Vor dem Amtsgericht Hamburg Harburg wird einer Atomkraftgegnerin den Prozess gemacht, weil sie bei einer Gleisdemonstration gegen einen Urantransport im Sommer 2014 im Hamburger Hafen eine Aktivistin, die sich an der Schiene festgekettet hatte, mit Lebensmittel versorgt hat. Der heutige 5. Verhandlungstag war von zahlreichen Beweisanträgen der Verteidigung geprägt. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft legte Wert darauf, zur Begründetheit und Zulässigkeit der Beweisanträgen ausführlich Stellung zu nehmen. Der Prozess wird am 11. Juli 2017 um 9 Uhr fortgesetzt.
Die Entscheidungen des Gerichtes fielen unterschiedlich aus und waren nicht immer nachzuvollziehen. Einige Anträge wurden zur späteren Entscheidung zurück gestellt, andere als wahr unterstellt oder wegen der Offenkundigkeit der zu beweisenden Tatsache abgelehnt. Andere Anträge wurde zurück gewiesen, weil es mehr um Rechtsfragen als um Tatsachen ging. Besagte Anträge erfüllten trotzdem ihren Zweck: Aufzuzeigen wie absurd der Vorwurf der Staatsanwaltschaft ist. Das Verabreichen von Lebensmitteln soll ein „Tatbeitrag“ zu durch die festgekettete Person angeblich begangenen Straftaten (Nötigung und Störung öffentlicher Betriebe) gewesen sein. So wurde unter Beweis gestellt, dass ein Mensch mehrere Tage ohne Essen und Trinken überleben kann, das Füttern der angeketteten Aktivistin sei deshalb kein wesentlicher Tatbeitrag zur Verwirklichung der Handlung gewesen, die Aktivistin habe ihre Aktion auch nach der Räumung ihrer Mitstreiterin fortgesetzt. Absurd ist auch, dass Mittäterschaft und Beihilfe zu einer noch gar nicht abgeurteilten Haupthandlung (das Festketten an der Schiene) verhandelt wird. Also Beihilfe zu einer vielleicht strafbaren Handlung?
Zahlreiche Beweisanträge hatten weiter die Gefahren der Atomkraft und die Bedeutung von Protest in seinen unterschiedlichen Formen zum Gegenstand. Die Anträge wurden im Hinblick auf die Prüfung der Verwerflichkeit einer möglichen Nötigung und das Vorliegen eines rechtfertigenden Notstandes gestellt. Bemerkenswert dabei, ein Antrag zur Gefährlichkeit und zur Halbwertzeit von Uran 238 das durch das Gericht zurückgewiesen wurde, weil die zu beweisende Tatsache „offenkundig“ und Gerichtsbekannt sein. Der Staatsanwalt musste aber zur Prüfung dieser „offenkundigen“ Tatsache eine Suchmaschine auf seinen Smartphone einsetzen. Er wollte nicht glauben, dass die Halbwertzeit von Uran Milliarden und nicht in Millionen Jahren beträgt, nämlich 4, 468 Milliarden Jahren. Staatsanwaltschaft und Gericht haben heute offenkundige Tatsachen gelernt! Der Prozess geht am 11. Juli weiter. Kommt vorbei!
Am morgigen Donnerstag um 10 Uhr wird ein anderer Prozess um eine Ankettaktion gegen einen Atomtransport fortgesetzt. Zwei Castorgegner stehen in Stralsund vor dem Landgericht.