Am 14. Februar geht der Castor-Prozess gegen 4 KletteraktivistInnen vor dem Amtsgericht Potsdam weiter. UnterstützerInnen und ZuschauerInnen die sich für Akte III des Justiz-Theaterstücks interessieren, treffen sich bereits ab 8:30 Uhr vorm Gericht (Hegelallee 8, Potsdam). Das sind Angaben von UnterstützerInnen, mehr dazu auf dem Flyer (Flyer Seite 1 , 2)
Hintergrund des Prozesses ist eine Kletteraktion von Robin Wood auf der Elbe-Seiten-Kanalbrücke bei Lüneburg, gegen den Castortransport 2008 nach Gorleben. Justiztheater Akte I wurde bereits am 1. August 2011 aufgeführt, Akte II am 26. Januar 2012.
Die Verhandlung wurde am 26. Januar nach einem Befangenheitsantrag der Verteidigung gegen Richterin Ahle vertagt. Vorausgegangen waren die politischen Einlassungen der Betroffenen sowie ein Streit über die (nicht)Ladung von Zeugen – was zu mehr Verhandlungstagen führt – und die unsachliche Verhandlungsführung der vorsitzenden Richterin.
Ein zahlreich erschienenes Publikum besuchte am 26.1. die Verhandlung. Darüber freuen sich die Betroffenen sehr. Einige ZuschauerInnen fragten nach den Einlassungen der Betroffenen und Anträgen in schriftlicher Form. Diese Dokumente stelle ich hier zur Verfügung. Hinzu kommen ein paar Hintergrundinformationen und neuen Anträgen, die zwischen den Verhandlungstagen schriftlich eingereicht wurden. Und natürlich ist am Dienstag jede-r willkommen!
Vor der Verhandlung
* Straßentheater in der Postsdamer Innenstadt
« Guten Tag, wir kommen aus dem Mars, wir berichten live für Mars TV und wollen wissen warum Potsdam eine zentralisierte Kriminalisierungsstelle für AtomkraftgegnerIn hat! » oder « Guten Tag, können sie mir erklären was ein Gericht ist, warum Menschen über andere entscheiden dürfen. Das kennen wir nicht auf dem Mars. »
So ähnlich wurden PassantInnen am 24. Januar vom etwas skurril bekleideten Mars-TV-Team in der Potsdamer Fußgängerzone angesprochen. Es führte zu spannenden oder auch absurden Gesprächen zum Thema Atomkraft, Gerichte (zum Essen da, oder?), etc. In zwei Stunden wurde ca. 200 Flyern zum anstehenden Prozess gegen CastorgegnerInnen verteilt.
Es ist nicht einfach den Menschen zu vermitteln, dass AtomkraftgegnerInnen in Potsdam vor Gericht stehen… wegen einer Aktion in Lüneburg vier Jahre zuvor. Welche Verkehrsordnungswidrigkeit wird denn noch 4 Jahre nach der Tat verfolgt ? Welche Tat wird denn soweit entfernt vom Tatort verhandelt? Das haben wir dem neuen Zentralismus der Bundespolizei « zu verdanken ».
Das Amtsgericht Potsdam spielt seit Umstrukturierung der Bundespolizei eine wichtige Rolle in Bezug auf Gerichtsverfahren wegen Castor-Transporten. Denn bei Ordnungswidrigkeitsverfahren richtet sich der Gerichtsstand nach dem Sitz der beteiligten Bußgeldbehörde. Das ist bei Aktionen im Schienenbereich die Bundespolizei, die über eine zentrale Bußgeldstelle verfügt und ihren Hauptsitz in Potsdam hat. Die Zuständigkeit des Gerichtes wurde in der Hauptverhandlung am 26.1.2012 gerügt und in Frage gestellt (Rüge als pdf).
* Soli-Kundgebung und rechtswidriger Polizeieinsatz vor dem Gerichtssaal
Vor Prozessbeginn, versammelten sich gut 20 Menschen vor dem Amtsgericht. Es wurden Transparente aufgehängt und Samba gespielt.
Als die Menschen sich dann am Gerichtseingang vor der für die Verhandlung aufgebaute Sicherheitsschleuse anstellten, fing die Polizei plötzlich an, eine allgemeine Personalienkontrolle wegen angeblichem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz durchzuführen. Die Polizei sucht immer nach einer-m Verantwortlichen. Sie sollte sich bei Frau Ahle melden, sie hat ja zum Tanz eingeladen und ist insofern verantwortlich. Ohne ihre Einladung wäre keiner gekommen. Gut, Verantwortlich sind auch die Atomlobby und die GNS, die Atomtransporte durchführt. Ohne ihre menschenveachtende Politik gäbe es keine Prozesse. Ach ja und Schutzzweck des Versammlungsgesetzes ist eigentlich der Schutz von… Versammlungen… das Gesetz wird aber gerne ausgerechnet gegen versammlungsteilnehmerInnen eingesetzt. So wendet zumindest die Polizei dieses Gesetz an.
Wer sich der Personalienkontrolle nicht unterziehen wollte, kam nicht ins Gerichtssaal rein. Die Kontrolle verzögerte den Beginn der Verhandlung um gut eine halbe Stunde.
An dieser Stelle eine Bitte des Prozess-Unterstützungskreises: Keine Kooperation mit den Repressionsbehörden. Wer wegen dieser « Aktion » Post von der Polizei bekommt, sollte sich bei castorprozess@nirgendwo.info melden. Auf die Post muss und soll Niemand reagieren, egal ob « Zeuge » oder « beschuligte-r ». Ignorieren und Aussageverweigerung sind die sichersten Antworten!
Die Kontrollen wurden zu Prozessbeginn gerügt, die Betroffenen sehen in einer solchen Einschränkung ein Verstoß gegen das Gebot der Öffentlichkeit eines Verfahrens. Die Polizei darf außerdem die Angabe der Personalien nicht eingemächtig zur Bedingung für den Besuch einer Gerichtsverhandlung machen. Sie hat überhaupt kein Befugnis für diese Maßnahme in den Räumlichkeiten des Gerichtes. Eine Vorlage für eine Rüge mit Verweisen auf die aktuelle Rechtssprechung stelle ich als PDF zur Verfügung, in der Verhandlung wurde diese mit dem passenden Sachverhalt ergänzt.
Die Richterin erklärte sich darauf hin für « nicht zuständig » und sah sich nicht dazu veranlasst, das Gebot der Öffentlichkeit zu gewährleisten. Die Kontrollen an der Sicherheitsschleuse, die denen an einem Flughafen ähneln, habe der Gerichtspräsident veranlasst, die Personalienkontrolle sei eine eigenmächtige Maßnahme der Polizei gewesen.
Die Verhandlung
Gleich zu Beginn der Verhandlung wurden die Eingangskontrollen gerügt, die Zuständigkeit des Gerichtes (pdf) in Frage gestellt und einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens wegen rechtswidriger Verfahrensverzögerung (pdf) eingebracht. Richterin Ahle nahm dies « zur Kenntnis ».Von der Herrschaft kann man ja nicht erwarten, dass sie sich selbst und ihre Institution in Frage stellt.
Es folgten die Einlassungen der Betroffenen (pdf):
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kurzgeschichte_cecile (als Teil ihrer Einlassung)
Im weiteren Verlauf wurden diverse Rügen vorgetragen:
Die sechs Monaten Unterbrechung hatte für die Gewährung von Akteneinsicht an allen Prozessbeteiligten nicht ausgereicht.Ich dokumentiere hier die Rüge von Alex (pdf)
Ein weiterer Kristallisationspunkt der Auseinandersetzung war die Zeugen-Frage. Dies wurde mündlich gerügt. Entgegen der Angaben in der Ladung an die Prozessbeteiligten war kein direkter Tatzeuge anwesend. Dies war den Betroffenen jedoch nicht mitgeteilt worden, weswegen sie davon ausgingen, auch direkte Tatzeugen vernehmen zu können, was für eine sachgemäße Beweisaufnahme notwendig gewesen wäre. Die Verteidigung war somit genötigt, einen weiteren Prozesstag in Kauf zu nehmen.
Es folgte die über eine Stunde andauernde Vernehmung des einzigst anwesenden Zeugen. Der Zeuge Rölcke hatte nicht viel zu sagen, er erinnerte sich an nichts, ist nur Sachbearbeiter und nie am Tatort gewesen. Es verwies ständig auf seine aus den Berichten der Kollengen zusammengeschriebenen Berichte in der Akte. Selbst als es um die Rolle seiner Einheit (die EG-Castor) in der Anordnung des Langszeitgewahrsams gegen eine Betroffene ging, wollte er seine Kollengen nicht ein mal namentlich kennen. Ob die Polizei was zu verbergen hat?
Die Verteidigung wollte auf jeden Fall dazu Stellung nehmen. Es kam aber nicht mehr dazu, weil die Richterin das Video gleich vorführen und dann Feierabend machen wollte und keine ausreichend lange Pause für die Formulierung einer Stellungnahme genehmigte.
Die Verteidigung entschied sich sodann für einen « nicht aufschiebbaren Antrag », nämlich einen Befangenheitsantrag gegen die Richterin wegen ihrer unsachlichen Verhandlungsführung und der ganzen Einschränkungen der Verteidigung (Akteneinsicht, Ladung der zeugen, etc.). Irgendwann ist das Maß voll, könnte man es formulieren.
Die Verhandlung wurde am dem 14.2. um 9:00 Uhr vertagt.
Zwischen den Verhandlungstagen
* weitere Beweisanträge
Zwischen den Verhandlungstagen sind wir ziemlich aktiv gewesen. Wir wollen das Verfahren nicht in die Länge ziehen. Auf Inhalte, die wir für wichtig halten, wollen wir aber auch nicht verzichten. Wenige Tage nach der Verhandlung vom 26.1. haben wir vier Beweisanträge (3 hier als PDF ) beim Gericht ins Briefkasten geworfen – die Auswahl an Tatzeugen, die hoffentlich mehr als ein Sachbearbeiter zu sagen haben, ist groß. Darin wird unter Beweis gestellt, dass die Polizei und nicht die DemonstrantInnen, die sich über der Bahnanlage aber nicht im Regellichtraum aufhielten, für die Streckensperrung verantwortlich sind.
Ein Beweisantrag befasst sich weiter mit der gefährlichen Räumung eines Demonstranten. Ein anderer mit der Unvereinbarkeit von Menschenrechten und Atomkraft, mit diversen beispielen von rechtswidrigen Ingewahrsamnahmen bei Castortransporten und andere Misshandlungen beispielsweise in Frankreich als 2010 die Polizei 4 Menschen vorsätzlich schwer verletzte (2 Sehnenmit einer Flex durchgetrennt, Verbrenungen des dritten grads – Bilder). Dort stehen auch nicht die für die Verltzungen verantwortlichen PolizistInnen vor Gericht, sondern die AktivistInnen
Seitdem die Beweisanträge eingereicht wurden, hat sich leider nichts getan. Richterin Ahle hat keiner der beantragten (Tat)Zeugen geladen. Sie scheint kein Interesse an einer gründlichen Aufklärung der Tat und seiner Umständen zu haben. unsere Beweisanträge kann sie natürlich auch als wahr unterstellen (wenn die behauptete Tatsache als wahr unterstellt wird, müssen die Zeugen nicht geladen werden). Nächstes Kapitel also am 14. Februar.
* Dienstliche Erklärung der Richterin und Erwiderungen
Ach und was ist aus dem Befangenheitsantrag geworden ? Die Richterin hat Stellung genommen (jpg-bild). Natürlich fühlt sie sich nicht befangen, die Sache mit den Zeugen muss man ja nicht so genau nehmen, das ist nicht schlimm wenn die zeugen icht kommen, man kann ja auch deren Berichte in der Akte einfach vorlesen.VerteidigerInnen und Betroffenen haben darauf hin Stellung genommen (PDF). Und natürlich hat es nicht viel geholfen. Ein teil des Befangenheitsantrags hat die abgelehnte Richterin selbst beschieden (das mit der Akteneinsicht und den Zeugen), im übrigen hat der Kollege am Landgericht erklärt, dass die Frau Ahle – mit der er in der Gerichtskantine sicherlich Kaffee trinkt – nicht befangen ist. Die Herrschaft wird sich ja nicht selbst ablehnen…
Die Entscheidung über den Befangenheitsantrag liegt mir noch nicht schriftlich vor… Ich lade sie hoch sobald ich sie erhalten habe. Damit jeder lesen kann welche Fantasie die RobenträgerInnen von sich zeigen.
Akte III des Theaterstückes « Castor-Brücken-Prozess » am 14. Februar um 9:00 Uhr ! Mal sehen ob die Tragödie am 14. ihr Ende nimmt. Eine Tragödie ist es, weil allen Beteiligten klar ist, dass das Ende – hier das Urteil – im Voraus fest steht. Das Szenario steht schon fest. Es geht nicht um Gerechtigkeit, sondern um die Aufrechterhaltung herrschender Verhältnissen…. Und die Macht haben die Staatsgewalt und die Atommafia – oder doch nicht? Vielleicht erreichen wir eines Tages die kritische Masse, die die Verhältnisse zum Tanzen bringt. Für mich bleibt: Der Ausgang aus der aktuellen Situation heißt permanente Revolte im Sinne vom Philosoph Albert Camus.
Bilder (Außer Mars TV): Christina Palitzsch
* Weitere Infos auf nirgendwo.info
* Spendenkonto (Rechtshilfe für Robin Wood AktivistInnen):
Renald Orth
Stichwort: Rechtshilfe für AktivistInnen
Kto 84 120 00
BLZ 251 205 10
Sozialbank Hannover
* Presse zum 2. Prozesstag:
– DPAD: Castor-Gegner lehen Richterin als Befangen ab
– DPA
– Rbb
Pressemitteilungen von Robin Wood zur Aktion damals:
http://www.robinwood.de/german/presse/index-081106.htm
http://robinwood.de/Newsdetails.13+M5e9c1754deb.0.html
http://robinwood.d
e/Newsdetails.13+M5a9d7749116.0.html
http://robinwood.de/Newsdetails.13+M5620fc356ca.0.html
Videobericht zur Aktion (französisches Fernsehen)
http://www.youtube.com/watch?v=BnXEd3nhT6Q&feature=channel