Die Urteile, die das Frankfurter Verwaltungsgericht in den letzten Monaten zu den Klagen von Blocupy-DemonstrantInnen gefällt hat, haben für Unmut gesorgt. Es sind viel mehr politische als juristische Urteile, die das Gericht spricht.
Ich durfte nun auch den Vorsitzenden der 5. Kammer und Präsident des Verwaltungsgerichts Dr. Rainhald Gerster kennen lernen. Meine Klage richtetet sich gegen den Polizeieinsatz vom 1. Juni 2013 gegen die Blockupy-Demonstration. Die Polizei kesselte ohne Vorwarnung über tausend DemonstrantInnen, so das die Demonstration ihr Ziel nicht erreichen konnte. 10 000 Menschen beteiligten sich an der Demonstration. Ich veröffentlichte damals ein Erlebnisbericht.
Richter Dr. Gerster gibt unumwunden zu, dass die Polizei die Einkesselung der Demonstration bereits vor dessen Start geplant hatte. Die Entscheidung sei auf Grund von Informationen des Verfassungsschutzes zur Gefahrenlage (welche auch immer, das ist nicht bekannt) getroffen worden.
Diesen geplanten willkürlichen Eingriff in Grundrechte von Tausenden DemonstrantInnen interessiert Richter Gerster aber nicht, denn er ist der Auffassung, dass die Polizei eine mit ca.10 000 Menschen starke Demo wegen ihres äußeren „Erscheinungsbildes“ aufhalten darf und 1000 DemonstrantInnen unter Anwendung von Zwang und Gewalt ohne Vorwarnung einkesseln und über 9 Stunden festhalten darf. Was er mit Erscheinungsbild genau meinte, blieb sehr wage. Erwähnt wurden in diesem Zusammenhang Seitentransparente, Sonnenbrille und Regenschirme. Das wirke bedrohlich und gefährde die Sicherheit und Ordnung. Super, die Poizei darf Demos, die sie subjektiv als « bedrohlich » betrachet, also die ihr einfach nicht passen, sprengen! Wer nicht ins Bild passt, darf nicht demonstrieren, aber ja, ist als demokratisch im ach so tollen Rechtsstaat.
Darüber hinaus darf ich gegen das Anhalten der Demonstration an sich nicht klagen. Klagebefugt ist nur der Demonstrationsleiter. Durch ihre Teilnahme an einer Demonstration geben die Demonstrantinnen ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit an den Demonstrationsleiter ab! Das scheint Franfurt-Sonderrecht zu sein.
Geklagt hatte ich außerdem gegen den Einstaz von Pfefferspray. Ich hatte Pfefferspray abbekommen, als ich mich einer Polizeikette näherte, um in Erfahrung zu bringen, was sich im kessel abspielte.
Richter Gerster gab hier eine weitere spannende Rechtfertigung für den Pfefferspray-Einsatz: Dieser war auf Grund der Gesamtumstände gerechtfertigt, die Polizei durfte die DemonstrantInnen mit Pfefferspray „auf Distanz“ halten . Das heißt: die Polizei darf ohne Vorwarnung und ohne Erläuterung wild um sich sprühen um DemonstrantInnen auf Distanz zu halten !
Mein Anwalt hatte zahlreiche Beweisanträge vorbereitet, wohl wissend, dass Richter Gerster die Klage abweisen würde. Der Streit wird in den nächsten Instanzen gehen. Das ist eine Sache für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), sagt mein Anwalt, der die Einschränkung von Grundrechten nicht hinnehmen will. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es bis zum EGMR noch sehr lange dauern kann.
Problematisch ist natürlich, dass die Gerichtsentscheidungen in Sache Blockupy der Polizei ein Freischein für Willkür gibt. Die nächsten Protestaktionen stehen für den 18. März an. (Siehe http://blockupy.org/ )
Nur: ich bin über das Urteil nicht enttäuscht, es war ja zu erwarten und die Justiz demaskiert sich selbst als eine politische Institution die dazu da ist, die die herrschenden Verhältnisse aufrecht zu erhalten. Und man wurdert sich darüber, dass es Menschen gibt, die vom Rechtsstaat nichts halten…
Für meine Grundrechte kämpfe ich auf der Strasse weiter!
Die Anekdote zum Schluss: Herr Vögler-Maesch vertrat die Polizeibehörde. Ich kenne ihn aus früheren Verfahren schon. Er wurde zum Polizeidirektor befördert – vielleicht weil er so fleißig gegen Blocupy-AktivistInnen vorgeht?