Es gibt zum so geannten « Schwarzen Donnerstag » in Stuttgart Neuigkeiten. Inhalte aus dem Mailverkehr zwischen diversen CDU PolitkerInnen sind aufgetauscht: 20. September 2010 um 16:33 Uhr mailt Gönner (CDU) laut “Spiegel” an Mappus (CDU Regierungschef): „Es wurde gestern vereinbart, dass die Bäume ab dem 1.10. gefällt werden. Ziel ist, dass bis zu deiner Regierungserklärung alles mit den Bäumen erledigt ist.“Mappus antwortet: « Super. Vielen Dank.“ Am gleichen Tag bespricht er sich mit der Polizei, aus dem Protokoll:« MP erwartet offensives Vorgehen gegen Baumbesetzer.“
Da ich in der Angelegenheit namentlich von Mappus erwähnt worden bin – nämlich im Ausschuss vor dem Parlament -, gebe ich den Verlauf der Ereignissse hier wieder. Es handelt sich um eine Zusammenfassung von ROBIN WOOD Verkehrsreferentin Monika Lege
Erinnert sich jemand an die “brutalstmögliche Aufklärung” des Spendenskandals in der hessischen CDU? Dieses Wort hat Dirk Metz erfunden, seinerzeit PR-Berater von Roland Koch. Dieser war Minsterpräsident in Hessen, bis er 2010 zum Baukonzern Bilfinger Berger wechselte, übrigens ein Spitzenreiter unter den Baukonzernen bei öffentlichen Aufträgen. Dirk Metz kam bei Stefan Mappus unter, 2010 Ministerpräsident in Baden-Württemberg mit einem ausgewachsenen Bahnhofsproblem. Sein Imageberater Metz riet ihm, vor den Tausenden Stuttgarter Bürgern, die täglich für den Erhalt ihres Schlossgartens demonstriertren, “standhaft und kämpferisch” den “entschlossenen MP, der nicht zurückweicht” zu geben. “MP” steht für Ministerpräsident, in anderem Zusammenhang für “Maschinenpistole”.
In der Nacht zum 7. September 2010 riegelt eine Hundertschaft der Polizei den Stuttgarter Schlossgarten ab. Schwarz vermummte SEK-Beamte holen eine Handvoll Kletter_innen von ROBIN WOOD und den Parkschützern von einem Baum und zerstören ein hölzernen Baumhaus. Das Martialische des Einsatzes führt jedoch dazu, dass noch mehr Bügerinnen und Bürger für den Erhalt des Schlossgartens auf die Straße gehen. Am 15. September erhebt Bundeskanzlerin Angela Merkel überraschenderweise mit einer Erklärung vor dem Bundestag den umstrittenen Tiefbahnhof in Stuttgart zu einem Projekt von nationaler Bedeutung: „Vielmehr wird genau die Landtagswahl (in Baden Württemberg, ML) im nächsten Jahr die Befragung der Bürger (…) über Stuttgart 21 und viele andere Projekte sein, die für die Zukunft unseres Landes wichtig sind.“
Am 17. September besetzen Aktive von ROBIN WOOD und den Parkschützern erneut vier Bäume im Schlossgarten. Am 19. September findet eine Besprechung im von Tanja Gönner, CDU. geführten Landesministerium für Umwelt und Verkehr statt. Angeblich existiert kein Protokoll von dieser Sitzung, doch am 20. September um 16:33 Uhr mailt Gönner laut “Spiegel” an Mappus: „Es wurde gestern vereinbart, dass die Bäume ab dem 1.10. gefällt werden. Ziel ist, dass bis zu deiner Regierungserklärung alles mit den Bäumen erledigt ist.“Mappus antwortet: „Super. Vielen Dank.“ Am gleichen Tag bespricht er sich mit der Polizei, aus dem Protokoll: “MP erwartet offensives Vorgehen gegen Baumbesetzer.“
Am 23. September legt eine Person im Bundeskanzleramt einen “Gesprächsführungsvermerk” für die “Frau Bundeskanzlerin” zur Vorbereitung auf ein Gespräch mit Bahnchef Grube am Folgetag an. Am 25. September veröffentlicht Focus online ein Interview mit Mappus. Es ist am Montag, den 27. September in der Printausgabe. Darin Mappus wörtlich: “Und dann gibt es einen nicht unerheblichen Teil von Berufsdemonstranten, zum Beispiel von Robin Wood, die der Polizei das Leben sehr schwer machen. Bei diesem Teil nehmen Aggressivität und Gewaltbereitschaft zu.” ROBIN WOOD fordert ihn umgehend auf, seine falschen und diffamierenden Äußerungen zurück zu nehmen, aus der ROBIN WOOD-Pressemitteilung vom 27. September 2010: “Mappus, der wegen seiner politischen Fehlentscheidungen beim S21-Projekt erdrutschartige Verluste seiner Partei bei der nächsten Landtagswahl befürchten muss, setzt nun offenbar darauf, gegen die breite und beharrliche Protestbewegung zu polemisieren, sie zu spalten und zu kriminalisieren. Damit redet er in aggressivem Stil selbst die Gewalt herbei.”
Am Morgen des 30. September, einem Donnerstag, lässt ROBIN WOOD, vertreten von Anwalt Oliver Tolmein, Mappus eine Unterlassungserklärung zustellen, während in Stuttgart eine angemeldete und genehmigte Schülerdemonstration in den Schlossgarten zieht. Und dann beginnt die Katastrophe: Mit Wasserwerfen, Pfefferspray und Schlagstöcken geht eine hochgerüstete Polizei gegen die zu dieser Tageszeit dort demonstrierenden Schüler und Rentner im Schlossgarten von. Ein Großaufgebot riegelt den Park ab. Kurz nach Mitternacht kreischen die Motorsägen. Wie von Tanja Gönner angekündigt, “ab dem 1.10. (…) alles mit den Bäumen erledigt”. Es gab Hunderte zum Teil schwer Verletzte, die Bilder der brutalen Parkräumung in der Baden-Württembergischen Landeshauptstadt gingen um die Welt.
Am 5. Oktober hält Mappus seine Regierungserklärung im Landtag. Am 8. Oktober beantragt ROBIN WOOD eine einstweilige Verfügung vor dem Hamburger Landgericht. Die Medienhetze im Focus habe die Polizeigewalt vorbereitet. Am 12. Oktober fordert die Stuttgarter Staatskanzlei die Akten an. Am 2. November lehnt das Landgericht die Verfügung ab und verweist ins Hauptverfahren. Inzwischen steht der Untersuchungsausschuss des Baden-Württembergischen Landtages zum “Schwarzen Donnerstag” bevor. Am 4. November unterrichtet Michael Pope, damals Referatsleiter der seltenen Kombination von Innenpolitik und Verkehr, das Büro Mappus und weitere Beamte über die Aktenweitergabe an den Ausschuss, laut “Spiegel“: “Die Aktenlage ist z. T. noch immer unübersichtl
ich. Frühestens ab 8.11. kann übersehen werden, wie lange wir für eine widerspruchsfreie Aufarbeitung der Akten benötigen, um spätere Überraschungen in Form von neuen Schriftstücken zu vermeiden.“
Offenkundig braucht die “widerspruchsfreie Aufarbeitung” der Akten für den parlamentarischen Untersuchungsausschuss Zeit. Noch am 25. November prüft sie eine Justiziarin daraufhin, ob “einem eventuellen Beweisantrag auf Vernehmung der Bundeskanzlerin nachgekommen werden müsste. ” Spiegel online: Hintergrund sei eben jene Telefonnotiz aus dem Innenministerium vom Abend des 30. September, heißt es in der Mail, die an den damaligen Referatsleiter Innenpolitik und Verkehr, Michael Pope, adressiert war. Erst am 26. November legt das damlas von Heribert Rech geführte Innenministerium die Akten dem Untersuchungsausschuss vor.
Am 6. Dezember erklärt Mappus im Handstreich den Rückkauf von ENBW für knapp fünf Milliarden Euro – unter Umgehung des Parlaments. Am 10. Dezember reicht ROBIN WOOD Unterlassungsklage gegen Stefan Mappus beim Landgericht Bremen ein. Am 22. Dezember sagt Mappus vor dem Untersuchungsausschuss zum schwarzen Donnerstag aus. Er nimmt auch Stellung zur ROBIN WOOD-Klage und bekräftigt, es gebe „bei diesem Thema Berufsdemonstranten, und es ist in Deutschland hoffentlich noch nicht verboten, wenn man Fakten beschreibt“. Als Beleg zitiert er eine Spiegel-Veröffentlichung über die Aktivistin Cecile Lecomte. ROBIN WOOD ergänzt darufhin seine Klagebegründung um diese Aussagen. Mappus lässt sich von der renommierten Stuttgarter Kanzlei Löffler-Wenzel-Sedelmeier vertreten, “der Löffler” gilt als Standardwerk für Medienrecht.
Am 4. Februar 2011 stellt das Landgericht Bremen Mappus die Klage von ROBIN WOOD zu und setzt eine Frist zur Klageerwiderung von drei Wochen. Am 23. Februar beantragt die Kanzlei Löffler eine Fristverlängerung bis zum 1. April, dem das Landgericht postwendend nachkommt. Am 27. März werden Stefan Mappus und die CDU in Baden-Württemberg krachend abgewählt. Am 31. März geht beim Landgericht die Stellungnahme der Kanzlei Löffler et.al. zur ROBIN WOOD -Klage ein, gerade rechtzeitg vor Fristablauf am 1. April. Das Datum ist immer ein gutes Omen für die Wahrheitsfindung.
Die jetzt in den Ermittlungsakten zu einem Verfahren gegen zwei am “Schwarzen Donnerstag” eingesetzte Polizeibeamte aufgetauchten Emails belegen: Der Untersuchungsauschuss des Landesparlaments wurde von der Landesregierung, sowohl von gewählten als auch von verbeamteten Vertreter_innen der Exekutive, in seinen Rechten verletzt.
Die von Bundeskanzlerin Merkel am 15. September 2010 formulierte Bedeutung von Stuttgart 21 und dem Bürgerprotest “für die Zukunft unseres Landes” gilt auch für den Schwarzen Donnerstag und seine bis heute nicht erfolgte Aufklärung.
PS: Die Verlegung des Stuttgarter Kopfbahnhofs unter die Erde ist auch nach dem grün-roten Regierungswechsel ein finanzielles und technisches Desaster. Für sehr viel Geld baut Stuttgart Kapazität auf der Schiene ab und schafft sich eine Bahnhofsruine mit angeschlossenem Einkaufszentrum.
Monika Lege