Versammlungsleitung am Fahnenmast? Unsinn aus Münster
Die Münsteraner Staatsanwaltschaft ist schlechte Verliererin. Sie hat für keine der luftigen Protestaktionen gegen Urantransporte von der Urananreicherungsanlage Gronau nach Russland oder Frankreich oberhalb von der Bahnanlage eine Veruteilung erreicht. Ein Verfahren wollte sie bis zum bitteren Ende führen, hatte gar angekündigt vor dem Oberlandesgericht zu gehen. Dazu kam es aber nicht. Nach einem Freispruch in erster Instanz wurde dass Verfahren dann in der Berufung auf Wunsch der Staatsanwaltschaft eingestellt. Ein Grundsatzurteil von einem höheren Gericht zu Protestaktionen oberhalb von Bahnanlagen gibt es also immer noch nicht.
Die Staatsanwaltschaft Münster versucht es nun mit einem neuen Vorwurf. Als Belustigung passend zu meinem Geburtstag, verschickte sie mir einen Strafbefehl, der mit dem Preis des größten Unsinns gekürt werden könnte.
Ich soll am Fahnenmast kletternd, in Dülmen im Februar 2013, eine unangemeldete Versammlung gegen die Gronauer Urananreicherungsanlag geleitet haben.
Die Münsteraner Staatsanwaltschaft ist schlechte Verliererin. Sie hat für keine der luftigen Protestaktionen gegen Urantransporte von der Urananreicherungsanlage Gronau nach Russland oder Frankreich oberhalb von der Bahnanlage eine Veruteilung erreicht. Ein Verfahren wollte sie bis zum bitteren Ende führen, hatte gar angekündigt vor dem Oberlandesgericht zu gehen. Dazu kam es aber nicht. Nach einem Freispruch in erster Instanz wurde dass Verfahren dann in der Berufung auf Wunsch der Staatsanwaltschaft eingestellt. Ein Grundsatzurteil von einem höheren Gericht zu Protestaktionen oberhalb von Bahnanlagen gibt es also immer noch nicht.
Die Staatsanwaltschaft Münster versucht es nun mit einem neuen Vorwurf. Als Belustigung passend zu meinem Geburtstag, verschickte sie mir einen Strafbefehl, der mit dem Preis des größten Unsinns gekürt werden könnte.
Ich soll am Fahnenmast kletternd, in Dülmen im Februar 2013, eine unangemeldete Versammlung gegen die Gronauer Urananreicherungsanlag geleitet haben.
Im Strafbefehl steht nicht wie das geschehen sein soll, sondern nur dass ich an einem Fahnenmast gehangen haben soll. Ich wüsste gerne wie das geht, eine Versammlungsleitung am Fahnenmast…
Rechtlich ist der Vorwurf nicht haltbar – Richterin Koppenfels hat den Strafbefehl unterschrieben. Die Akte lesen und eine Ablehung begründen wäre ja zu viel Arbeit gewesen. Also lieber Unterschreiben in der Hoffnung, dass gegen das Urteil ohne Prozess kein Einspruch kommt und die Sache vom Tisch ist. Angehört wurde ich nicht, denn eine andere Demonstrantin wurde zunächst von der Ermittlungsbehörde verdächtigt, die bekam die polizeiliche Vorladung – ich nicht.
Ich weiß nicht weshalb ich nun die Angeklagte bin – ich vermute aber stark, dass die Staatsanwaltschaft die beleidigte Wurst spielt und sofort umgeschwenkt ist, als sie festgestellt hat, dass ich an der Demonstration beteligt war. « Die Lecomte nervt also mache ich sie einfach zur Rädelsführerin » wird ihre Logik gewesen sein. Nicht dass der Vorwurf gegen eine andere Person gestimmt hätte… Nö. Die sind ja Lustig mit ihrer Suche nach Chefs bei anachistisch denkenden Personen… Wir kommen ohne Chefs oder « Leiter » sehr gut klar! Ja, es geht anders! Ohne Chefs ist die Welt schöner, bunter, spontaner, freier.
Ich habe umgehend per Fax Einspruch eingelegt und Akteneinsicht beantragt. Der Prozess ist eine schöne Steilvorlage für Hierarchiekritik! Ja, es geht auch ohne Chefs! Ich kenne nur Kletterleitern, die sind mamchmal sehr nützlich, um schneller hoch zu kommen.
Mal sehen wann es zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Dülmen kommt. Ich werde hier berichten.
Hier gibt es den Strafbefehl als PDF – ich dokumentiere ja gerne den Unsinn der Staatsanwaltschaft Münster.
Hier geht zum Zeitungsartikel über die Aktion damals.
Zum Strafbefehl gibt es außerdem eine Pressemitteilung von Nirgendwo, die ich hier übernehme:
Strafbefehl wegen Antiatom-Demonstration in Dülmen
Am 22.Februar 2013 demonstrierten Atomkraftgegner_innen in Dülmen auf dem Marktplatz mit einer Kletteraktion gegen den Weiterbetrieb der Urananreicherungsanlage in Gronau. Jetzt erhielt eine Aktivistin einen Strafbefehl über 30 Tagessätze wegen des Vorwurfs der Leitung einer nichtangemeldeten Demonstration. Sie legte Einspruch ein.
Die Aktion im Rahmen einer Anti-Atom-Informationstour durchs Münsterland war sehr ruhig abgelaufen: Zwei Demonstrant_innen kletterten auf die Fahnenmasten vor dem Dülmener Rathaus und befestigten ein Transparent mit der Aufschrift „Atomkraft den Boden entziehen – Urananreicherung stoppen“. Damit sollte dagegen protestiert werden, dass trotz Fukushima und angeblichem Atomausstieg die Urananreicherungsanlage in Gronau weiterhin Brennstoff für Atomkraftwerke in aller Welt liefert. Am Boden verteilten zwei weitere Personen Flyer an die Marktbesucher_innen. Die hinzugerufene Polizei bewertete die Aktion als Spontanversammlung und fand sie völlig in Ordnung. Überraschend erhielt eine Aktivistin am 7. Dezember einen Strafbefehl: Sie soll die unangemeldete Versammlung geleitet haben und 480 Euro zahlen. Cécile ist empört: „ Offenkundig fehlt es Staatsanwaltschaft und Gericht an Kreativität, sich eine Welt ohne Hierarchien und Chefs vorzustellen. Es ist absurd zu glauben, eine demonstrative Protestaktion brauche eine Chefin.“ Sie legte sofort Einspruch gegen den Strafbefehl ein, damit kann es zur Verhandlung vor dem Amtsgericht in Dülmen kommen. Die Staatsanwaltschaft Münster verfolgt derzeit mehrere Atomkraftgegner_innen mit Verfahren. „Mein Eindruck: Weil die Ermittlungsbehörden bei früheren Kletteraktionen zum Stopp von Urantransporten keinen Verurteilungs-Erfolg hatten, versuchen sie es nun bei anderen Aktionen, egal wie konstruiert die Vorwürfe sind.“ so Cécile weiter. „Natürlich werden wir uns gegen solche Vorwürfe wehren, aber auch durch weitere Aktionen zeigen, dass wir nicht eingeschüchtert sind. Wir werden weiter für eine Welt kämpfen, in der Atomanlagen nicht möglich sind, weil sich an Bedürfnissen der Menschen statt am großen Profit orientiert wird.“, stellt Irene, eine weitere der beteiligten Aktivist_innen klar.
Hintergrund:
Die Urananreicherungsanlage in Gronau versorgt etwa 10% aller Atomkraftwerke weltweit mit angereichertem Uran. Momentan wird über einen Verkauf der Anlage diskutiert, dabei gibt es jedoch Bedenken, weil die Technik auch zum Bau von Atomwaffen genutzt werden kann. Atomkraftgegner_innen fordern die sofortige Stilllegung statt des Verkaufs der Anlage. Auch im nächsten Jahr sind wieder Proteste an der Anlage geplant, unter anderem ein Ostermarsch.
Weitere Informationen:
Seite mit Informationen zu Prozessen gegen AtomkraftgegnerInnen: http://nirgendwo.info/duelmen/
Prozess wegen Kletteraktion gegen Urantransport von Gronau nach Russland – Erfolg für Aktivistin vor Gericht: http://blog.eichhoernchen.fr/tag/uranzug2008