Castor Knast- und Aktionsbericht Teil IV – Justiztheater um das gefährliche Eichhörnchen
A propos Gefährlichkeit, die Vorgänge gestern haben mich schon perplex gemacht. Das die Polizei überreagiert und Menschen zu unrecht beschuldigt, Straftaten begangen zu haben ist keine neue Erkenntnis. Aber wenn aus Baumklettern gegen die Atomkraft eine Straftat, die zum § 129a StGB (Bildung einer terroristischen Vereinigung) gehört, gemacht wird… Hat der Staat so viel Angst vorm Protest, oder wollte er den SEK Einsatz rechtfertigen? Neonazis morden jahrelang in aller Ruhe, ÖkoaktivistInnen werden wie Terroristen behandelt und mit Sondereinsatzkomandos aus Bäumen herunter geholt. Das klingt vollkommen absurd… ist es auch. Und eigentlich stellen solche Aktionen neben oder oberhalb der Bahnanlage nicht ein mal eine Ordnungswidrigkeit dar. Selbst das Strafverfahren nach unserer spektakulären Abseilaktion beim Castor 2010 wurde längst nach § 170 II StGB eingestellt. Das bedeutet dass die Tat keine strafbare Handlung darstellt.
Gestern mündete es aber trotzdem in ein durchgeknalltes Justiztheater um. Ich wurde vor dem Amtsgericht Fulda « angehört », wie es so schön heißt. Es ging um die richterliche Bestätigung der Beschlagnahme sämtlicher Gegenstände, die als Beweismittel für das Verfahren von Bedeutung sein sollen. Eine Digitalkamera, Handys, Klettermaterial, Funke, etc. Ein abenteuerlicher Vortrag der Bundespolizei diente der Begründung der Maßnahme: wegen dem Eichhörnchen habe die Oberleitung abgeschaltet, und dass SEK gerufen werden müssen. Außerdem soll ich Veränderungen im Gleisbett vorgenommen haben, eine Ankettvorrichtung verbuddelt haben, um dann in die Bäume zu schwingen und festzustellen, dass ich an die Ankettvorrichtung nicht mehr rankomme… So ließt sich zumindest die Stellungnahme der Bundespolizei… Ja ja , Eichhörnchen kann fliegen und zeitgleich überall sein.
Ich war auf Grund der angespannten Situation und des Schlafmangels am Rande des nervlichen Zusammenbruchs. Ich konnte durchsetzen, dass mich ein Bekannter bei der Anhörung verteidigt (Laienverteidigung). Das half sehr einen kühlen Kopf zu behalten. Die kleine Solidemo vorm Gerichtsgebäude fand ich auch ganz fein… Ich konnte ein bisschen was hören und Richter und Staatsanwalt waren sehr nervös… Herr Staatsanwalt schlug vor, den Menschen vor der Tür einen Platzverweis zu erteilen… worauf ich mich über ihn lustig machte… « Herr Staatsanwalt, kennen sie das Gesetz nicht, ist Ihnen der Begriff « Polizeifestigkeit » von Versammlungen nicht geläufig? » Gegen VersammlungsteilnehmerInnen darf kein Platzverweis erteilt werden!
Wie immer im Justiztheater, ging es nicht um Gerechtigkeit. Formal muss eine Beschuldigte angehört werden. Damit bewahrt das System das Gesicht. Aber faktisch wird der Vortrag der Verteidigung einfach ignoriert. Hier, mit der Begründung, es sei noch keine Verurteilung, sondern ein Ermittlungsverfahren und der Verdacht der Störung öffentlicher Betriebe, des schweren Eingriffs in den Schienenverkehr und der Nötigung bestehe ja. In vier Zeilen wurden schwerste Eingriffe in die Privatsphäre – wie die Auslesung und Auswertung von Handy- und Kamera-Daten) begründet. Dafür reichten völlig aus der Luft gegriffenen Strafvorwürfe, die allesamt zum Straftatkatalog des § 129a StGB gehören und sodann weitere Abhör- und Überwachungsbefügnisse für die Behörde eröffnen.
Das gestrige Geschehen bestätigt in meinen Augen, dass es eine richtige Entscheidung von mir war, das Ordnungsgeld weswegen ich dann im Gefängnis landete nicht zu zahlen. Ich wäre nämlich so oder so nicht frei gekommen, Richter Wahl am Amtsgericht Fulda hätte einen Antrag auf Langzeitgewahrsam glatt durchgewunken – natürlich nicht ohne formelle Anhörung, um die Form zu bewahren.
Angedacht hatten Polizei und Staatsanwaltschaft sogar einen Antrag auf Untersuchungshaft gegen mich… oder Sicherheitsgarantie für das Strafverfahren in Höhe von 150 Euro (damit ich das Ordnungsgeld nicht bezahlen kann und mich so sicher nicht frei kaufen kann, denn ich hatte ca. 150 Euro dabei…) Darüber wurde ich noch auf der Polizeiwache vor der Abfahrt zum Gericht belehrt. Es hieß wirklich ich müsse 150 Euro Kaution zahlen, um nicht in Untersuchungshaft zu kommen.
Vor Gericht war nicht mehr die Rede von Untersuchungshaft… Ich denke es war nur Drohgebärde, denn rechtlich geht es nicht so einfach… aber wer weiß, die brechen die eigenen Gesetzte, um Protest zu unterbinden…
Abfahrt von Eichhörnchen Cécile
von der JVA Fulda zur JVA für Frauen nach Frankfurt – Foto Konrad Lippert
Zum Teil V – Knast-Verwaltungsabsurdum und Solidarität von Draußen