Sie Stoppten den Castortransport nach Deutschland 2010 in Caen mit einer Ankettaktion. Sie wurden bei ihrer « Befreiung » aus den Gleisen von der Polizei schwerverletzt: Verbrennung des dritten grades, notwendige Haut-Tranplantation, Sehnen durch die Flex der Polizei duchgeschnitten und oder durchgeschmolzen, etc. Erst gegen 15.000 Euro Kaution kamen sie vor ihrem Prozess in erster Instanz frei.
Jetzt stehen sie – erneut – vor Gericht – das Verfahren gegen die Polizei wurde dagegen eingestellt. Wenn die AktivistInnen nicht lebensgefährlich verletzt werden sollen, sollen sie keine Aktion durchführen, so das Tenor der Einstellungsverfügung. In erster Instanz 2010 wurden sieben AktivistInnen der Gruppe zu Bewährungsstrafen, sowie 30 000 Euro Geldstrafe und Sachdenersatz an die französische Bahn verurteilt. Das ist in den Augen des procureur de la République ( Staatsanwaltschaft) eine zu geringe Strafe.
Die Berufungsverhandlung findet am 4. März 2013 vor dem Gericht in Caen statt (Ankündigung auf Französisch) Solidarität ist gefragt!
Die AktivistInne freuen sich über Solidaritätsboschaften und mehr. (Kontakt: ganva(ät)riseup.net)
Ich liefere hier Hintergrundinformationen zu der damaligen Aktion und den Prozess
Hintergründe
Eichhörnchen Texte in deutscher Sprache
* Widerstand gegen die Atomkraft in der Normandie: Valognes Stopp Castor und andere Aktionen
*Ein Artikel über die französische Militärpolizei: Mit Kriegswaffen gegen die Zivilbevölkerung
*Ein Interview mit Damien, einem der schwerverletzten AktivistInnen bei der Aktion gegen den Castor 2010 in Caen.
Zusammen mit seinen MitstreiterInnen steht am 4.3.2012 vor dem Berufungsgericht. Das Interview führte ich im Dezember 2010 für die Zeitschrift GWR (Nummer 354) durch. Es liefert gute Hintergründe zur damaligen Aktion
Ziviler Ungehorsam kennt keine Staatsgrenzen
Eine Gewaltfreie Aktionsgruppe aus Frankreich und Deutschland konnte den Castor stundenlang stoppen. Ein Interview mit dem Aktivisten Damien
Mit einer Ankettaktion hat eine deutsch-französische Aktionsgruppe den Castor kurz nach seiner Abfahrt am 5. November 2010 im französischen Caen für drei Stunden gestoppt. Auf die Aktion reagierte der Staat mit ungewöhnlicher Härte. Fünf AktivistInnen, die sich festgekettet hatten, wurden bei ihrer Räumung aus dem Gleisbett verletzt, drei von ihnen erlitten schwere Verletzungen.
Insgesamt 16.500 Euro Sicherheitsleistung mussten die AktivistInnen zudem hinterlassen, um bis zu ihrem Prozess am 8. Dezember 2010 nicht in U-Haft zu sitzen. Grenzenübergreifende Solidarität machte es möglich, die Kaution zu bezahlen.
Der Journalist Mikael Chambru und GWR-Autorin Eichhörnchen sprachen mit Damien, einem beteiligten Aktivisten der Gewaltfreien Aktionsgruppe gegen Atomkraft GANVA. Damien ist 22 Jahre alt. An einer Ankettaktion beteiligte er sich am 5. November zum ersten Mal – seine erste Aktion gegen Atomtransporte war es allerdings nicht! Er beteiligte sich zuletzt im Sommer 2010 an einer Kletteraktion in Geesthacht gegen den Abtransport von abgebrannten Brennelementen nach Cadarache. Die Luftblockade zwang den Atommülltransport zu einer Routenänderung.
Graswurzelrevolution (GWR): Warum habt ihr euch dafür entscheiden, gegen den Atommülltransport zu protestieren?
Damien: Ich finde es absurd und abwegig, 123 Tonnen hochradioaktivem Müll quer durch Frankreich und Deutschland zu transportieren, um ihn zu einem Standort zu bringen, der nicht einmal mehr Sicherheitsgarantie bringt als der bisherige Lagerungsort.
Dieser Atommülltransport ist auch der radioaktivste gewesen: die Radioaktivität ist zweimal größer als das bei der Tschernobylkatastrophe 1986 freigesetzte radioaktive Inventar. Die Bevölkerung an der Strecke wird durch solche Atomtransporte immensen Gefahren ausgesetzt. Ich wohne in Savoyen, seit zwei Jahren protestieren wir gegen die Durchfahrt von Transporten mit abgebrannten Brennelementen von Italien zur Wiederaufbereitungsanlage La Hague. Da war es für uns also logisch, gegen diesen Transport zu protestieren, genauso wie bei den anderen Transporten. Zudem ging es uns darum, Solidarität mit der Bevölkerung in Deutschland, die sich die Verseuchung des Landes für die Ewigkeit nicht gefallen lassen will, zu zeigen.
GWR: Warum diese Aktionsform?
Damien: Diese Aktionsform ist Teil einer Bewegung, die sich zivilen Ungehorsam auf die Fahnen geschrieben hat. Die Aktion war zwar aus rechtlichen Gründen illegal, auf Grund der Gefahren der Atomindustrie und der nicht vorhandenen Transparenz war sie allerdings legitim.
Mit einer Ankettaktion kann man zudem den Zug – nachdem alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden und er angehalten hat – für längere Zeit zum Stillstand bringen, ohne die Gleise mit vielen Menschen zu besetzen.
Die Aktion hatte das Ziel, die Atomproblematik in Europa zu thematisieren. Radioaktivität kennt keine Grenzen.
GWR: Eine solche Aktion will gut vorbereitet sein…
Damien: Na klar, das ist eine sehr überlegte Handlung, die Sicherheit muss garantiert sein, wie bei den anderen Aktionen. Unser Ziel war es, eine direkte physische Konfrontation mit der Staatsmacht zu verhindern.
GWR: Wie lief es am Tag X?
Damien: Wir haben Sicherheitsvorkehrungen getroffen und als die Sicherheit gewährleistet war, haben wir Stahlrohre unter die Schienen geschoben. Fünf AktivistInnen ketteten sich anschließend mit Vorhängeschlössern, deren Schlüssel sie nicht bei sich trugen, fest.
Die Blockade wurde blitzschnell und sicher aufgestellt.
Wir haben dann ein Banner entrollt. Darauf stand auf Deutsch « Unser Widerstand kennt keine Staatsgrenzen. Castor 2010 Die Erste ». Bis zu diesem Zeitpunkt lief alles wunderbar.
GWR: Haben die Polizeikräfte lange gebraucht, bis sie eintrafen?
Damien: Die PolizistInnen sind innerhalb von wenigen Minuten in kleinen Gruppen angekommen.
Es folgten die Gardes Mobiles, eine Spezialeinheit der Militärpolizei und dann die CRS (Bereitschaftspolizei), die aus dem Zug, der in Schrittgeschwindigkeit zu uns kam, ausstiegen.
Die Gendarmen haben damit angefangen, die nicht festgeketteten AktivistInnen zu räumen, die JournalistInnen wurden weggeschickt. Die CRS haben sich dann für uns interessiert. Sie haben große, blaue Planen als Sichtschutz vor der Öffentlichkeit ausgebreitet.
Die PolizistInnen haben ziemlich schnell nach diversen Werkzeugen gegriffen, u.a. nach einer Winkelschleifmaschine, um die Rohre eins nach dem anderen durchzutrennen. Das war ziemlich beeindruckend und wir wussten nicht, wie es enden würde. Die CRS waren sehr angespannt und wollten uns so schnell wie möglich räumen, damit der Zug weiterfahren kann. Diese Eilfertigkeit erfolgte zum Nachteil unserer Sicherheit.
Wir haben uns zwar selbst in die Situation gebracht und festgekettet, aber die Verantwortung, unsere körperliche Unversehrtheit zu garantieren, lag trotzdem bei der Polizei.
GWR: Lief es dann schief?
Damien: Es waren zwei Stunden psychologischer Druck. Dazu kommt, dass die Polizei uns mutwillig verletzt hat, als sie die Stahlrohre durchtrennte. Was mich betrifft, ich trage Verbrennungen des dritten Grades auf der Rückseite der linken Hand davon.
GWR: Habt ihr die Polizei nicht darauf aufmerksam gemacht, dass sie euch gerade Verbrennungen zufügt?
Damien: Doch, ich habe die Polizei vorgewarnt: Ich habe vor Schmerzen geschrien, aber das hat zu Beginn überhaupt nichts gebracht. Nach einer Weile haben sie zwischendurch wenige Sekunden Pause gemacht und dann umso tatkräftiger weiter geflext.
Ich habe auch die anderen schreien gehört, als ihre Rohre durchtrennt wurden. Wir wurden bei dem Polizeieinsatz alle verletzt, zwei weitere Personen wurden noch schwerer verletzt.
Eine Person erlitt eine Verbrennung des dritten Grades, der dritten Person wurden zwei Sehnen durchgetrennt, sie wurde im Krankenhaus operiert.
GWR: Wurdet ihr nach der Räumung zum Krankenhaus gebracht?
Damien: Die Feuerwehr hat mich dahin gebracht. Meine Ingewahrsamnahme wurde mir bei meiner Ankunft im Krankenhaus von Caen erklärt, noch bevor ich von d
en Ärzten untersucht wurde… Ich bin ca. zwei Stunden im Krankenhaus geblieben.
Anschließend wurde ich zur Polizeiwache gefahren und in einer Haftzelle eingesperrt. Wir wurden am Tag darauf dem Haftrichter vorgeführt.
GWR: Was hat die Staatsanwaltschaft gefordert?
Damien: Die Ankündigung der Regierung, mit strenger Repression auf Aktionen der AtomkraftgegnerInnen zu reagieren, wurde umgesetzt.
Der Haftrichter hat schließlich beschlossen, dass wir freigelassen, aber einer strengen richterlichen Kontrolle unterstellt werden. Wir mussten zudem bis zum 15. November eine Kaution in Höhe von 16.500 Euro zahlen, um die Untersuchungshaft abzuwenden. Ansonsten hätten wir bis zum Prozess am 8. Dezember in U-Haft gesessen.
GWR: Habt ihr eine solche Entscheidung erwartet?
Damien: Wir haben mit einem Gerichtsprozess gerechnet. Das ist oft der Fall bei solchen Aktionen.
Aber das Ausmaß der Repression ist ungewöhnlich. Wir rufen zu einer großen Mobilisierung für den Prozess auf, um unsere Ablehnung der Atomkraft und der dazugehörigen Repression zu bekräftigen.
Was die Kaution angeht, der Vorgang ist ziemlich widersinnig, weil die Staatsanwaltschaft eingeräumt hat, dass wir bei unserem Prozess anwesend sein wollen. Die richterliche Kontrolle – insbesondere in der Form einer Kaution – dient eigentlich nur dazu, die Anwesenheit der Angeklagten bei ihrem Prozess zu gewährleisten. Das Vorgehen zeigt, dass man uns unter Druck setzen will.
GWR: Ihr habt auch beschlossen, vor Gericht zu klagen?
Damien: Ja, es ist nicht akzeptabel, dass die Polizei im Rahmen einer gewaltfreien Aktion Gewalt anwendet und DemonstrantInnen mutwillig verletzt. Aus diesem Grund haben wir mit Unterstützung der Aktionsgruppe GANVA eine Strafanzeige wegen schwerer Körperverletzung in Amt eingereicht.
War der Wille der Regierung und der Atomlobby, diesen Transport um jeden Preis durchzusetzen, ein Rechtfertigungsgrund für eine solche Gewalt seitens der Ordnungskräfte? Wollte die Polizei diese Gewalt verbergen, als wir hinter den blauen Planen geräumt wurden?
GWR: Denkt ihr, dass ihr mit eurer Anzeige gegen die Polizei Erfolg haben könnt?
Damien: Wir werden sehen, welches Gewicht die Atomlobby auf die französische Justiz hat.
Interview: Eichhörnchen & Mikael Chambru