Am 27. April 2009 demonstrierte Kletteraktivistin Cécile Lecomte zum dritten Mal mit Einsatz von Klettertechnik in luftiger Höhe oberhalb der Bahnlinie Gronau-Münster gegen die gefährliche Verschiebung von Atommüll quer durch Europa und die Welt. « aus dem Sinn und aus den Augen, das ist doch eine Täuschung. Es gibt weltweit keine Lösung zum Atommüllproblem » erklärte die Aktivistin damals. Mit ihrer Abseilaktion an der Autobahnbücke bei Münster-Häger wollte sie die Öffentlichkeit auf die Gefahren der Atomindustrie aufmerksam machen und die Menschen zum Handeln bewegen. Was ihr auch gelang: Der Atommülltransport fuhr nach Pierrelatte in Frankreich. Dies wurde damals erst durch die Aktion des Eichhörnchens, wie Céciles Spitzname lautet, und die daraufhin folgenden Nachfragen von Journalisten bekannt (1).
Die Münsteraner Staatsanwaltschaft wollte der Aktivistin den Prozess machen.
Cécile wurde von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, einen Polizisten verbal genötigt zu haben, … der sie beinahe ins Lebensgefahr gebracht hätte… Dieser wollte sie nämlich mit bloßen Händen hochziehen – was zu einer Beschädigung des Seils an der Betonkante der Brücke geführt hätte… Am Seil hing die Aktivistin, in ca. 5 Meter Höhe… also hätte sie sich sodann in Lebensgefahr befunden.
« Ich werde es dem Gericht nicht einfach machen! Die Auslegung der Tat als gewaltsame Nötigung halte ich für durchaus Recht- und Verfassungswidrig – und politisch motiviert!“ erläuterte Cécile bereits im Januar 2010, als über ihren Einspruch zum ersten Mal verhandelt wurde. Der kämpferische Auftritt der sich selbst verteidigende Französin, überraschte die Richterin. Die Verhandlung platzte nach einer Stunde. Am 28. März 2011 hätte der Prozess von neuem an beginnen sollen.
Der Termin wurde allerdings überraschend aufgehoben und das Verfahren eingestellt. Cécile sieht diese Einstellung im Zusammenhang mit dem aktuellen politischen Kontext um die Atomkraft, auch wenn das Gericht offiziell mit „Geringfügigkeit“ argumentiert. Die Meldungen über eine atomare Katastrophe in Japan reißen nämlich nicht ab und geben AtomkraftgegnerInnen, die seit Jahrzehnten vor der täglichen Gefahr eines GAU warnen recht.
Über die Einstellung freut sich die Aktivistin. Kritik übt sie trotzdem. „ Das Verfahren war einfach von vorne rein absurd. Die Einstellung wegen Geringfügigkeit ebenso. In meinen Augen ist es keine Strafbare – auch nur „gerinfügige“ – Handlung, wenn ich einen Polizisten darauf hinweise, dass er mein Leben gefährdet. Das eigentlich Skandal ist, dass ich überhaupt angeklagt wurde.“
Für die Aktivistin ist diese Einstellung, nach dem Freispruch vom Amtsgericht Steinfurt (2) von Juni 2009 für eine andere luftige Protestaktion gegen einen Transport nach Russland (diese fand im Januar 2008 statt) sowie der draufhin folgenden Stopp der Atommüllexporte nach Russland, ein weiterer Erfolg.
Und Einschüchtern lässt sich das Eichhörnchen so oder so nicht. Mit einer spektakulären 3-stündigen Abseilaktion aus der 75 Meter hohen Fuldatalbrücke protestierte die Kletterkünstlerin gegen den Jüngsten Castortansport nach Gorleben (3).
Und so lange die Gefahr der Atomkraft nicht gebannt ist, will sie sich für eine Atomkraftfreie Welt weiter einsetzen. Für Aufsehen und Kopfzerbrechen bei der Justiz sorgen werden ihre (Kletter)aktionen noch sorgen…
Eichhörnchen, den 31.3.2011
-
Bericht über die Aktion von April 2009 in Münster: http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/anti-atom/Luftakrobatik-Atomtransporte.html#27.-28.4.09
-
Bericht zur einer anderen Aktion die mit einem Freispruch endete: http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/anti-atom/Luftakrobatik-Atomtransporte.html#16.1.08
-
Bericht über die Abseilaktion von November 2011: http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/anti-atom/Luftakrobatik-Atomtransporte.html#Castor_2010