Über Klimakrise und Behinderung, Ableismus in der Gesellschaft und in der Klimabewegung und Handlungsoptionen. Für mehr Intersektionalität zwischen Behindertengerechtigkeits- und Klimagerechtigkeitsbewegung.
Ich bin Cécile, Sprecherin der ISL (Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben) für Klimagrechtigkeit. Und in Antiatom-, Klima- und Behindertengerechtigkeitsbewegung aktiv. Mein Spitzname ist das Eichhörnchen, denn ich führe gerne Kletteraktionen durch. Ja, das geht auch wenn man im Rollstuhl sitzt.
Die Klimakatastrophe geht uns alle an. Menschen mit Behinderung sind besonders betroffen.
Sie wurden in Katastrophenschutz- und Evakuierungspläne kaum berücksichtigt.
»In durch die Klimakrise verursachten Notfällen haben Menschen mit Behinderung ein erhöhtes Risiko zu sterben«, war im Januar in der Fachzeitschrift »Nature Climate Change« zu lesen.
Für Chronisch kranke und behinderte Menschen, die etwa ein Achtel der Weltbevölkerung ausmachen, sind vor allem Hitzewellen und Flutkatastrophen gefährlich.
Das haben wir hierzulande im Ahrtal im Sommer 2021 erlebt. 134 Menschen kamen ums Leben. Darunter 12 Bewohnerinnen einer Behinderteneinrichtung der Lebenshilfe im rheinland-pfälzischen Sinzig. Sie sind ertrunken. Für sie gab es keine Evakuierung, anwesend war ein einziger Betreuer. Katastrophenschutzpläne berücksichtigen Menschen mit Behinderung nicht oder zu wenig.
Ich möchte ein anderes Beispiel beleuchten, die Verkehrswende.
Die heutige Verkehrspolitik ist ableistisch, das heißt Menschen mit Behinderung werden diskriminiert. Die Menschen werden durch nicht passende Infrastruktur behindert, die Gesellschaft behindert sie mit ihren Barrieren. Deutschland hat die UN-Behindertenrechtskonvention 2010 unterzeichnet. Die Unterschrift gaukelt guten Willen vor. Die Umsetzung lässt auf sich warten – etwa wie beim Pariser Klimaabkommen. Das Auto bedeutet heute für viele Menschen mit Behinderung Freiheit. Nicht wenige Menschen legen sich eins zu, weil es für sie die einzige Möglichkeit ist, die physischen Hindernisse in ihrem Alltag zu überwinden. Doch die Hindernisse sind kein Naturgesetz, wie oft suggeriert wird. Mich ärgert, dass Menschen mit Behinderung gar als Argument genutzt werden, um zu behaupten, man könne nicht auf das Auto verzichten. Selbst wenn nicht alle etwa wegen einer Behinderung verzichten können, das ist kein Argument dafür dass andere das Auto nicht abschaffen und barrierearme soziale Mobilitätskonzepte entwickeln
Ich bin Rollstuhlfahrerin und habe kein Auto und das ist gut so. Mich behindert aber die nicht passende Verkehrsinfrastruktur, wie die nicht barrierefreie Bushaltestelle um die Ecke, der Bus der mich mangels Platz stehen lässt. Viele Züge haben Treppen. Wenn ich mitfahren will, muss ich mich Tage zuvor anmelden, um Unterstützung mit Hublift beim Einsteigen zu erhalten. Spontan Bahnfahren ist so unmöglich. So wird es nichts mit Verkehrswende!
Und selbst wenn es mit der Anmeldung klappt, läuft es dann anders als Reibungslos ab. Ich habe deshalb das eine oder andere mal ein ICE an der Abfahrt gehindert um mein Recht mitzufahren durchsetzen. Im Sommer wurde aufgrund eines Streites um mangelnde Barrierefreiheit, es gab nicht ausreichend Platz für meinen Rollstuhl ich aus einem Zug mit Polizeigewalt geworfen – diese hat mich aus dem Zug geschleift, schmerzhaft angefasst. Es darf und kann keine Verkehrswende ohne Barrierefreiheit geben.
Dafür braucht es aber mehr Intersektionalität, mehr Zusammenarbeit zwischen Behindertengrechtigkeit- und Klimabewegung! Behindertengerechtigkeit ist die Übersetzung von Disability Justice. Es geht eine Bewegung die von behinderten, queeren BIPoC in den USA als Weiterentwicklung der Behindertenrechtsbewegung, die zu sehr auf die Erfahrungen von weißen cis Menschen fokussiert war und auch in ihren Forderungen nicht radikal genug das System hinterfragte, initiiert wurde. Es basiert auf 10 Prinzipien, unter anderen: Führung der am meisten Betroffenen, Intersektionalität, Antikapitalismus, Nachhaltigkeit, Solidarität zwischen verschiedenen Bewegungen, gemeinsame Befreiung…
Klimagruppen müssen Barrierefreiheit, die Rechte von Menschen mit Behinderung bei der Aufstellung ihrer Forderungen, bei Positionspiere und politischen Aktion aufnehmen. Und Betroffene als Expertinnen in eigener Sache, mit unterschiedlichen Behinderungen, ins Boot holen. Nicht die Vertreter-Vereine einladen, deren Geschäft die Bevormundung, das Betreiben von Heimen – ohne richtigen Katastrophenschutz, ist. Sondern Selbstvetretungs-Vereine wie die ISL aber auch informellere aktive Gruppen.
Barrieren gibt es außerdem im Aktivismus viele und diese werden zu wenig mitgedacht. Ich möchte heute aber den Schwerpunkt auf empowerment und Beispiele nennen wie diese Barrieren in der Praxis überwunden werden können.
Aktivistis mit Behinderung, die es satt haben, ausgeschlossen zu werden, fordern Teilhabe ein und Dinge haben sich bewegt. Einige Gruppe schreiben was zu Zugänglichkeit von ihren Treffen auf ihre Homepage, machen Bildbeschreibungen im Sozialmedia, das ist zb für Blinde wichtig.
Camps, leider nicht alle, sind zugänglicher geworden: Ob Befestigung von Wegen mit Platten, Großes barrierearmes Zelt, oder Ruhe-Bereich für Neurodiverse Menschen.
Bei Aktionen von Ende Gelände gibt es meist einen Barrierenarmen Finger. Wobei es dabei um die Zuwegung geht, nicht darum wie weit man in die Aktion geht. Im Sommer fand ich mich mit einer anderen rolltuhlfahrenden Person vor den Wasserwerfern wieder, dass ist auch die Titelseite der GWR gewesen, mit zahlreichen Artikel zum Thema dieser Rede, zu empfehlen. Schutzkonzept fehlen noch, die Polizei ist nicht barrierefrei, eine auf externe Beatmung angewiesene Person wurde mit Pfefferspray angegriffen.
Im Frühjahr 2022 hat sich die Gruppe Rollfender Widerstand gegründet. Es kommt von Laufen und Rollen. Menschen mit und ohne Behinderungen aus dem ganzen Bundesgebiet machen zusammen direkte Aktionen gegen Barrieren. Denn Menschen mit Behinderung brauchen Ally, Verbündete.
Im Sommer sind wir mit Rollstuhl an der Fassade eines nicht-barrierefreien Frankfurter Bahnhofs geklettert. Wenn es keine Aufzüge gibt, bringen wir unsere mit! Im Winter waren einige von uns in Lützerath, kamen mit Rollstuhl und Lastenrad (damit ein Mensch der nicht sitzen kann, liegt) durch die Polizeiketten bis zum Zaun durch. Es gab zudem eine Abseilaktion mit Rollstuhl, eine Zufahrt zum Tagebau wurde 4 Stunden blockiert. Die Barrieren wurden gemeinsam überwunden.
Kommt gern zum rollfenden Widerstand! Ich habe Flyer der Sommeraktion mitgebracht.
Und ich gebe Kletterkurse für Menschen mit Behinderung.
Www.fightableism.noblogs.org
www.blog.eichhoernchen.fr
Lasst uns gemeinsam Barrieren brechen und gegen die Klimakrise ankämpfen!
Foto: Rollfender Widerstand, Aktions im August 2022