oder: wenn die Polizei sich auf den Schlips getreten fühlt.
Ich habe in letzter Zeit diverse Auskunftsersuchen bei Polizeibehörden gestellt. Menschen, die ihr Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung wahr nehmen und in Erfahrung bringen möchten, was die Behörden über sie / ihn speichern, sei an dieser Stelle der „Generator für Auskunftsersuchen“, ein von Datenschutzaktivist*innen entwickeltes Programm, empfohlen. Ich habe das Programm genutzt und nach Auskunftserteilung auch noch die Löschung der gespeicherten Daten beantragt. Die Polizei speichert jede Menge Daten, mit der Begründung sie habe ja einen Strafvorwurf erhoben, also sei die Speicherung gerechtfertigt – auch wenn die Vorwürfe niemals gerichtlich bestätigt wurden und die Verfahren eingestellt sind. Die Polizei betreibt ein In-Sich-Geschäft indem sie die eigene Speicherungspraxis mit der eigenen Erhebungspraxis begründet. Und weil es doch zur Begründung der Speicherung etwas mager ist, argumentiert sie dann noch mit meiner Gesinnung und meiner allgemeinen politischen Betätigung. Ich habe hier köstliche Auszüge aus Stellungnahmen und Bescheide von Polizeibehörden gesammelt.
-
Der Überwacher versteht keinen Spaß, wenn man den Spieß umdreht
Die Polizei fühlt sich auf den Schlips getreten, wenn ich Informationen zu rechtswidrigen polizeilichen Maßnahmen veröffentliche – und führt dies als Begründung zur Speicherung von Daten über meine Person aus:
Aus einer Stellungnahme der Polizeidirektion Osnabrück vom 14.01.17 (VG Osnabrück Az. 6 A 308/16)
Ich habe erwidert:
[…] Die Speicherungen werden ausschließlich mit der Gesinnung und politischen Betätigung der Klägerin begründet. Politisches Engagement verbunden mit der Ausübung von Grundrechten ist jedoch an sich kein Grund zur Speicherung von Daten. Auch ist es nicht verboten, nicht strafbare Handlungen zu wiederholen. […] Es kann nicht angehen, dass die Polizei nach Belieben unbegründete Vorwürfe erhebt / behauptet und dann die Löschung mit der Tatsache, dass sie mal den Vorwurf erhoben hat, ablehnt. Das ist ein unzulässiges In-Sich-Geschäft. […]
Offensichtlich fühlt sich die Beklagte auf den Schlips getreten, weil die Klägerin die Praxis von Polizeibehörden und zahlreiche illegalen Maßnahmen gegen politisch engagierten Menschen öffentlich kritisiert. Es scheint als sei die Entscheidung, die Daten nicht zu löschen, eine Reaktion darauf. Unliebsame Menschen sollen hier bestraft werden. Es mag sein, dass dies für eine Polizeibehörde unangenehm ist, wenn eine Sammlung rechtswidriger Polizeimaßnahmen veröffentlicht wird. Dies entspricht jedoch der Wirklichkeit. Die im angesprochenen Artikel aufgeführten polizeilichen Maßnahmen (über 20!) waren allesamt rechtswidrig, dies haben Gerichte festgestellt und die Quelle (Aktenzeichen) ist angegeben – gleiches kann die Osnabrücker Polizeibehörde nicht behaupten, die Vorwürfe, die sie erhebt, wurden nicht gerichtlich bestätigt! Es ist gerade unverschämt, die Speicherung von Daten in einer Polizeidatei mit dem „Klageverhalten“ der Klägerin und die „quantitative Nennung“ zu begründen! Die „quantitative Nennung“ belegt einfach und dass es sich um keinen Einzelfall handelt, dass Polizeibehörden regelmäßig rechtswidrig gegen die Klägerin vorgehen. Dass die Klägerin sich damit „rühmen“ möchte ist eine Interpretation der Beklagten ins Blaue hinein. Der Klägerin geht es um die Verteidigung ihrer Grundrechten. Ihr Fall zeigt, dass dies nicht selbstverständlich ist und dass die Atompolitik offensichtlich ohne Verletzung von Grundrechten von Bürger*innen nicht durchsetzbar ist.
-
Die überregional auftretende Kletteraktivistin in den Themenfeldern Anti-Atom, CO2- und Umweltpolitik
Aus einem Schreiben des PP Münster vom 24.01.2017, Aktenzeichen DSB ZA 1.5 – 57.03.01
Das Polizeipräsidium Münster ist der Meinung, dass umweltpolitisches Engagement die Speicherung von Daten zur Gefahrenabwehr rechtfertigt. In dem Verfahren geht es um die Ablehnung der Löschung von Daten, die meine Teilnahme an einer Versammlung betreffen, das durch die Polizei gegen mich eingeleitete Verfahren wurde nach § 170 II StPO eingestellt.
-
Die Polizei kann nicht lesen
Die Polizei Göttingen ist offensichtlich in der Lage diverse Internetseiten aufzurufen. Diese zu lesen oder zu verstehen, jedoch nicht. Oder sie versteht nur das was sie verstehen will. Also bin ich „Berufsaktivistin“ und suche Menschen für das Bewegungsarbeiter-Programm… interessant, wie meine Biografie neu geschrieben wird:
Aus dem Schreiben der PI Göttingen vom 17.11.2016; Az. 22.3-12330 454/16
Ein blick auf die Homepage der Bewegungsstiftung verrät – sofern man lesen und verstehen will – dass ich keine „neun Vollzeitaktivisten für die Bewegungsstiftung“ suche. Das kann die Bewegungsstiftung ohne mein Zutun selbst. Ich bin lediglich im Programm „BewegungsarbeiterInnen“ der Stiftung, das ist ein Patenschaftssystem. Aber wie die Polizei es formuliert passt natürlich besser ins von ihr zur Rechtfertigung der Speicherung von Daten zurechtgelegten Rädelsführer-Schema. Und schön, dass der Freund und Helfer sich um meine Sicherheit sorgt… dann müsste er aber die Daten aller Bürger*innen zur Gefahrenabwehr speichern, es gibt viele gefährliche Dinge, die man tun kann. Auto fahren zum Beispiel.
-
Politisches Engagement gefährdet den Staat
Aus einem Schreiben vom LKA Niedersachsen vom 19.01.2016 (Az. 5 A 257/15 VG Lüneburg)
Hier geht es auch um die Löschung von Vorgängen, die ausnahmslos eingestellte Verfahren betreffen. Wieder das In-Sich-Geschäft.
Ich wette mal, dass dieser Bericht in einer der nächsten Stellungnahmen der Polizei als Beleg für meine Bösartigkeit und staatskritische Haltung herangezogen wird!
Papa-Staat verträgt keine Kritik.
Weitere Erfahrungsberichte mit Auskunftsersuchen bei Polizeibehörden gibt es im Blog « Datensch(m)utz bei der Polizei«