Gastbeitrag – Ordnungshaft nicht nur in Heilbronn

Es gibt nicht nur in Heilbronn autoritäre Charaktere, die es mögen über andere zu urteilen. Zeitgleich zu Céciles Verfahren fand ein Prozess um die Räumung eines besetzten Geländes vorm Landgericht Flensburg statt. Um zu zeigen, dass Willkür an Gerichten an der Tagesordnung ist und keineswegs ein Einzelfall, möchte ich damit Céciles Bericht ergänzen.

Es gibt nicht nur in Heilbronn autoritäre Charaktere, die es mögen über andere zu urteilen. Zeitgleich zu Céciles Verfahren fand ein Prozess um die Räumung eines besetzten Geländes vorm Landgericht Flensburg statt. Um zu zeigen, dass Willkür an Gerichten an der Tagesordnung ist und keineswegs ein Einzelfall, möchte ich damit Céciles Bericht ergänzen.

Richterin Bauer hatte ein paar Monate zuvor bereits einen Freund verurteilt, weil er mit einem Handwagen in der Fußgängerzone vor einem Polizeiauto herumstand und sich nicht wegbewegen wollte (es war immer noch eine Fußgängerzone). Die Polizei hatte sich eine Beleidigung ausgedacht und der Handkarren wäre ein Nötigungsmittel – fertig ist die Verurteilung. Bei dem Prozess waren am ersten Verhandlungstag zwei Menschen für 24 Stunden in Ordnungshaft gelandet, weil sie nicht aufstanden. Bei der Verurteilung erhob sich der Angeklagte, aber verkehrt herum – 24 Stunden Ordnungshaft, Verbringung in den Knast in einer anderen Stadt (obwohl auch einer nebenan gewesen wäre).

Dieses Verhalten war bekannt, als wir uns mit vier Personen am ersten Verhandlungstag nicht erhoben. Aber wir hatten uns entschlossen, gerade dieser Richterin den Respekt zu verweigern, die täglich Menschen einsperren lässt, auch wenn diese sich nur weigern, ihre Autorität anzuerkennen. Eine Person erklärte dazu: « Das Aufstehen vor Gericht steht symbolisch für eine untertänige Gesinnung und ein obrigkeitsstaatliches Verständnis, das längst nicht mehr zeitgemäß ist. Wer Ehrenrituale erzwingen will, hat echte gegenseitige Achtung zwischen Menschen eigentlich sowieso nicht verstanden. Wenn sinnloser zeremonieller Gehorsam oder die Eitelkeit einer schwerst beleidigten Autoritätsperson dann auch noch wichtiger sein soll als die Freiheit eines Menschen, ist jede Verhältnismäßigkeit verloren. Wo Gehorsam und Unterwerfung so weit hochgehalten werden, wird auch noch fügsam zugesehen, wenn die Nachbar*in deportiert wird und mitgemacht, wenn ein Dikator Schießbefehl gibt. Bevor es dahin kommt, bleib ich lieber jetzt schon sitzen. »

Die Justizwachtmeister*innen staunten und raunten: « Die stehen wohl auf Ordnungshaft », die haben das mit den politischen Überzeugungen nicht verstanden. Wir landeten einen Tag in Ordnungshaft, ohne dass uns Gelegenheit gegeben wurde, uns dazu zu äußern. Ich versuchte eine Verteidigung zu beantragen, wurde von der Richterin unterbrochen und abgeführt.

Die Zelle im Gericht war unspektakulär. Nur das auf den Rufknopf (den einzigen den es in der Zelle gibt) über 2,5 Stunden niemand reagierte, machte mich ein bisschen nachdenklich: Was wenn es einen Notfall gäbe und ich nicht nur telefonieren wollen würde? Naja, die umgehende Benachrichtigung einer Vertrauensperson über meine Inhaftierung hätte mir theoretisch juristisch  auch zugestanden genauso wie ein Mittagessen, aber dass Gerichte, Justiz und Polizei sich an Grundrechte nicht halten, überrascht mich nun wirklich nicht mehr.

Angekommen im Knast, als ich nach etwa neun eingesperrten Stunden endlich mit einer Freundin telefonieren durfte, um sie zu benachrichtigen, teilte die mir am Telefon mit, dass es einen zweiten Beschluss gäbe, mich einen zweiten Tag einzusperren – der Grund dafür: dass ich versucht hatte eine Verteidigung zu beantragen. Dass das juristisch vielleicht nicht nach dem von mir spontan genannten Paragrafen möglich war ist eine Sache – aber 24 weitere Stunden Knast nur für einen Antrag fand ich schon große Kunst.

Ich behielt die Info erst mal für mich, von seiten der Polizei oder Justiz war mir nie ein weiterer Tag mitgeteilt worden und ich war gespannt, wann das denn passieren würde. Am Rande bekam ich Gespräche von den Justizwachteln mit, die sich darüber unterhielten, dass eine von uns drei Personen (im Frauenknast) zwei Tage bekommen solle, aber wer wussten sie nicht. Auch am nächsten Morgen nicht, als um 6.40 Uhr bei mir in die Zellen geschaut wurde und ich gefragt wurde, ob ich vor meiner Entlassung noch duschen wolle.

Um kurz vor 10, als die 24 Stunden um waren, kam eine Beamtin in meine Zelle um mich zur Ärztin zu bringen. Kein Wort davon, dass ich noch bleiben müsse, keine Aushändigung eines Ordnungshaft-Beschlusses (obwohl ich genau diese am Abend zuvor beantragt hatte). Einfach Abarbeitung, ich werde schon wissen, warum ich denn hier sei. In Artikel 5 der europäischen Menschenrechtskonvention steht, dass jede Festgenommene darüber belehrt werden muss, warum sie festgenommen wurde. Über den in meiner Abwesenheit verkündeten Beschluss hatte ich nicht mal die Chance irgendetwas zu erfahren, hätte ich nicht zufällig telefoniert, hätte ich vom zweiten Hafttag in dem Moment erfahren, wo ich erwartet hätte, frei zu kommen.

Also war ich weitere 24 Stunden eingesperrt, davon über 22 allein in meiner Zelle mit viel Zeit zum Schreiben. Das gesetzliche Minimum an einer Stunde Hofgang gab es dann am Nachmittag, außerdem noch ein Gang zur Ärztin (die mich 24 Stunden nach der Festnahme fragte, ob ich Alkohlentzug zu erwarten hätte), zu Entlassungformalitäten und zum Mittagessen abholen (essen in der Zelle).

Bei der Entlassung musste ich dann fast lachen, ich weigerte mich zu unterschreiben, dass ich mein Zeug wieder bekommen habe (schließlich hatte ich auch nicht zugestimmt, dass sie es mir wegnehmen), als eine von den Wachtmeister*innen meinte, dass ich es mir auch einfacher machen könnte. Ja, ich hätte einfach aufstehen können und auf Verteidigung verzichten und die Gerichtautorität akzeptieren können.

Aber irgendwie kann ich das nicht, weil das hieße ihre Autorität zu akzeptieren, und bin auch beim nächsten Prozesstag sitzen geblieben, zusammen mit acht anderen Menschen, wenige Stunden bevor Céciles Prozess in Heilbronn anfing. Die Richterin änderte ihre Strategie und verhängte 200 Euro Ordnungsgeld oder ersatzweise vier Tage Haft für jede*n von uns, zusätzlich zu einem Hausverbot. Sie meint wohl, wenn ein Tag Haft uns nicht abschreckt, dann wohl das Finanzielle oder die Drohung mit noch mehr Knast. Direkt nach dem Prozess waren wir also frei, konnten uns also mit Polizei, Justiz-Sondereinheit und Versammlungsbehörde in Flensburg rumschlagen und Soli-Arbeit für Cécile organisieren. (Mehr Infos zu dem ganzen Hin und Her in Flensburg: subtilus.info)

Da das mit dem Geld zahlen aber auch eine Art Akzeptanz für das Gericht ausdrücken würde, kann ich das wohl nicht und werde demnächst weitere vier Tage im Knast in Lübeck verbringen. Ich habe keinen Respekt vor Richterin Bauer oder Richter Reißer, noch vor allen anderen Richter*innen, die täglich Menschen wegsperren lassen. Sie können uns einsperren, aber nicht brechen und niemals zwingen, diesen Staat zu lieben. Und am Ende werden es hoffentlich ihre Knäste sein, die einstürzen.

Irene