Die COP geht in Paris weiter. Die Repression auch. Die Notstandgesetze ermöglichen ein Regieren per Dekret. Ob Grundrechte gelten entscheidet der Präfekt nach Lust und Laune. Davon macht nicht nur der Pariser Präfekt Gebrauch, seine Kollegen genießen auch diese Art des diktatorischen Regierens.
Ich habe vor meiner Reise nach Paris einen längeren Artikel über die Auswirkungen des nach den Anschlägen vom 13.11. verkündetem Notstandes geschrieben. Bei meinem Aufenthalt in Paris konnte ich mir anschließend selbst ein Bild von der Situation machen und den Polizeisstaat mit eigenen Sinnen spüren: Omnipräsenz der Polizei und der Armee ; Feststellung, dass selbst mir bekannte Person im Knast sitzen oder unter Hausarrest stehen (und dadurch z.B. ihren Job verloren haben), nur weil sie demonstriert haben oder wollten ; Schwierigkeit eine Unterkunft zu finden, die nicht bereits einen Besuch der Polizei erhalten hat, ständige Gefahr einer Hausdurchsuchung, Überwachung und dazugehördende Anspannung bei den Betroffenen, eigene Verhaftung nach einer Protestaktion. All das mit « Notstand » als Begründung. Kaum zurück in Deutschland, ärgere ich mich darüber, dass ich in Paris nicht länger bleiben konnte. Denn: die Klimabewegung in Paris braucht jede Person, die den Mut hat, trotz Verbot ihre Meinung klar und deutlich zu äußern. Es geht nicht nur um das Klima – sondern auch um die Verteidigung von Grundrechten.
In Frankreich herrscht Willkür. Die Demonstrationen wurden willkürlich verboten. Es hat keinesfalls mit Sicherheit zu tun, denn selbst der Protest in Form von meinungsäußerung in geschlossenen Räumen wird mit Repression begegnet. Weihnachtsmärkte oder Sportveranstaltungen finden dagegen statt. Die Handlungen von den Behörden sind ebenfalls willkürlich. Wer trotz Verbot demonstriert kommt mal davon,mal nicht. Vor einer Demonstration weiß man nicht, ob man dafür dass mann seine Meinung äußern wird, im Knast landet oder nur geräumt wird – oder die Meinungskundgabe gar toleriert wird. Das ist ein Merkmal von Willkür, der Bürger weiß nicht was auf ihm zukommt. Staatliches Handeln wird weder begründet, noch ist er berechenbar.
Als wir am 2.12. unsere Aktion starteten, wussten wir nicht was im Anschluss an die Aktion auf uns zukommt. Ich muss sagen, dass ich ein mulmiges Gefühl hatte. Werde ich tagelang verhaftet, wie einie Menschen nach der Demonstration vom 30.11. Place de la République wo die Menschen bis zu 3 Tage festgehalten wurden? Bekomme ich dann meine wegen meiner chronischen Krankheit lebensnotwendigen Tabletten? Werde ich verurteilt, weil ich mir nicht verbieten lassen will, meine Meinung zu äußern. Wir haben « Glück » gehabt. Die Polizei war nach den Massenfestnahmen vom Sonntag vom bürokratischem Aufwand der eigenene Maßnahmen überfordert, die Wache wo wir landeten war schlecht ausgestattet und das Computersystem kaputt. Die Polizei hat nicht herausgefunden, wer ich bin, dass ich eine seit Jahren engagierte Umweltaktivistin bin. In anderen Fällen hat die Kenntnis darüber, dass Menschen politisch engagiert ist, für drastische Repressionsmaßnahmen wie Hausarrest , Schnellverfahren vor Gericht oder bei Ausländern Abschiebungen gereicht. Ich komme mit zwei Anzeigen davon: eine wegen Demonstrieren und eine wegen meiner Weigerung Fingerabdrücke abzugeben. Ein merkwürdiges Gefühl ist es schon des « Demonstrierens » beschuldigt zu werden – einen Vorwurf braucht die Polizei nicht mal zu konstruieren, es reicht das Mensch seine Meinung äußern will. Ich wurde wegen meiner Weigerung Fingerabdrücke abzugeben mit langem Gewahrsam und Schnellverfahren gedroht.
Dazu kam es schließlich nicht – weil die Zahl unsere Stärke ist. Je mehr Menschen trotz Verbot auf die Straße gehen, desto besser! Die Repressionsmascinerie kommt ins Stocken! Nach einer Woche COP-Protesten zeichnet sich bereits eine Änderung in der Taktik der Repressionsbehörden. Massenfesthahmen wie noch vor einer Woche sind möglich, aber unwahrscheinlicher geworden. Die Polizeigewalt scheint dagegen – als eine Art Ersatzbestrafung – immer größer zu werden. Die Verbote und deren Auswirkungen werden in Deutschland kaum thematisiert. Und selbst Journalisten von angeblich « links » orientierten Zeitungen scheinen die Einschränkung der Grundrechte nicht weiter schlimm zu finden, insbesondere wenn den Menschen « nichts passiert » . Also « nichts passiert » ist es wenn Menschen mit Polizeigewalt daran gehindert werden, ihre Meinung verbal bei einer kritischen Führung durch Infostände der Wirtschaftslobby in einer Ausstellungshalle kund zu tun. Dass die freie Meiunungsäußerung außer Kraft gesetzt wird, ist nicht schlimm. Und dass Menschen die sich auf Demonstrationen trauen zusammengeprügelt werden wie am Freitag abend in Nantes geschehen, ist sicherlich auch nicht schimm. Selber Schuld wenn sie trotz Verbot ihre Meinung äußern! In Nantes wurde eine Demonstration gegen die Notstandgesetze von Innen durch Zivilpolizeikräfte angegriffen, die auf einem Signal hin ihre Knüppel ausgepackt und wild um sich geschlagen haben – ohne Vorwarnung, aus dem Nichts heraus. Es wurden zahlreiche Menschen zum Teil schwer verletzt. Ein Polizeiauto ist in die Demo rein gefahren, die Menschen retteten sich mit einem Sprung zur Seite. Das Auto überfuhr aber einen bereits festgenommenen gefesselten Demonstranten. Er wurde bewustlos ins Krankenhaus eingeliefert.
Bei den Protesten gegen das Greenwashing der offiziellen Sponsoren der COP « Solutions 21 » wendete die Polizei ebenfalls Gewalt an – auch wenn diese weniger Sichtbar wurde wie bei der erwähnten Demo in Nantes.
Die Ausstellung « Solutions 21 » fand in einer großen Halle, dem Grand Palais statt. Dort werden so die austellenden Unternehmen und Verwaltungen (collectivités locales auf Französisch) Lösungen für das Klima vorgestellt. Ausstellen darf nur wer die COP mitfinanziert. Vertreten sind Unternehmen wie EDF (Atomstrom), Engie (Kohlekraft), Monsanto, VW (1), etc. Um auf das Greenwahsing, dass diese Unternehmen betreiben aufmerksam zu machen, wurden alternative Führung durch die Infostände angeboten. Zahlreiche Menschen wurde aber an der Tür abgewiesen, es wiurde nach dem Aussehen sortiert. Wer « alternativ » aussah wurde nicht hineingelassen. Drinnen ergriffen Menschen das Wort. Eine Gruppe bildete sich um einen Menschen, der eine Führung im Englischen anbot, eine andere um eine Führung auf Französisch. Pressevertreter hielten die Vorträge … und die rasche Intervention der Polizei in Zivil fest. Die Polizisten zerrten unsanft Referenten, Zuhörerinnen und einige Pressevertreterinnen nach draußen. Die versammlung, die sich draußen bildete, wurde ebenfalls schnell ausgelöst. Selbst ein Demonstrant, der auf einer Laterne geklettert war und einen Protestbanner zeigte, wurde durch die Kletterpolizei geräumt. Protest mittels Banner war auch untersagt. Die Menschen haben sich rasch entfernt um Festnahmen zu verhindern. Dies verleitet einen TAZ-Journalisten zum Kommentar, dass nicht passiert ist… Andere deutsche Mainstream- Medien sind nicht besser. Das Thema wird einfach gar nicht behandelt.
Die entwicklung zeigen, dass es wichtig ist, sich Protest nicht verbieten zu lassen! Sie zeigen, dass jede und jeden gebraucht wird! Enttäuschung herrscht darüber, dass viele AktivistInnen aus dem Ausland sich von den verboten einschüchtern lassen haben und ihre geplante Reise und geplannten Busse zu Demonstrantionen in Frankreich gecancelt haben. Die Protestbewegung vor Ort hätte diese Unterstützung nötiger denn je.
Nötiger denn je ist es auch, hierzulande über die Situation in Frankreich zu informieren und seine Solidarität mit den AktivistInnen, die den Mut haben, trotz Verbot zu demonstrieren, zu zeigen!
Und nein, die Notstandgesetze sind keine Lösung zum Terror! Sie fördern sogar die Radiaklisierung von durch die Repression getroffenen Menschen, die COP-Protesten sind eine Sache. Das erste Opfer der Sicheheitsgesetze sind die Menschen muslimischen Glaubens, die durch die Maßnahmen ausgegrenzt und stigmatisiert werden. Oder was soll im Kopfe eines Menschens geschehen, der durch eine unbefristete Hausarrestverfügung zur Untätigkeit verdammt ist und dadurch seinen Job verliert, weil er nicht hin gehen kann und sein Arbeiter ihm gekündigt hat. Die Verwaltungsgericht sind der Auffassung, dass der Verlust des Jobes oder die Kosten der Reise drei (in einigen Fällen sogar 4 ) male am Tag zu zum Teil bis zu 20 Kilometer entfernten Polizeiwache kein Grund für eine Entscheidung gegen die beschwerden gegen den Hausarrest im Eilverfahren, die Betroffenen dürfen somit Jahre auf eine Entscheidung in der Hauptsache warten. Wenn sie nicht drei male am Tag zur Polizei gehen, werden sie verhaftet. Es hat schon die ersten Knastverurteilung wegen nichteinhaltung der Hausarrestverfügungen gegeben.
Die Aussichten stehen schlecht: Die regierung hat die nächste Verfassungsänderung vorgestellt: Notstand soll Normalzustand werden, nach den aktuellen drei Monaten Notstand sollen 6 Monate oben drauf kommen – erneuerbar. Und die Rechtsextremen des Front National sind im Höhenflug.
Droits de l’Homme Ade? Wer gegen die Diktaturisierung , wer gegen die Außerkraftsetzung der Grundrec
hte nicht angeht, ist für das Desaster mitverantwortlich. Genauso wie beim Klimawandel. Wehrt euch! Zeigt euch solidarisch! Macht auf die Missstände aufmerksam! Seid wahrsam und Kämpft um eure Rechte! Das Beispiel Frankreich zeigt wie schnell die Stimmung kippen kann. Deutschland zieht in die Kriegstreiberei mit. In der Politklasse gibt es Stimmen, die davon Träumen, in den Sicherheitswahn mitzuziehen.
Video der Protesten gegen Greenwashing
Video über das Geschehen draußen
Bericht von Reporterre zur der Aktion gegen Greenwahsing (Französisch)