden Tatsachen geschaffen. Doch, das reicht der Atomlobby nicht. In Flamanville (Basse Normandie) wird derzeit ein neuer Atom-Reaktor Namens EPR gebaut.
Und auf der hießigen Seite der Grenze (Deutschland) denken viele Menschen, die Franzosen würden die Atomkraft mehrheitlich befürworten, es gebe keine Antiatombewegung. Dem ist aber nicht so, den Umfragen nach lehnt über 60% der französischen Bevölkerung die Atomkraft ab. Schade dass nur wenig Informationen über den Protest in Frankreich den Sprung über die Grenze schaffen! Diesem Bild setze ich mit diesem Artikel ein bisschen was entgegen!
Strommast besetzt – AKW-Baustelle besetzt – Castor gestoppt – Strom an der Castorschiene geklaut – 60 000 gehen auf der Straße für die Abschaltung der Amtomkraftwerken – Strommast demontiert – BürgermeisterInnen erlassen Stadtverfügungen gegen Hochleitungsspannungsneubauten – Bäume gegen Hochspannungsleitung besetzt! – 4 Jahre Verspätung für EPR-Reaktor
So lauten in den letzten Monaten viele Schlagzeilen! Aktuell kursiert ein dringender Aufruf zur Unterstützung einer Baumbesetzung gegen eine Hochspannungsleitung in le Chefresnes.
Die Nachricht schaffte den Sprung über die Grenze: Am 11. März beteiligten sich 60 000 Menschen an einer Menschenkette gegen Atomkraft in Südfrankreich. Wachen die Menschen in Frankreich endlich auf, wurde ich gefragt.
Jein, lautet meine Antwort. Massenwiderstand hat es in den 70er und 80er Jahren geben. Der Staat Antwortete mit Gewalt, die Armee wurde gegen die eingene Bevölkerung eingesetzt, zur Durchsetzung der Interessen der Atomindustrie. Die geschichte hat ihre Spuren hinterlassen. Widerstand gibt es aber heute auch noch, auch wenn dieser nicht so deutlich wahr zu nehmen ist wie in Deutschland. In den letzten Jahren hat er sogar an Stärke wieder gewonnen.
Ein Kristallisierungspunkt des Widerstandes ist der anti-THT-Kampf. THT steht für HSL; Hochspannungsleitung.
In Flamanville an der küste in der Nieder Normandie befindet sich seit einigen Jahren ein neuer Reaktor im Bau (EPR-Reaktor). Baustellenbesetzungen hat es gegeben, aber es ist schwierig einen Standort zu besetzen, was bereits eingezäunt und stark überwacht ist und wo Atomreaktoren schon stehen. Die AktivistInnen haben früh auf den Protest gegen die damit einhergehende Hochspannungsleitung gesetzt. Ich erinnere mich noch ganz gut an die erste Hochspannungsmastbesetzung in Flamanville 2007. Ich beteiligte mich spontan daran, als die FreundInnen, die über meine Kletterfähigkeiten bescheid wussten mich einluden. Beteiligung und Erfahrungsaustausch (Klettertechnik), das ist wichtig im Widerstand! Es folgten weitere Besetzungen und zahlreiche Gerichtsverhandlungen.
Wir besetzten damals den Mast einer bestehenden Trasse. Symbolisch, als Zeichen der Entschlossenheit für die kommenden Jahren. Heute ist es ernst geworden: die Hochspannungsleitung befindet sich seit Dezember 2011 im Bau. Und der Widerstand hat sich dorthin verlagert. In unserem Prozess wegen Strommastbesetzung vorm Tribunal de Grande Instance in Cherbourg im Juni 2009 ließen wir Jean-Claude Bossard als Zeuge laden, zum Beweis der Unvereinbarkeit von Demokratie und Atomkraft. Jean-Claude Bossard ist Oberbürgermeister der commune du Chefresnes und hat in dieser Funktion die Kooperation mit den Genehmgungsbehörden im Planfeststellungsverfahren – die Genehmigung der Trasse stand im Voraus fest – abgelehnt und eine Verfügung gegen den Bau der HSL auf kommunalem Grund erlassen. Diese Verfügung wird von Paris schlicht ingnoriert, polizei und Armee rücken nun vor.
Am 29. März besuchte Jean-Claude Bossard die BaumbesetzerInnen im Wald von le Chefresnes. Dort haben sich AktivitInnen in den Bäumen in Hängematten und auf Platformen verschanzt. Der Wald steht der neuen Trasse in dem Weg. Am 29. März tauchten ca. 80 Beamten in voller Kampfmontur. Etliche Polizeifahrzeuge und 2 Armeefahrzeuge konnten die AktivistInnen ausmachen.Sie begleiteten BaumfällarbeiterInnen und Vermessungsbeamten im Auftrag von RTE (Réseau de transport d’électricité, staatliches Stromnetzunternehmen). Die Polizei intervenierte nicht. Sie trat Anfang Nachmittag den Ruckzug an. Unbestätigten Meldungen zur Folge soll der Polizeieinsatz in der Nacht vom 30. auf den 31. März 2012 starten. Baumfällarbeiten sind ab dem 1. April wegen der Vegetationsperiode untersagt. Das spricht also für eine unmittelbare Intervention der Polizei. An bestehenden Gesezte hält sich die Atomlobby aber selten. Es wird auch in der Vegetationsperiode mit Baumfällungen gerechnet. Eine Sondergenehmigung bekommt die Atomlobby immer.
« Wenn die aktiven Umweltaktivisten, die heute gegen die Atomkraft kämpfen, später auf die Idee kommen, die Hochspannungsleitungen zu bekämpfen, ist anzunehmen, dass die situation ernst wird. Atomkraftwerke können mit Hilfe von Stacheldraht und wenn notwendig der Bereitschaftspolizei abgeschottet werden. Für die Strommasten gilt dies aber nicht. » heißt es in einem vertraulich geheimenen Dokument vom staatlichen Elekrizitätswerk EDF aus dem jahr 1983! Genau dies passiert heute!
Zusätzlich zur Baumbesetzung gibt es zudem hin und wieder « actions de déboulonage » auf Deutsch: « Abschraube-Aktionen » Die AktivistInnen schrauben, bauen die Masten ab!
Es lebe den Widerstand gegen die Hochspannungsleitung!!!
Eichhörnchen
weitere Infos (auf Französisch): stop EPR – Stop THT – Valognes Stop Castor