Am Freitag demonstrierte ich zusammen mit 3 weiteren Eichhörnchen in Bäumen an der Castorstrecke bei Fulda. Ich wurde im Anschluss an diese Aktion von der Polizei festgenommen, zur JVA Preungesheim gebacht und kam erst 3 Tage später, heute früh um 5 Uhr morgens, frei.
Die Nachricht über meine Verhaftung machte die Runde. Nur die wenigen wissen aber, was genau Sache war. Im Gefängnis habe ich eine Art Tagebuch, das die Ereignisse der letzten Tage umfasst, geführt. Ich veröffentliche es nach und nach.
- Castor Knast- und Aktionsbericht Teil I – Brutale Landung im Gefängnis
Warum demonstrieren Sie nicht in Frankreich? fragt mich vorwurfsvoll von oben herab die Anstaltsschwester. Ich bin erschöpft und antworte im Halbschlaf, Grenzen seien für mich nicht wichtig, die Radioaktivität würde ja an Ländergrenzen keinen Halt machen. « Immerhin können Sie Deutsch » Stellt sie fest. Das Gespräch ist beendet.
Diese Fremdenfeindlichkeit erinnert mich an meinem mehrtägigen Aufenthalt im Braunschweiger Polizeigewahrsam beim Castor 2008. Keine gute Erinnerung. Aber ich stecke ein… ich will nur noch schlafen. Schmerztabletten darf ich bekommen – meine Rheumatabletten nicht. Der Wirkstoff ist der Schwester nicht bekannt. Also bekomme ich trotz ärztlich attestierter Schwerbehinderung, meine Rheumabasistherapie nicht. Ich stecke weiter ein. Ich fühle mich nicht in der Lage zu kämpfen. Ich habe anstrengende Castortage hinter mir, seit über 30 Stunden nicht geschlafen und die letzte Nacht bei eisiger Kälte und Wind in einem Baum an der Castorstrecke verbracht. Ich will nur noch schlafen und die Erlebnisse der letzten Tage verarbeiten. Ich lasse mich durch unzählige Türen und Gitter führen, ich verliere dabei die Orientierung. Zu viel Stacheldraht und Beton – ich vermisse meinen Bauwagen im Grünen! Mein Hab und Gut wird mir weg genommen, ich erhalte statt dessen Anstaltskleidung. Meine Bücher darf ich auch nicht mit auf die Zelle – Oh pardon Haftraum wie es hier heißt – nehmen. Auskunft darüber, wann ich aus dem Gefängnis entlassen werde und wie ich eine Vertrauensperson benachrichtigen kann, will mir die Schließerin der Nachtschicht nicht geben – ich werde auf « morgen » verwiesen.
Der Schlüssel dreht sich in der Tür. Ich bin nun alleine mit meinen Gedanken und Gefühlen. Ich sitze im Altbau, im Flügel B2 des geschlossenen Vollzugs der JVA Preungesheim ein. Das ist nicht mein erster Aufenthalt im Gefängnis und ich weiß, dass ich sehr bald wieder heraus kommen werde. Den unterschied zum kleinen etwas gemütlicheren Gefängnis von Lüneburg, wo ich bereits einen Tag 2008 einsaß, weil ich ein 5 Euro Bußgeld wegen Anticastor-schienenspaziergang nicht zahlen wollte, merke ich deutlich.
Irgendwie ist es alle Jahre wieder das selbe, wenn der Castor kommt: der Polizeistaat kommt und die Grundrechte gehen – und ich lande immer wieder in einer traurigen kahlen Zelle – Weil ich zu meinen Handlungen und Überzeugungen stehe. Im Radio dröhnt: » Der Castor kommt nur langsam voran. Zahreiche Blockaden behindern seine Fahrt. » Das freut mich schließlich habe ich auch meinen Beitrag dazu geleistet. Zur Ruhe komme ich aber in dieser Situation nur schwer. Ich schlafe schließlich vor Erschöpfung ein und kriege es kaum mit, wenn das Licht stündlich » Zur Lebenskontrolle » kurz durch die Schließerin eingeschaltet wird.
Um 8 Uhr werde ich von einem Wachtmeister geweckt. Kurze Zeit später darf ich duschen. Ich hole mir Warmwasser und Brot für das Frühstück in der Küche und treffe dabei auf andere Gefangenen. Es ist aber nur ein kurzes Gespräch möglich, ich werde in meine Zelle zurück gepfiffen und eingesperrt. warum, verstehe ich erst am Nachmittag. Beim Warten vor der Dusche hat mir eine Frau erzählt, sie sei auch eine « Durchgangsgefangene » (damit sind neu Ankömmlinge gemeint, die nur wenige Tage bleiben – Neuankömmlige werden sonst eher « Zugang » genannt). Sie ist bereits seit sechs Tagen « auf Schub ». Sie wird alle paar Tagen von einem Knast zum anderen per Gefangenenlinienbus gefahren. In der Pfalz angekommen, wird sie eine 2 jährige Haftstrafe wegen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz absitzen müssen. Knast als Antwort auf gesellschaftliche Probleme… das ist ein bisschen wie beim Atommüll… Aus den Augen und das Problem wird scheingelöst. Zwei Jahre hinter sich hat dagegen eine Frau, die im Putzdienst arbeitet, sie gibt mir einen kurzen Einblick in das Gebäude und die Regeln. Ich schäme mich fast, nur 3 Tage verbringen zu müssen – und frage mich bereits wie man es in einem derart menschenfeindlichen Umfeld so lange aushalten kann, ohne einen größeren Schaden davon zu tragen. Das Gefängnis soll eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft ermöglichen – das steht auf dem Papier, die Realität ist anders. Gefängnis zerstört Menschen.
Zum Teil II – Castorprotest hoch in den Bäumen