In Bure, einer kleinen Ortschaft im strukturschwachen Lothringen, will der französische Staat ein industrielles Großprojekt umsetzen: ein Atommüllendlager mit zahlreichen Atomanlagen Namens Cigéo (Centre industriel de stockage géologique / Industriezentrum für die tiefe Endlagerung). Auftragsgeber ist die Andra (agence nationale pour la gestion des déchets radioactifs / Nationalagentur für die Entsorgung von atomaren Müll).
Gegner:innen des Cigeo Projekts werden staatlich verfolgt und erleben immer wieder massive Polizeigewalt. Die Ermittlungen im Verfahren um die « kriminelle Vereinigung » (siehe mein Ausführlicher Artikel dazu, Teil I – Teil II) sind Meldungen zur Folge nach fast 3 Jahren abgeschlossen.
Die Akte umfasst über 15 000 Seiten. Darin u.a. 85 000 abgehörte Gespräche und gelesene Nachrichten.
Die gerichtliche Auflagen gegen die Beschuldigten wurden mit Beendigung der Ermittlungen in der Mehrzahl aufgehoben. Die Beschuldigten dürfen nach ca. 3 Jahren zum ersten mal wieder Kontakt miteinander aufnehmen. Die Aufenhaltsverbote wurden ebenfalls aufgehoben. Die Meldeauflagen gelten dagegen weiter.
Ob es nun eine Anklage gibt, wird innerhalb von zwei Monaten durch eine:n Ermittlungsrichter:in entschieden. Wenn es einen Prozess gibt, dann irgendwann 2022 oder 2023.
Sollte es zum Prozess kommen, wollen die Beschuldigten dafür sorgen, dass dies zum Prozess vom geplanten Atomklo Cigéo wird.
Hintergründe kurz zusammengefasst
Das Vorhaben ist gigantisch. Die französische Regierung hat für Cigéo 25 Milliarden Euro veranschlagt, der Rechnungshof hält dagegen 41 Milliarden Euro für realistisch – ohne Unfall!
80.000m³ Atommüll sollen eingelagert werden. Das Lager soll 100 bis 120 Jahre lang betrieben werden. Das entspricht 100 Castortransporte à 10 Castoren 100 Jahre lang. Allein für den Castoren-Umschlagplatz und die « Descendrie » (Zugänge zum Lager) ist eine Fläche von 110 Hektar vorgesehen. Die Installationen auf der Erdoberfläche im direkten Zusammenhang mit der Einlagerung sollen 680 Hektar in Anspruch nehmen. Die Befestigung der unterirdischen Gänge erfordert – das ist sehr CO2 Intensiv, von wegen Atomkraft sei CO2 arm… – Millionen Tonen Stahl und 275.000m³ Beton.
Der Staat lockt mit Wohlstand und Arbeitsplätzen, um Akzeptanz für das Vorhaben zu schaffen. Die Produzenten von Atommüll zahlen in einen Investitionsfond (GIP = Gruppement d’Intérêt Public) ein, der Kommunen, die Teile des Cigéo-Projektes werden, für ihre wirtschaftliche Entwicklung zur Verfügung steht. Derzeit erhalten die betroffenen Départements Meuse und Haute Marne jeweils 30 Millionen Euro jährlich. Die Kommunen in einem Umkreis von zehn Kilometern erhalten zudem durchschnittlich 500 Euro Pro Einwohner*in und Jahr.
Seit über 40 Jahren gibt es Widerstand gegen das geplante Atomklo, das fprüher – wie Gorblen – nur eine Forshcungsbergwerk war, nun aber zum Atommüllager ausgebaut wird. Das war Vielen von vorne herein klar, aber die Salami-Taktik funktioniert am Besten, um solch ein Vorhaben durchzusehtzen.
Weil der Atomstaat aber Angst vor seiner Kritiker*innen hat, lässt er sie u.a. mit dem Konstrukt der kriminellen Vereinigung (wäre §129 StBG in Deutschland) überwachen. Ich schreibe bewusst « Konstrukt ». Den Beschuldiugten werden keine konkreten Taten vorgeworfen, ihr Vegehen (rechtlich betrachtet spricht der Staat sogar von Verbrechen!) ist intellektueller Natur. Weil sie zum Widerstand gehören, weil einige von ihnen – so der Konstrukt – militanten Aktionen (wie Sabotage von Cigeo-Infrastruktur) Unterstützung leisten, indem sie Menschen rechtlich beraten (Legal Team zb), sind sie Teil einer kriminellen Vereinigung.
Atomstaat = Polizeistaat
Artikel auf Französisch (Reporterre)