In der Nacht zum 8. April 2016 hatten rund 20 AtomkraftgegnerInnen gegen einen Transport von Uranerzkonzentrat vom Hamburger Hafen in die südfranzösische AREVA-Atomfabrik in Narbonne Malvési demonstriert. Zwei Aktivistinnen seilten sich von einer Fußgängerbrücke im Bahnhof Buchholz in der Nordheide ab und entrollten ein Banner. Sie wurden nach ca. 3 Stunden von der Berufsfeuerwehr heruntergeholt und durch die Polizei in Gewahrsam genommen. Diese Ingewahrsamnahme hat das Amtsgericht Tostedt auf die Klage einer der betroffenen Kletteraktivistinnen hin im Sommer für rechtswidrig erklärt. Die Polizei legte daraufhin Beschwerde gegen die amtsrichterliche Entscheidung ein. Das Oberlandesgericht Celle hat nun mit Beschluss vom 16. November 2017 entschieden: Der Gewahrsam war rechtswidrig. (Aktenzeichen 2 W 11/17). Die Entscheidung ist rechtskräftig. Die Betroffene Kletteraktivistin Cécile Lecomte will nun die Polizei auf Schmerzensgeld verklagen.
„Wovon leben Sie“ fragte ein Polizeibeamter Cécile Lecomte, als er sie in Gewahrsam nahm und zur Polizeiwache fuhr. „Von dem Schmerzensgeld, das der Staat für rechtswidrige Ingewahrsamnahmen wie diese, zahlen muss.“ Antworte die Aktivistin. So könnte es in der Tat jetzt kommen. Das Oberlandesgericht Celle hat bestätigt, dass es für die Ingewahrsamnahme der Aktivistin keine Grundlage gab. Auch das Zufügen von Schmerzen während ihrer Ingewahrsamnahme durch die Wegnahme von ärztlich attestierten und verordneten Hilfsmittel was rechtswidrig, so das OLG Celle.
Die Aktivistin will nicht nur Schmerzensgeld einklagen, sondern auch gegen den Polizeidirektoren der PI Harburg, Herrn Lehne, der die Ingewahrsamnahme anordnete, vorgehen. Dieser erklärte im September im Zeugenstand in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren – selbst als das Amtsgericht Tostedt die Ingewahrsamnahme für rechtswidrig erklärte – er halte die Maßnahme nach wie vor für richtig und notwendig. Frau Lecomte sei eine „exzellente Kletterin“ und deswegen in Gewahrsam zu nehmen. „Im Kopfe des Polizeidirektoren gibt es offensichtlich ein ungeschriebenes „Exzellente-Kletterin-Gesetz“ , das die Ingewahrsamnahme von unangenehmen Aktivist*innen billigt. Amtsgericht und Oberlandesgericht sehen dies anders. Was der Polizeidirektor da gemacht hat, meine Ingewahrsamnahme scheinbar wider besseres Wissen über die Rechtswidrigkeit seines Tun anzuordnen, könnte eine Freiheitsberaubung darstellen. Aber selbst wenn ich dafür Schmerzensgeld bekommen sollte: Das Geld wird wohl nicht aus der Tasche der Verantwortlichen kommen, sondern vom Land, vom Steuerzahler.“ Kommentiert Lecomte.
Die Aktivistin kann sich über einen weiteren Erfolg vor Gericht freuen. Das AntiAtom-Bündnis Nordost teilte am heutigen Tage in einer Erklärung mit, das Landgericht Stralsund habe die Verfahren gegen zwei Castorgegner, die sich 2011 gegen einen Castortransport nach Lubmin an die Gleise festketteten, nach 5 Verhandlungstagen in der Berufungsinstanz eingestellt. Cécile Lecomte verteidigte einen von den beiden Angeklagten vor dem Landgericht.
Hintergrund-Informationen zu den Urantransporten
Das Uranerzkonzentrat, das der Zug am 8.4.2016 geladen hatte, war zuvor mit einem Schiff der Hamburger Reederei MACS aus Namibia nach Hamburg befördert und auf dem Süd-West-Terminal der Firma C. Steinweg umgeschlagen worden. In Frankreich wird das Uran in mehreren Etappen chemisch verarbeitet, angereichert und schließlich zu Brennelementen für den Einsatz in Atomkraftwerken weltweit gefertigt.
Die Versorgungstransporte der Atomindustrie finden in der breiten Öffentlichkeit kaum Beachtung, obwohl sie es sind, die den Betrieb von Atomanlagen weltweit ermöglichen. Schon am Anfang der Atomspirale und nicht erst beim GAU im Atomkraftwerk sind zahlreiche Opfer zu beklagen.
ArbeiterInnen erkranken und sterben beim Uranbergbau, ganze Gegenden werden radioaktiv verseucht. Selbst in einer Fabrik wie der in Narbonne Malvési erkranken und sterben auffällig viele ArbeiterInnen an Leukämie und anderen Krebsarten.
Cécile Lecomte arbeitet als Journalistin und hat über diese Anlage recherchiert und 2014 ein Dossier veröffentlicht.
Die Atomtransporte nach Frankreich finden alle paar Wochen statt. Über den Hamburger Hafen fährt außerdem alle 2 bis 3 Tage im Durchschnitt ein Atomtransport durch. Für kommenden Sonntag 3.12 wird der Frachter „Link Star“ im Hamburger Hafen am Unikai erwartet. Der Frachter hatte zuletzt am 18. November den Hamburger Hafen mit frischen Brennelementen aus der Uranfabrik im niedersächsischen Lingen Richtung Finnland verlassen. Es wird damit gerechnet, dass der nächste Transport ebenfalls das neue noch nicht in Betrieb genommene finnische Atomkraftwerk vom Typ EPR Olkiluoto 3 zum Ziel hat.
Brennelemente made in Germany… Deutschland ist dafür mitverantwortlich das in Europa ein neues AKW nach Fukushima wieder neu in Betrieb genommen wird! Obwohl laut einer neuen Studie, die die Bundesregierung im Auftrag gegeben hat, die Stilllegung der Brennelementefabrik Lingen rechtlich unkompliziert möglich wäre.
Weitere Informationen:
* ROBIN WOOD-PM zur Aktion und Bericht:
* Video von Graswurzel tv. zur Aktion:
* Beschluss vom OLG Celle als pdf:
* Dossier über die Uranfabrik in Narbonne:
* Pressemitteilung zur Einstellung des Castorverfahrens durch das Landgericht Stralsund
* Bericht über den jüngsten Brennelementetransport nach Finnland