Im Dezember berichtete ich in einem Artikel für die Zeitschrift GWR über die Schmutzigen Trick von Atomkonzernen und Politik in Sache Atomausstieg und Endlagerung. Anlass war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum so genannten « Atomausstieg ». Der Verdacht liegt nahe, dass die Regierenden an einem sauberen Gesetz und einen echten Atomausstieg kein Interesse hatten und deshalb bewusst Schlupflöscher für die Klagen der Atomkonzerne offen gelassen haben. Um sich in der Öffentlichkeit als Atomkraftgegner*innen zu präsentieren ohne das Gesetz vollständig umsetzen zu müssen: « Wir haben es versucht, aber sehen Sie, es ist nicht möglich, das Gericht hat das Gesetzt gekippt ». Der „Ausstiegsbeschluss“ von 2011 war nicht Folge der Überzeugung der verantwortlichen Politiker*innen, sondern des Drucks der Straße.
Die Tatsache, dass wenige Monate vor Verabschiedung des Ausstiegsgesetzes 2011, die Regierung im Dezember 2010 eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken beschlossen hatte, ist ein guter Beleg dafür. Hier wurde auch gepfuscht, um Akzeptanz für das Gesetz zu schaffen. Im Gegenzug zur Laufzeitverlängerung und zur Einmal-Zahlung der Konzerne in ein Atommüll-Fond wurde eine Brennelementesteuer eingeführt.
Die Steuer wurde mit dem gestrigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts nun gekippt und man darf sich fragen, ob hier nicht absichtlich ein verfassungswidriges Gesetz verabschiedet wurde. Um den Anschein zu erwecken, man tue nicht nur der Atomlobby einen Gefallen und die Gemüter zu beruhigen: « Siehst du, die Konzerne zahlen doch für ihren Mist. » In Wirklichkeit wurde von Beginn an damit gerechnet, dass die Brennelementesteuer keinen Bestand haben würde und die Konzerne das Geld zurück erhalten würden.
Und wenn meine These nicht stimmt, muss von der Unfähigkeit der Regierenden ausgegangen werden, das ist nicht besser. Das ist organisierte Unverantwortlichkeit! Die Atomlobby durfte sich von seiner Verantwortung für die Entsorgung von Atommüll zum Schnäppchenpreis von 24 Milliarden Euro frei kaufen, sie darf auf Entschädigungen für die frühzeitige Abschaltung der AKW hoffen sowie 6 Milliarden aus der Brennelementesteuer zurück kassieren.
Weil ich ihn passend finde, übernehme ich nun ein Kommentar von Malte Kreutzfeldt aus der TAZ zur Brennelementesteuer
Sehenden Auges ins Verderben
Die Bundesregierung hätte verhindern können, dass die AKW-Betreiber Milliarden zurückbekommen. Doch die Atom-Lobby ist zu mächtig.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eine böse Überraschung. Die Atomkonzerne Eon, RWE und EnBW bekommen rund 6 Milliarden Euro Steuern zurück, die sie in den letzten Jahren auf ihre Brennelemente zahlen mussten. Die Steuer wurde zwar von allen Parteien befürwortet, aber nach Ansicht des obersten deutschen Gerichts verstieß sie gegen steuerpolitische Grundsätze. Das ist bitter, aber wohl nicht zu ändern.
Sehr wohl zu ändern gewesen wäre hingegen die Tatsache, dass die Unternehmen die Milliardensumme nun tatsächlich zurückgezahlt bekommen. Denn Ende letzten Jahres hat die Regierung eine Vereinbarung mit den AKW-Betreibern über die Kosten der Atommüll-Entsorgung getroffen. Gegen eine Einmal-Zahlung der Konzerne von 18 Milliarden Euro hat der Bund die Verantwortung für die Endlagerung übernommen – und gegen einen Risiko-Aufschlag von gerade einmal 6 Milliarden zudem für alle Kostensteigerungen, die es dabei geben wird.
Die Kommission, die diesen Vorschlag erarbeitet hatte, knüpfte ihn an die Bedingung, dass die Konzerne im Gegenzug alle Klagen gegen den Staat zurückziehen – auch jene gegen die Brennelemente-Steuer. Diese Forderung wurde ignoriert. Verzichtet hat die Bundesregierung auch auf die Möglichkeit, nachträglich zusätzliches Geld zu fordern, wenn sich die wirtschaftliche Situation der Konzerne verbessert, wie jetzt durch das Urteil geschehen.
Als die Brennelemente-Steuer beschlossen wurde, mag niemand damit gerechnet haben, dass sie keinen Bestand hat; zum Zeitpunkt der Einigung mit den Konzernen war diese Gefahr aber sehr wohl bekannt. Damit ist die Bundesregierung sehenden Auges ins Verderben gelaufen. Sie trägt die Verantwortung dafür, dass die AKW-Betreiber nun genau jene Summe zurück bekommen, die ihnen zuvor als Risiko-Aufschlag für den Atommüll auferlegt wurde.
Noch besteht zumindest die theoretische Chance, diesen Fehler zu korrigieren: Zwar ist das Gesetz zur Neuregelung der Atom-Finanzen schon verabschiedet, die Verordnung, die die genauen Summen festlegt, aber noch nicht. Doch nutzen will die Regierung diese Möglichkeit nicht. Dafür ist die Lobby-Macht der Energiekonzerne offenbar immer noch zu groß.