„Eichhörnchen gegen Berliner Polizei: Klage erfolgreich“ Diese Überschrift wählte ich vor wenigen Monate für eine Pressemitteilung. Hintergrund war meine Festnahme durch die Berliner Polizei 2011 als ich ein Transparent in Sichtweite eines Kongresses der Atomlobby an zwei Laternen aufhängen versuchte. Gegen diese Festnahme und den anschließenden Platzverweis hatte ich vor dem Verwaltungsgericht geklagt , Die Polizei hatte schließlich die Rechtswidrigkeit ihres Handeln gegen mich eingesehen. Es sei fraglich, inwiefern das Anbringen eines Transparentes eine Gefahr für das „Atomforum“ begründen könne, hatte das Gericht zuvor in einer Stellungnahme geäußert.
Wer denkt, die Berliner Polizei sei lern-fähig, liegt falsch. Vor Polizeiwillkür schützt eine erfolgreiche Klage nicht. Bei der mit 15 000 DemonstrantInnen gut besuchten Demonstration zum Thema Energiewende zeigte sich die Polizei gegen KletteraktivistInnen am 30. November 2013 erneut gewalttätig, erneut nahm sie sie wegen des Beklettern eines Masten zur Anbringung von Transparenten in ihrer Gewalt. Eine einfache Meinungsäußerung gegen Kohlekraft Mittels Transparenten an einem Mast war nicht erwünscht. Ob gut sichtbare Transparente die Klimakiller-Politik der großen Koalition gefährden?
Die Großdemonstration am 30.11.13 war angemeldet und man rechnete mit einer ruhigen fröhlichen Atmosphäre. Schließlich gab es keine Lobby-Veranstaltung in der Nähe oder kein Castortransport, die die Polizei unter Missachtung von Grundrechten schützen müssen glaubt. Dass Menschen rechtswidrig am Protestieren gehindert werden, ist bei Ereignissen wie Castortransporte oder Lobbytagungen gängige Praxis – nicht aber bei bürgerlich geprägten Großdemonstrationen zu denen große Organisationen wie Umweltverbände aufrufen. Dass AktivistInnen solche Demonstrationen nutzen, um ihre Meinung in ihrer eigenen Art und Weise in luftiger Höhe kund zu tun ist auch üblich. Selten hat die Polizei dagegen was einzuwenden. Es gehört schließlich zu Demonstrationen, die Plakate nehmen die AktivistInnen nach Ende der Demonstration wieder mit. So geschah es zuletzt bei der großen Bleiberecht-Demonstration in Hamburg. Die DemonstrantInnen freuten sich über die quer über die Demoroute gespannten Transparente. Diese wurden dann wieder abgebaut, nachdem der Demonstrationszug durchgezogen war.
So wird’s in Berlin auch sein, dachten sich AktivistInnen von Robin Wood, als sie nach einem geeigneten Ort für ihre Protestform auf der Energiewende-Demo in Berlin suchten.
Zu Beginn schien es auch so zu sein. Der erste Kletterer von ROBIN WOOD kletterte hoch, den herbeigeeilten Polizisten wurde das Vorhaben mit dem Banner mitgeteilt und es schien irgendwie « okay » zu sein. Das okay wurde aber möglicherweise nur deshalb signalisiert, weil die Polizisten nicht mehr verhindern konnten, dass der Kletterer hoch kommt, er war schon zu weit oben und sie das Gesicht nicht verleiren wollten. Als sie aber bemerkten, dass eine zweite Person hinterher klettern wollte, stürmten die Beamten den Mast. Die kletternde Person war in ca. zwei Meter Höhe bereits gesichert und sie zogen an ihrem Gurt und an ihrem Körper. Es entstand eine unübersichtliche Situation, die DemonstrantInnen verstanden das Verhalten der Beamten nicht. Eine Begründung gab es dafür auch nicht. „Kommen Sie da ‘runter“ ist keine Rechtsgrundlage, eine Gefahr (für die große Koalition?) wurde auch nicht genannt (das tut die Polizei ansonsten bei Atomtransporten gerne und begründet Festnahmen mit der Nähe der Personen zu einem „gefährdeten Objekt“, nämlich der Castorstrecke).
Die Beamten versuchten – entgegen der Gesetzten der Schwerkraft – ihr Opfer nach unten zu ziehen. Dabei nahmen sie Verletzungen und die Gefahr eines Hängetraumas bei der Kletterin in Kauf. Diesbezügliche Hinweise von DemonstrantInnen ignorierten sie. Den Einwand, dass ausgerechnet die Berliner Polizei ein Verfahren im Zusammenhang mit einer ähnlicher Kletteraktion an einem Mast vor dem Verwaltungsgericht vor wenigen Monaten verloren hat, nutzte nichts. Augenzeugeberichte zur Folge spitzte sich die Situation dann zu, als ein Polizeibeamter in der unübersichtlichen Menschenmenge ein Messer zuckte und Panik ausbrach.
Die Beamten zogen sich ohne Erklärung zurück. Die AktivistInnen konnten ihre Banner entrollen: „Ätsch – Kohle nix da!“ und „Kohlekraft macht krank“ stand darauf.
Einen dritten Kletterer laß die Polizei aber erst gar nicht hoch klettern. Dieser wählte daraufhin einen andren Ort für seine Meinungsäußerung… er erklomm eine Ampel an einer auf Grund der Demonstration für den Straßenverkehr gesperrten Straße. Aber selbst das, wollte die Polizei unterbinden: Eine Spezialeinheit der Bundespolizei (TMHT) räumte den Aktivisten aus ca. 4 Meter Höhe mit Hilfe eines Krans. Zahlreiche DemonstrantInnen verfolgten das sinnlose Treiben der Polizei völlig verdutzt.
Die Maßnahme wurde damit begründet, dass die Kletteraktion ein „Landfriedensbruch“ sei. Landfriedensbruch wird als Gewalttätigkeit aus einer Menge heraus definiert. Der Vorwurf der Polizei ist schlicht eine falsche Verdächtigung. Der gesamte Einsatz war einfach rechtswidrig. Solange die Beamten für ihr rechtswidriges Handeln nicht persönlich in Rechenschaft gezogen werden, wird der Willkür weiter gehen. Gerichtsbeschlüsse, die die Rechtswidrigkeit von polizeilichem Handeln bestätigen, haben für die Beamten selbst keinerlei Konsequenzen. Selbst bei rechtswidrigen Freiheitsentziehungen werden Strafverfahren gegen Polizeinbeamten wegen Freiheitsberaubung eingestellt, weil man ja von Beamten ja nicht verlangen kann, dass sie das Polizei- und Versammlungsgesetz kennen – hierzu habe ich öfter Artikel geschrieben (Gießen, Berlin).
Den Willkür zu Tage zu fordern finde ich aber wichtig. Daher berichte ich regelmäßig über Vorfälle die mich betreffen oder an mich herangetragen werden – und ich führe meine eigene Datei zum Thema Politisch Motivierte Polizeikriminalität (PMPK)– hier fließen die Klagen, die ich gegen die Polizei gewinne, ein. Die Polizei speichert schon bei einem einfachen Verdacht die DemonstrantInnen als „Gewalttäter Links“. Auch wenn der der Speicherung zugrunde liegender Verdacht ja völliger Unsinn ist und es nie zu einer Verurteilung kommt. Ich arbeite schon gründlicher, ich nenne Verfahren die ich vor Gericht geführt und gewonne
n habe. Die Dunkelziffer liegt natürlich deutlich höher, ich prozessiere nicht jedes Mal… und ich liste nur die eigenen Verfahren auf.
Die KletterInnen am großen Mast stiegen erst nachdem die Großdemonstration auf dem Kundgebungsplatz zurück war, ab. Die PolizeibeamtInnen hatten sich zu Beginn der Demonstration derart aggressiv gezeigt, dass viele Menschen deren gewaltsames Vorgehen beim Abstieg der KletterInnen fürchteten. Die Polizeibeamtnnen hatten den Bereich um den Mast mit Gittern abgesperrt. Ihnen nutzten diese nichts. Die KletterInnen überraschten sie indem sie geschickt Schwung nahmen und sich in die Menge der DemonstrantInnen abseilten. Die Menge jubelte und … schwups! Die AktivistInnen waren einfach verschwunden. Grüchte zur Folge wurde ein Aktivist durch Beamten in Zivil mit Hilfe einer BFE (Beweis- und Festnhameeinheit) wenige Minuten später vor der Demobühne festgenommen. Zahlreiche DemonstrantInnen zeigten sich entsetzt. Die Fahndung nach der anderen Kletterin blieb dagegen erfolglos. Der vor der Bühne festgenommener Aktivist kam erst nach gut drei Stunden Gewahrsam wieder frei. Erst auf wiederholter Nachfrage war ihm der Grund seiner Festnahme mitgeteilt worden: „Landfriedensbruch“.
In einer Polizeipressemitteilung hieß es am Tag darauf, die Polizei habe 14 Anzeigen wegen Beleidigung, Widerstand und Landfriedensbruch geschrieben.
Gegen die eigenen Beamten ermittelt sie aber sicher nicht – obwohl das Gesetzt Ermittlungen vom Amts wegen vorschreibt, wenn Polizeibeamten der Begehung von Straftaten verdächtig sind. Es ist offensichtlich, dass die Beamten mindestens eine Person verletzten und versuchten schwer zu verletzten (Kletternde Person) obwohl sie auf die Gefahrensitiation aufmerksam gemacht wurden, dass sie die Versammlung sprengten – oder es versuchten indem sie gegen die KletterInnen vorgingen. Eine Freiheitsberaubung dürfte auch drin sein, der Klassiker ist aber, dass ein solches Verfahren eingestellt wird, weil die Beamten ja nicht wissen konnten, dass sie rechtswidrig handelten… im Vorliegenden Fall wurden die Beamten aber mehrfach auf die Rechtswidrigkeit ihres Handeln, auf existierende Beschlüsse von Gerichten hingewiesen. Der Vorwurf „Landfriedensbruch“ fürs Mastklettern ist völliger Unfug und dient der Rechtfertigung von Maßnahmen, von denen die Polizei genau weiß, dass sie nicht zulässig sind. Die eine oder andrere angeblich beleidigende Äußerung von DemonstrantInnen dürfte in einem solchen Zusammenhang sozialadäquat gewesen sein.
Für die mitlesenden Staatsschnüffler ein bisschen Juranachhilfe, bevor mir eine falsche Verdächtigung der armen unwissenden Polizeibeamten vorgeworfen wird. Meine Überlegungen haben u.a. das folgende Urteil zu Grunde:
„Die Entscheidung darüber, auf welche Weise – mit welchen Mitteln und in welchen Formen – die Meinung kundgetan wird, bleibt grundsätzlich dem Grundrechtsträger überlassen (BVerfGE 60, 234 [241]; Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfaßt insbesondere grundsätzlich auch die Freiheit, selbst darüber zu entscheiden, wie ein Gedanke formuliert werden soll (BVerfGE 42, 143 [149f.]. Das Mittel der Meinungsäußerung kann beispielsweise die Verteilung eines Flugblatts (BVerwG, MDR 1978 S. 869) oder das Tragen einer Plakette oder eines Aufklebers sein, z.B. « Atomkraft – Nein Danke » (BVerwG NJW 1982, 118; BAG NJW 1982, 2888; BVerwG NVwZ 1988, 837). Insbesondere fällt auch eine demonstrative Meinungsäußerung grundsätzlich unter den Schutz des Art. 5 Abs 1 GG (BVerwGE 7, 125 [131]).
(vgl. Dr. Manfred Lepa (1990): « Der Inhalt der Grundrechte » (S. 118, zu Art. 5, Rd-Nr. 12+13))
Ganz ähnlich argumentiert das OVG Hamburg im Urteil vom 11.06.2013 (Az. 4 Bs 166/13 und 5 E 2200/13): „Dem Begriff der Versammlung unterfallen nicht nur Veranstaltungen, auf denen argumentiert und gestritten wird.“
Klettern ist auch eine zulässige Form für die Ausübung von Grundrechten nach Art. 5 und 8 GG.
Die gewalttätigen Beamten will ich nicht in den Knast sehen. Knast finde ich doof. Aber wenn man festtellt, dass die Beamten für ihr Amt nicht fähig sind, dann sollte sie von dienstlichen Demobegleitungen fern gehalten werden. Punkt. Ich brauche keine Polizei auf eine Demo. Die ist immer wieder Ursache für Provokation und Gewalt. Polizeiwillkür finde ich doof!
Die Bilder sind u.a. von PubliXviewing, Christina Pallitzsch
Presse-Berichte
TAZ ; Klimaretter ; Demoorga zur Kletteraktion ; Demoorga zum Polizeieinsatz (Solidarisches Signal an die KletterInnen,
Ab Minute 0:30)
Räumung des Kletters an der Ampel (Video)
Videos zur Situation am Mast: 1 ; 2 ;3 ;4
Kurze Aufnahme am Mast (Video)