Am morgigen Tag mache ich mich auf dem Weg nach le Chefresne in die Normandie. Am Wochenende gibt es dort Aktionstage gegen den Bau einer Hochspannungsleitung, die mit einem neuen Atomreaktor (EPR) einher geht. Es ist damit zu rechnen, dass die militärische Polizei massiv Präsenz zeigt… den dem Widerstand will der Staat schon jetzt das Werkzeug nehmen: wie heute mit der rechtswidrigen Räumung des Wasserturms
Widerstand gibt es entlang des 150 Kilometer langen geplanten Trassenverlaufs. Le Chefresne ist dabei der größte Kristallisationspunkt des Widerstandes.
Die Situation spitzt sich dort immer weiter zu. Im Wasserturm (château d’eau), der heute geräumt wurde, hatte der Verein Percy sous tension, der gegen den Bau der Hochspannungsleitung kämpft, seinen Hauptquartier. Dass der Wasserturm der Kommune gehört und der Verein im Besitz eines Mietvertrages mit der Kommune ist, interessiert die für den Einsatz zuständige Präfektur nicht. Der Ex-noch-Oberbürgermeister von Le Chefresne (Siehe Artikel über den Rücktritt vom Stadtrat), Jean Claude Bossard, bezeichnet die Handlungen von militärischen Polizei und Präfektur als „einer Diktatur würdig“. Die Situation ist in der Tat Kafkaeske – aber ernst.
In wenigen Tagen, kann ich mir selbst „in echt“ einen Überblick über die Situation verschaffen. Wann ich es dann schaffe, über das Geschehen zu berichten, weiß ich nicht. Ich nehme Aufnahmegerät und Fotoapparat zur Dokumentation mit!
Heute gebe ich die Situation mit den Worten von Jean Claude Bossard in Eichhörnchen-Übersetzung wieder.
Kurzvorab zum besseren Verständnis:
Die Präfektur ist eine regionale Verwaltungsbehörde mit weitreichenden Kompetenzen. Nicht selten kann der Préfet (Behördenleiter, er wird nominiert und nicht gewählt) Maßnahmen anordnen, die Entscheidungen von gewählten Ortsversammlungen (Stadträten) brechen.
In Le Chefresne hat der gesamte Stadtrat (uabhängig von Parteizugehörigkeit) seinen Rücktritt mit Wirkung zum 1. Juli erklärt. Hintergrund ist die Ingewahrsamnahme des Oberbürgermeisters, der auf die Einhaltung einer Stadtverordnung, die Bauarbeiten für die Hochspannungsleitung auf kommunalem Grund untersagt, bestand und sich den ersten Baufahrzeugen am 6. Juni in den Weg stellte. Die Verordnung wurde nicht einmal von der Präfektur für nichtig erklärt (wie es ansonsten üblich ist, wenn die Behörde sich durchsetzt)
Der Préfet sagt nun, der OB möge bitte bis zu den Wahlen September 2012 im Amt bleiben…
Was der OB davon hält, erklärte er in einer Mail heute. Hier die Übersetzung.
„ die Mafia setzt ihre Arbeit im Chefresne fort.
Heute morgen (20.06.2012), Aufbruch der Polizei, die das Stromnetzunternehmen RTE schützt, mit Druckstoß im Wasserturm, um die Anwesenden zu räumen. Die Polizei besetzt nun das Gebäude, obwohl ein rechtsgültiger Mietvertrag mit dem Verein Percy sous tension besteht !!!
Die Ligue der Droits de l’homme, eine Menschenrechtsorganisation, wurde auf Grund dieser einer Diktatur würdige Handlung eingeschaltet.
Währenddessen verlangt die Präfektur vom Oberbürgermeister des Chefresne, dass er seine Arbeit bis September fortsetzt – obwohl dieser keine Legitimität mehr hat…
Ein irrsinniger Situationskomik, ich warte auf die Gesetzte, wonach ich dazu verpflichtet wäre, weiter zu arbeiten, und dies, nicht um mehr zu verdienen/erreichen, sondern um nichts zu erreichen. Gleichzeitig eignet sich der Préfet, gegen geltendes Miet-Recht, kommunales Besitz- und Eigentum (der Wasserturm) an.
Wir treffen uns heute Nachmittag um 14 Uhr, um die Anti-HSL-Karavane abzuholen und die illegale Besetzung des Wasserturms durch den Préfet festzuhalten.
Grüße !
Jean-Claude BOSSARD »
Video zum Widerstand (Französisch)