Ich habe mich heute sehr über die Kolumne von Karina Sturm im Newsletter von Raul Krauthausen gefreut. Sie trifft ziemlich gut auf die Situation in der ich auch bin.
Behinderung ist nicht immer sichtbar, das bedeutet aber nicht, dass Mensch keine Einschränkung hat oder diese vorgestäuscht wird. Das bedeutet nicht, dass Mensch nicht in der Lage ist, Dinge zu unternehmen, auch außergewöhnliche (bei mir geht es zb. ums Klettern).
Auch gibt es eine Vielzahl von Erkrankungen oder Behinderungen, die je nach Tag oder Tageszeit, zu Einschränkungen unterschiedlicher Intenzität führen können. Mal ist die Behinderung für außen stehende sehr sichtbar, mal weniger oder gar nicht. Bei Behinderungen, die mit vielen Schmerzen verbunden sind aber ansonsten nicht sichtbar sind, fällt es Betroffenen noch schwerer, nicht als Simulant abgestempelt zu werden.
Ich werde oft dem Problem konfrontiert. Weil meine chronische Erkrankung, die Ursache für meine Behinderung ist, in Schüben verläuft. Wenn ich einen Rheuma-Schub habe – der durchhaus Wochen oder gar Monate andauern kann – stehe ich gefühlt unter Quarantäne. In Zeiten von Corona dürften leser*innen ein Gefühl dafür haben, was es bedeutet. Ich kann wegen der Schmerzen kaum raus, kann meine Tage nicht mal richtig planen, weil die Schmerzen selbst innerhalb eines Tages und von Tag zu Tag wariieren. Aber das verstehen Außenstehende, die mich sonst als Energiebündel erleben, schwer. Manch eine Behörde will dies einfach nict verstehen, wie zuletzt das Amtsgericht Lingen.
Auch ist es schwierig zu vermitteln, dass Klettern für mich viel einfacher und weniger schmerzhaft ist, als… stehen und laufen. Ich bin mit Rollstuhl unterwegs, weil das Laufen mir zu viele Schmerzen bereitet. Knorpel ist in meinem entzündeten Knien mangelware, Arthrtitis Gehstützen gehen auch nicht mehr, weil meine Ellenbogen und Handgelenke durch die Krankheit stark beschädigt sind und ebenfalls schmerzhalft sind. Stehen und lange Sitzen ist schmerzhaft weil Knie und HWS entzündet sind. Und diese Schmerzen wariieren von tag zu Tag oder Tageszeit zu Tageszeit sehr.
Klettern schaffe ich fast immer. Weil es meine Leidenschaft ist, und das ist Psychologie: die Fähigkeit Schmerzen zu ertragen ist bei positivem Stress größer als gewöhnlich ist. Klettern kann ich auch, weil ich das als kleines Kind gelernt habe und die Technik gut kann. Und weil Klettern, insbesondere Baumklettern, mir Bewegungen ohne Belastung meiner Gelenke ermöglicht. Ich hänge im Seil und nutze Flaschenzug Techniken, die keine Kraft verlangen, sondern Koordination (das ist wiederrum eher meine Stärke). Das sanfte Dehnen der Gelenke tut sogar richtig gut. Effektiver als die Physiotherapie. Inzwischen verzichte ich auf diese Therapie und mache meine Übungen selbst, Klettern im Baum gehört dazu. Wenn ich länger nicht klettere habe ich mehr schmerzen im Alltag.
Ich kann viele Dinge anders als früher. Auf einige muss ich verzichten, klar. Anpassung hat ihre Grenzen. Felsklettern, dass geht leider nicht mehr. Das ist für mich sehr bitter, ich bin früher immer so gerne in der Natur gewandert und geklettert. Das fehlt mir, das ist psychologisch schwer zu verabeiten. Mein Gehirn vergleicht ständig zwischen dem was ich früher konnte, und was ich nun nicht mehr kann.
1 -2 Male im Jahre gehe ich deshalb Felsklettern – wie vor einigen Tagen, noch vor Verhängung der Corona-Ausgangsbeschränkungen.
Das war schön und frustrierend zugleich. Schön am Fels zu sein, ihn zu spüren. Der Fels ist von Oben über einen für meinen Rollstuhl geeigneten Weg zu erreichen. Ich seile mich ab und bin schon am Fuß der Kletterrouten. Mein Partner hat die Seile angebracht, damit ich toprope klettern konnte (seil kommt von oben). Wir haben sehr einfache Routen gewählt und mein Partner hat mir mit dem Seil hoch geholfen (ist geschummelt, ich weiß :-). Das war schmerzeghaft und mühsam… aber auch schön für die Gefühle, für die Psysche. Weil es so schmerzhaft ist, gehe ich nur 1-2 male im Jahr Felsklettern.
Ich versuche in Texten und Videos zu vermitteln, das Behinderung kein Grund ist, auf Sport und Leidenschaft zu verzichten. Meine Videos zum Aktionsklettern mit Behinderung haben den Zweck, andere Betroffenen zu ermutigen, Dinge – auch außergewöhnliche – zu unternehmen.
Ziel ist auch zu vermitteln, dass Menschen mit Behinderugn Vieles können, nur halt oft anders als das was Mensch kennt. Adressat sind hier die « validen » Menschen, die nicht immer verstehen, dass Behinderung nicht gleich « nix Können » bedeutet. Dass auch wer was kann, behindert sein kann und nicht simmuliert.