Für die Justiz ist der Fall wie eine heiße Kartofel: ein Zug, das Uranmüll im Januar 2008 von der Gronauer Urananreicherungsanlage nach Russland transportierte, musste einen sechs stündigen Halt vor dem Eichhörnchen machen. Die Polizei hatte den Bahnverkehr eingestellt, weil ich in über sechs Meter Höhe in Seilen mit Antiatomtransparent über der Bahnlinie hing. Diese Aktionsform war den örtlichen Polizeibehörden damals noch fremd… so dass es ein Weile dauerte, bis Spezialkräfte, die mich spät in der Nach herunter holten, eintrafen. (damaliger WDR-Bericht)
Seit beinahe sechs Jahren beschäftigt diese Geschichte nun die Gerichte: Meine Ingewahrsamnahme wurde vergangenem Dezember durch das OVG Münster für rechtswidrig erklärt. Vor dem Steinfurter Amtsgericht wurde ich sowohl vom Vorwurf der Nötigung (Straftat), als auch eines Verstoßes gegen die Eisenbahn- Bau- und Betriebsordnung (Ordnungswidrigkeit) freigesprochen
Dies akzeptiert die Münsteraner Staatsanwaltschaft aber nicht. Fast 6 Jahre nach der Tat, am 4. November 2013 findet vor dem Landgericht Münster die Berufungsverhandlung statt.
Die Staatsanwaltschaft Münster hat im Frühjahr signalisiert, dass sie das Verfahren gerne vom Tisch hätte, dass aber Strafe sein muss. Sie schlug eine Einstellung des Verfahren wegen Geringfügigkeit und gegen Auflage vor: ich soll die Gegenstände, die mir damals von der Polizei weg genommen wurden (Handy, Kletterausrüstung, Taschenlampen, etc.) nie wieder bekommen.
Angesichts des Freispruchs in erster Instanz, ein dreister Vorschlag! Ich habe selbstverständlich abgelehnt. Die Berufungsverhandlung findet nun also statt, weil die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung unbedingt erreichen will und das öffentliche Interesse an der Verfolgung bejaht.
Dabei widerspricht sich die Behörde selbst: andere Verfahren wegen gleich gelagerten Luftblockaden über der selben Bahnlinie wurden nach §170II der Strafprozessordnung eingestellt. Es heißt, dass die Handlung an sich keine Straftat darstellt. Nach dieser Vorschrift wurde zum Beispiel das Verfahren nach meiner zweiten « Luftblockade » im Juni 2008 eingestellt
Es bleibt abzuwarten, wie das Landgericht sich entscheidet. In einem Früheren Schreiben hat es bereits angedeutet, dass es in der Handlung keine Straftat sieht. Über die Bewertung der Handlung als Ordnungswidrigkeit wird man sich wahrscheinlich noch streiten. Aber damit befasst sich schon ein höheres Gericht: Das Oberlandesgericht in Bandenburg, dort sind aktuell zwei meiner Beschwerden anhängig – wegen Kletteraktionen an Brücken oberhalb von Bahnlinien gegen Castortransporte. Zum Stand der Dinge in diesen Verfahren berichtete ich vor wenigen Wochen, als Post von der Generalstaatsanwaltschaft bei mir eintrudelte.
Es bleibt aber, dass ich die politische Bühne vom Berufungsverfahren für mein Anliegen zu nutzen wissen werde! Die Gesetze sind nicht für die dritte Dimension ausgelegt und haben auch nicht den Zweck, politischem Protest zu bestrafen, diesen Standpunkt werde ich verteidigen!
Die Berufung findet am Montag, 04. November 2013 um 8:30 Uhr im Sitzungssaal A 06 vom Landgericht Münster
Vielleicht nehme ich die Einladung nach Münster zum Analss, am Tag vor der Verhandlung eine Lesung in Münster zu machen – mein Buch wird im November frisch gedruckt worden sein und einige Kurzgeschichten erzählen von Luftblockaden im Münsterland…
Wer schon vor dem November die Münsteraner Staatsanwaltschaft in Aktion sehen und sich Anträge zur Uranwirtschaft und vieles mehr anhören will, ist natürlich zum Prozess gegen zwei AktivistInnen, die vom einem Rohr unterhalb der Schiene « geschnappt » wurden und festgekettet blieben, am kommenden Dienstag vor dem AG in Steinfurt eingeladen. Es wird unterhaltsam sein. Die zweite Instanz wäre in diesem Verfahren dann auch das Landgericht Münster… wie man es in meinem Verfahren schon feststellen kann: die Mühlen der Justiz mahlen langsam und vielleicht haben Staatsanwaltschaft und Gericht irgendwann keine Lust mehr, von uns in öffentlichen Prozessen auf der Anklagebank gestellt zu werden. Denn mit unseren Anträgen und unserer Prozessführung stellen wir die Atomwirtschaft und das System, das diese möglich macht, auf dem Pranger!