Ich übernehme Tim’s Tagebuch (aus http://hambacherforst.blogsport.de). Dieser berichtet eindrücklich aus der Perspektive eines Baumbesetzers über die aktuelle Situation im Hambacher Forst und den Protest gegen den Kohlekiller RWE. Ich habe im Sommer den Start der Baumbesetzung unterstützt und war seitdem 2 Male dort für ein paar Tage auf Besuch . Regelmäßig kann ich leider nicht dorthin fahren. Es fehlt vor Ort im Wald an Infrastruktur (diese wird systematisch von der Polizei und von RWE zerstört, wie Tim es in seinem Tagebuch schildert). Die Folge sind u.a. häufiges hin und her zwischen Baum- und Wiesenbesetzung. All das geht zu stark auf meine rheuma kranken Gelenke. Diese schmerzen derzeit unheimlich viel – leider.
Ich verfolge den Widerstand aber weiter aus der Ferne, informiere darüber – und führe meine weiteren politischen Projekte weiter. Ich arbeite derzeit intensiv an der Planung meiner diversen Leseveranstaltungen in ganz Deutschland. Mein Buch liegt bei der Druckerei, der Druck geht Ende dieser Woche los! Anfang Februar geht es mit den ersten Lesungen los.
++++++++ Tagebuch von Tim +++++++++
Liebe Leser_innen,
mein Name ist Tim. Ich bin einer der Baumbesetzer_innen des zurzeit wieder besetzten Hambacher Forstes bei Köln ( D ).
Dabei geht es um den Widerstand gegen den hier stattfindenden Kohleabbau durch RWE.
Vor dreieinhalb Monaten habe ich ein Teilstück des Hambacher Forstes mitbesetzt.
Derzeit lebe ich in einem Baumhaus in einer ca. 200 Jahre alten Rotbuche, in etwa 20 Meter höhe. Die Buche selber ist 30 Meter hoch, ich nenne sie Tèstimo. Téstimo kommt aus dem Katalanischen und steht für „ich Liebe“.
Um euch diesen Protest und die Hintergründe näher zu bringen habe ich die folgenden zwei Texte aus meinen Aufzeichnungen digitalisiert und mithilfe von anderen Aktivist_innen zur Veröffentlichung gebracht.
Vor nun dreieinhalb Monaten wurde wieder ein Teilstück des Hambacher Forst besetzt.
Am Anfang der Besetzung waren es 4 Plattformen, in einer Höhe von ca. 20 Metern. Diese wurden mit Zelten oder Planen bestück, um vor Regen und Wind zu schützen.
Heute sind es bereits 7 Plattformen in 5 Bäumen, jeweils mit einer Grundfläche von ungefähr 2×2 Metern. Die Zelte sind festen Holzhütten mit Strohisolation gewichen.
Es stehen nun Baumhäuser mit Fenstern, meist mit einer Art kleinen Balkon und eigener Sanitärer Einrichtung (PET-Flaschen und 20L-Eimer).
Die Hütten sind jeweils auf die unterschiedlichen Baumkronen angepasst, sowie nach den vorhandenen Baumaterialien und Vorstellungen derr Bewohner_innen errichtet und ausgestattet.
Im Sommer mit T-Shirt und Mückenstichen wurde der Forst erneut besetzt, heute sind es Temperaturen bis 0 Grad, Stürme wie vom Orkantief „Xaver“ und erster Schneefall.
Ausgestattet mit reichlich Decken, dicken Schlafsäcken und Klamotten wird sich auf den bevorstehenden Winter vorbereitet.
Solidarische Hände helfen Tag für Tag die Besetzung auszubauen, sie mit Essen und Decken zu versorgen sowie gemeinsam am Feuer zu sitzen.
Staatliche und unabhängige Presse berichtet regional wie international seit nun mehr 2 Jahren von dem Protest hier vor Ort.
Durch die immer wieder stattfindenden Versuche, die Besetzung zu unterbinden, befinden sich keine Unterstände, Sitzgelegenheiten oder Küche mehr auf dem Boden. Sobald welche errichtet wurden, kam RWE im Schutze der Polizei, riss sie nieder und nahm das Material mit.
Dasselbe passiert mit unzähligen Barrikaden, die zum Schutze des Forstes erbaut wurden, um RWE und Polizei die Räumung zu erschweren und die Waldwege und Spaziergänger_innen zu schonen. Zudem machen sie sichtbar, dass es Menschen gibt, die den Umgang von Staat, RWE und anderen mit der Umwelt nicht hinnehmen wollen.
Die Besetzung ist ein Teil des Widerstandes gegen den „Tagebau Hambach“ und dem Energiekonzern RWE der mit Kohle und Atom Geld macht.
Es geht jedoch nicht nur um den Forst, Kohle und RWE. Vielmehr ist dieser Protest ein Teil eines weltweiten Widerstandes, der sich gegen die Zerstörung dieses Planeten und allem sich darauf befindlichem Leben, durch Geldgier, Macht- und Herrschsucht einiger weniger Menschen oder Konzerne, wendet.
Nicht nur der Protest ist hier wesentlich, sondern auch das Hinterfragen des eigenen Handeln und Denken.
Weltweit werden sogenannte „Ressourcen“ durch Abkommen, Gesetze, Sanktionen und Kriege von Europa gesichert. Doch „Ressourcen“ sind heute nicht nur Öl, Kohle und Uran, sondern auch Wasser, Wälder und Lebensmittel.
Menschen werden durch diese Strategie Europas dazu gezwungen bestimmte Produkte zu produzieren und bereit zu stellen. Güter wie Kohle und Uran, aber auch Holz und Lebensmittel, welche ihnen dann häufig selber fehlen und wiederum in die Abhängigkeit von Europa treiben. Für die Betroffenen bedeutet dies Einschüchterung, Vertreibung, Enteignung, Hunger, Inhaftierung und Ermordung.
Diese Kriege werden dann hier in Europa mit der Sicherung des Wohlstandes, der Freiheit oder der Sicherheit begründet.
RWE produziert nicht nur Strom, sondern unterstützt auch weltweite Kriegstreiberei. Denn Hauptabnehmer_innen sind nicht bloß die Einzelhaushalte, sondern vor allem auch die Großindustrie, die im Rheinland unter anderem mit dem Sitz von Rhein Metall und TyssenKrupp vertreten sind.
Rhein Metall gehört in Deutschland mitunter zu den größten Rüstungsproduzenten, die auch für das dritten Reich produzierten. Waffen zum Morden mit Genehmigung der Regierung, die sie dann um die ganze Welt schicken, um Kriege für Rohstoffe zu führen, um „den Frieden und die Deutsch/Europäischen Interessen zu wahren“. Desweiteren auch der Bundesgerichtshof , der vor Tagen bestätigte, dass Kohleabbau als Gemeinwohl diene und die dadurch resultierenden Folgen hinnehmbar seien (Zwangsumsiedlung, Naturzerstörung).
RWE und andere Großunternehmen sind Teil des weltweiten Wirtschaftshandels und bestimmen dadurch die Geschehnisse und Preise mit.
In Kolumbien werden Gewerkschafter_innen verfolgt und ermordet, genauso wie indigene Gemeinschaften, die sich gegen die dortigen Lebensverhältnisse wehren, die durch den Kohleabbau geschaffen wurden. RWE bezieht seine Kohle unter anderem aus Kolumbien.
Beim Abbau von Uran im Norden Finnlands werden Böden verseucht und Wälder abgeholzt. Europäische Energiekonzerne werden auch von dort beliefert.
Deshalb ist es wichtig sich bewusst zu werden, was hinter einem Produkt steht, das Menschen kaufen.
Deshalb ist es wichtig, sich zu fragen, ob ein Produkt auch das Wert ist, was dahinter steckt.
Deshalb ist es wichtig, sich zu fragen, ob der Strom von RWE und anderen es wirklich Wert ist, dass dafür zahlreiche Menschen vertrieben verfolgt und gemordet werden.
Deshalb ist es wichtig, nicht bei der Energieversorgung stehenzubleiben:
Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit werden viele Produkte gekauft. Viele Produkte, mehr als sonst im ganzen Jahr. Es werden Kleidung, Spielzeuge, Elektronische Geräte, Schokolade und viele andere Dinge konsumiert.
Doch werden sich auch Fragen gestellt wie:
Warum hat mein Produkt diesen Preis? Wo kommt es her? Wer verdient daran? Die Arbeiter_innen oder der Konzern? Wie sind deren Arbeitsbedingungen? Wie sind die Auswirkungen auf andere Tiere, Pflanzen und das Ökosystem dieses Planeten? Brauch ich es überhaupt?
Dies sind nur einige Fragen, die gestellt werden könnten, um sich bewusster zu werden, was wir konsumieren und was wir mit unserem Konsum bewirken. Es ist doch ziemlich klar, dass auf die Weise, wie im Moment in Europa konsumiert wird, nicht mehr lange so konsumiert werden kann.
Daher lasst uns Alternativen schaffen und nutzen.
Lasst uns regional, unabhängig und bewusst entscheiden und konsumieren.
Lasst uns Widerstand leisten, gegen die, die sich gegen diesen Planeten und den auf ihm lebenden Lebewesen stellen.
In was für e
iner Welt möchten wir leben? Und was für eine Welt wollen wir der Generationen nach uns hinterlassen?
Großkonzernen den Stecker ziehen, gegen Krieg Ausbeutung und Unterdrückung!
Ausschnitt aus meinem Tagebuch.
…….
Ich habe den Wald im grünen kennengelernt, Beeren die hier wachsen genascht, die Blätter fallen sehen, Pilzarten kennen gelernt und erfahren, wie sie zubereitet werden können.
Wenn ich heute mit einer Tasse Tee in der Hand aus dem Fenster meines Baumhauses blicke, sind nur noch vereinzelt Blätter an den Bäumen zu sehen.
Ich habe Winde erlebt mit über 11okm, die einem das Gefühl gaben, sie würden die Plattform im kommenden Augenblick zerreißen.
Tage an denen der Wind tobte, es nur regnete und nun der erste Schnee.
Nebel, der die Sicht gerade mal bis in die nächste Baumkrone erlaubte und nur erahnen ließ was sich dahinter befindet.
Das regelmäßige Auftauchen von RWE und Polizei.
Ich habe mit angesehen, wie sie immer wieder aufs Neue die Feuerstelle, Sitzgelegenheiten, Unterstände und ihnen im Weg stehende Bäume niederrissen.
Wie sie den Boden unter uns mit ihren Maschinen zerstörten.
Wie sie lachten und sich bewusst machten wie sie den Wald und das darunter liegende verstehen: als Objekt, als Ware die Mensch zu Geld machen müsse.
Mit der Argumentation, „wir müssen unsere Familie ernähren“, versuchen sich viele aus der Verantwortung zu ziehen. Daran, dass die Arbeitsplätze verschwinden, wenn RWE es will, scheinen sie nicht daran zu denken, wie es weitergeht, wenn der Tagebau geschlossen wird. Es scheint in weiter Ferne.
Es wird in Kauf genommen, dass wir und die kommenden Generationen auf einer zerstörten Erde groß werden, wo die letzten, noch stehenden Wälder mit Maschinen niedergerissen werden.
Wo die Meere und Flüsse durch Müll, Chemikalien und Abwässer vergiftet sind. Das gleiche mit ganzen Landstrichen, die zerstört werden, weil Pflanzen darauf im Akkord angebaut werden, ohne sich die Böden regenerieren zu lassen. Die Luft wird durch Abgase und Treibhausgase verpestet. Diese Teile stehen wiederum untereinander in Beziehung. Ein Kreislauf, der durch uns (die wir ebenso Teil dieser Natur sind) zu Grunde gerichtet wird, was letztlich auch uns selbst richten wird, da dies unsere Lebensgrundlage ist.
Ich muss feststellen, wie Politiker nebenbei mehre hohe Positionen in der Wirtschaft bekleiden oder ihre eigenen Interessen wahren. Sei es SPD , Bündnis 90 die Grünen oder CDU. Wie z.B. Wolfgang Spelthan von der CDU, der zum einen Aufsichtsrat bei RWE und des RWE-Beirats Mitte und zum anderen Leiter der Kreispolizei der Behörde Düren ist.
Eine Verflechtung die von vielen Menschen als normal empfunden wird. Mit Äußerungen konfrontiert zu werden, wie: “Es ist vergebens sich gegen RWE zu stellen, der Wald ist doch sowieso schon verloren“ kann ich, angesichts des Zustandes dieses Planeten, nur schwer nachvollziehen. Statt es als Tatsache zu betrachten, dass der Wald zerstört wird und RWE ungestört machen zu lassen, möchte ich diese Menschen motivieren, sich gegen diese Zerstörung zu stellen und Widerstand zu leisten!
EARTH FIRST! IT‘S ALL WE‘VE GOT!
[Zuerst die Erde! Sie ist alles, was wir haben!]
La pucha mama!
Tim