Auf der behindert verrückt Pride Parade in Berlin.
Ich bin Cécile, Sprecherin der ISL (Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben) für Klimagerechtigkeit. Und in Antiatom-, Klima- und Behindertengerechtigkeitsbewegung aktiv. Mein Spitzname ist das Eichhörnchen, denn ich führe gerne Kletteraktionen durch. Ja, das geht auch wenn man im Rollstuhl sitzt. Ich gebe Kletterkurse für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen.
Ich möchte erklären was Klima-Gerechtigkeit und Behinderten-Gerechtigkeit bedeuten und warum sie zusammen gedacht werden müssen.
Die Klimakatastrophe geht uns alle an. Wir, Menschen mit Behinderung sind besonders betroffen. Die Menschen tragen nicht alle gleich zum Klimawandel bei. In reichen Ländern konsumieren die Menschen viel und sie verbrauchen viele Rohstoffe wie Öl, Kohle, Gas. Der Kapitalismus basiert auf Wachstum, das heißt unsere Gesellschaft will immer mehr herstellen, immer mehr verkaufen, immer mehr besitzen. Das geht aber nicht weil die Erdressourcen begrenzt sind und was wir an Fossilen Ressourcen die aus der Erde kommen, geht in die Luft und trägt zur Erderwärmung bei. Die Menschen in armen Ländern verbrauchen dagegen deutlich weniger Ressourcen Sie sind aber oftmals am stärksten von den Folgen der Klimakrise betroffen. Das ist ungerecht. Wenn man das ändern will, spricht man von Klimagerechtigkeit.
Noch ungerechter ist es aber für Menschen mit Behinderung.
80% der behinderten Menschen leben im globalen Süden, in ärmeren Ländern, wo die Klimakrise noch viel heftiger wütet als hier. Sie haben dabei weniger Schutzmöglichkeiten, weniger Fluchtmöglichkeiten als die Nicht-Behinderten. Weniger Möglichkeiten sich beispielsweise bei einer Flutkatastrophe in Sicherheit zu bringen – oder auch in ein anderes Land zu gehen.
»In durch die Klimakrise verursachten Notfällen haben Menschen mit Behinderung ein erhöhtes Risiko zu sterben«, war im Januar in der Zeitschrift »Nature Climate Change« zu lesen. Also das sagt auch die Wissenschaft.
Für Chronisch kranke und behinderte Menschen, die etwa ein Achtel der Weltbevölkerung ausmachen, sind vor allem Hitzewellen und Flutkatastrophen gefährlich.
Das haben wir auch hierzulande zum Beispiel im Ahrtal im Sommer 2021 erlebt. 134 Menschen kamen ums Leben. Darunter 12 Bewohner*innen einer Behinderteneinrichtung der Lebenshilfe im rheinland-pfälzischen Sinzig. Sie sind ertrunken. Für sie gab es keine Evakuierung, anwesend war ein einziger Betreuer. In diesem Sommer sind drei ältere behinderte Menschen in Sizilien bei Waldbränden gestorben, weil sie nicht evakuiert werden konnten und nicht alleine weg konnten. Katastrophenschutzpläne berücksichtigen und Menschen mit Behinderungen nicht oder zu wenig.
Oder wie sieht der Plan aus, wenn ich als Rollstuhlfahrerin aus einem Gebäude evakuiert werden soll und auf dem Aufzug steht „im Brandfall nicht benutzen“? Wo gibt es Informationen? Sind sie in einfacher Sprache?
Wir brauchen Behindertengerechtigkeit! Das ist die Übersetzung von Englischen Begriff Disability Justice. Es geht um eine Bewegung, die von Behinderten, queeren, BIPoC in den USA als Weiterentwicklung der Behindertenrechtsbewegung ins Leben gerufen wurde. Konkret heißt das: Nichts ohne uns über uns, wir wollen uns an die Erarbeitung von Lösungen zum Umgang mit der Klimakrise beteiligen und in Sache Barrierefreiheit, Bedürfnisse von MmB sind wir Experte in eigener Sache. Es ist aber auch wichtig intersektional zu denken, das heißt mit anderen zusammen zu kämpfen. Zb mit von Rassismus Betroffenen, die auch diskriminiert werden. Sich austauschen, sich gegenseitig unterstützen.
Bei dem Kampf gegen die Klimakrise, ist es wichtig, dass Barrierefreiheit, die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung in Forderungen und Aktionen der Klimagerechtigkeitsbewegung Einklang finden. Es ist wichtig, dass MmB und ihre Interessenvertretungen sich beteiligen.
Und jetzt etwas aus der Praxis. Ich bin nicht nur bei der ISL aktiv.
Im Frühjahr 2022 hat sich die Gruppe Rollfender Widerstand gegründet. Es kommt von Laufen und Rollen. Menschen mit und ohne Behinderungen aus dem ganzen Bundesgebiet machen zusammen direkte Aktionen gegen Barrieren. Dort bin ich auch aktiv.
Im Sommer 2022 sind wir mit Rollstuhl an der Fassade eines nicht-barrierefreien Frankfurter Bahnhofs geklettert. Wenn es keine Aufzüge gibt, bringen wir unsere mit! Wir hingen mit unseren Rollstühlen in seilen Gesichert mit einem Banner. Darauf stand „ Mobilitätswende für alle!“ Wir brauchen ökologische Veränderungen, die sozial und inklusiv barrierefrei sind.
Im Winter dieses Jahres waren einige von uns in Lützerath bei den Klimaprotesten gegen die Abbagerung des Dorfes für die Gewinnung von Kohle.
Wir waren mit Rollstuhl und Lastenrad, für eine Person die liegen muss, unterwegs. Wir sind durch Polizeiketten bis zum Zaun um das Dorf durchgedrungen, ich war auf der Titelseite der Zeitung Frankfurter Rundschau. Zu sehen war, auf dem Bild der Titelseite, wie vier Polizisten mich im Rollstuhl sitzend, weg tragen. Es gab zudem eine Abseilaktion mit Rollstuhl an einer Brücke, eine Zufahrt zum Tagebau wurde 4 Stunden blockiert. Die Barrieren wurden gemeinsam überwunden.
Kommt gern zum rollfenden Widerstand und lasst uns gemeinsam Barrieren brechen und gegen die Klimakrise ankämpfen!
Literatur / weitere Infos
- Bund-Jugend Broschüre « Behrinderte verrückte Klimalösungen » mit zahlreichen Beiträgen von Behinderten, von Ableismus betroffenen Menschen
- Ableismus Broschüre der ISL
- Video (Baum)Kletterkurse für Menschen mit Behinderung