Aus aktuellem Anlaß – der Räumung der Baumbesetzung im « Danni » und im Herren(los)Wald – veröffentliche ich hier eine Kurzgeschichte aus meinem Buch « Kommen Sie da runter! » Es geht darin um die Baumbesetzung in Kelsterbach 2009 gegen die neue Fraport Landebahn (wurde leider gebaut, Klima ist Fraport, der Flugindustrie genauso egal wie der Autoindustrie) und wie man selbst bei einer Festnahme Polizeikräfte beschäftigen kann. Das ermöglich vielleicht Aktionen andernorts! Auf jeden Fall ist Mensch nicht verpflichtet, an der eigenen Festnahme aktiv mitzuwirken!
Aus « Kommen Sie da runter! » ISBN 978-3-939045-23-6
Es ist schon spannend, womit Gerichte sich so beschäftigen können…
Es war einmal eine Polizistin, die ihren Job freiwillig gewählt hatte, die dazugehörenden Unannehmlichkeiten aber nicht haben wollte und gerne DemonstrantInnen dafür verantwortlich machte. Was zur Folge hatte, dass ein Gericht sich mit den Erdanziehungskräften und anderen skurrilen Einzelheiten wie dem Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen oder PolizistInnen und Umzugskartons beschäftigen musste.
Wir sind im Jahre 2009 im von Profit- und Machtgier regierten Bundesland Hessen. Weil die ökonomischen Profitinteressen der Flughafenbetreibergesellschaft
Fraport über der Natur, dem Grundrecht auf Gesundheit und körperlicher Unversehrtheit standen, wurden 250 Hektar Bannwald für den Flughafenausbau in
Kelsterbach bei Frankfurt zur Fällung freigegeben.
Dagegen wehrte sich eine Handvoll ÖkoaktivistInnen. Mitten im Wald hatten sie ein rebellisches Dorf eingerichtet. Mit Baumhäusern, Bodenhäusern und einem unterirdischen Versteck. Der Freund und Helfer schützte die Privatinteressen der Fraport sowie die Machtinteressen der Regierenden mit großem Eifer.
Weil sie eines Tages aus Protest gegen die Zerstörung der Umwelt auf dem Dach einer Baumerntemaschine landeten, wurde neun AktivistInnen die Freiheit entzogen. Auf der Polizeiwache verlangte man von den AktivistInnen, dass sie an der eigenen Freiheitsberaubung aktiv mitwirkten. Doch die Widerständigen blieben unbeugsam.
Solch eine Frechheit wollte sich eine Polizistin, nennen wir sie Jessica, nicht gefallen lassen. Von einer Ungehorsamen forderte sie 1.200 Euro Schmerzensgeld und klagte vor Gericht.
Jessica trug vor, die Aktivistin sei für ihre Verletzung am Handgelenk verantwortlich. Sie habe sich beim Wegtragen der AktivistInnen am Handgelenk verletzt.
Die Umweltschützerin sei also dafür verantwortlich, sie habe sich schwer gemacht.
Zum Beweis der Tatsache, dass die Gefangene sich nicht »schwer« machen konnte, wurde ein Gutachten für »Erdanziehungskräfte« beantragt. Ursächlich für die erst drei Tage nach dem Vorfall festgestellte Verletzung sei zudem nicht das Verhalten der Aktivistin, sondern die unsachgemäße Vorgehensweise der Beamtin. Ein
Umzugshelfer könne den Umzugskarton, den er falsch angefasst habe, wegen der daraus resultierenden Verletzung nicht verklagen. So könne die Aktivistin für die Verletzung der Beamtin auch nicht verantwortlich gemacht werden. Einen Vergleich, der die Gegenseite auf die Palme brach. Die Beklagte würde Äpfel mit Birnen vergleichen, das sei abwegig. Außerdem gebe es bei der Polizei keine Ausbildung zum Wegtragen von Menschen.
Das erklärt vielleicht, warum PolizistInnen gleich mit Gewalt vorgehen, wenn ein Mensch auf ihre Befehle nicht reagiert. Denn Zwangsmittel und schmerzhafte Zwangsgriffe gehören sicher zu ihrer Ausbildung.
Dem absurden Streit schob das Gericht letztendlich einen Riegel vor, zu der unterhaltsamen Beweisaufnahme kam es nicht mehr. Entgegen der weit verbreiteten Meinung bei PolizeibeamtInnen sind Betroffene zu keinerlei aktiven Mithilfe bei ihrer Ingewahrsamnahme verpflichtet, so das Gericht. Sitzenbleiben ist ihr Grundrecht!
Das Gericht fühlte sich außerdem nicht dafür verantwortlich, »das allgemeine Lebensrisiko abzuwenden. Genau dieses allgemeine Lebensrisiko [habe] sich aber vorliegend im Rahmen der Ausübung des überdurchschnittlich risikobehafteten Berufes der Klägerin als Polizistin manifestiert.«
Schmerzensgeld? – nix da! Ende gut, alles gut, das absurde Märchen ist nun zu Ende.
Quelle: Aktenzeichen: 31 C 1253/09 – 23 Amtsgericht Frankfurt am Main