Antifaschistische Baumklettermusik gegen Corona Querfront

kreativer Protest. Kaum hatte die Anmelderin der „Corona-Kundgebung“ das Wort ergriffen, wurde sie von oben übertönt.

Polizisten gucken nach oben
gegen die da oben kann man nix machen... kreativer Protest gegen corona-querfront in Lüneburg am 23.5.2020

Kreativer Protest wirkt!

Am gestrigen Samstag gab es mal wieder zwei Kundgebungen in Lüneburg. Die #CoronaQuerfront Kundgebung und eine antifaschistische Gegenkundegebung. Die Versammlung waren im Clamart Park angemeldet. Doch, kaum hatte die Anmelderin der „Corona-Kundgebung“ das Wort ergriffen, wurde sie von oben mit antifaschistischer Musik begleitet. Zwei Menschen hatten einen Baum erklommen.

Polizei und Corona Querfront suchten hektisch nach der Quelle für die Musik – im Baum waren die Menschen mit ihrer Antifa-Fahne schwer zu sehen – und zogen lange verdutzte verärgerte Gesichter. Bei der Antifa-Kundgebung am anderen Ende des Parks wunderte man sich über die antifaschistische Musik, bis nach wenigen Sekunden Jubel ausbrach, als klar wurde, woher sie kam.

Polizeidirektor Brauer guckt nach oben Richtung Aktivistis im Baum
Polizeidirektor Brauer guckt nach oben Richtung Aktivistis im Baum
Antifa-Fahne im Baum, schwer zu sehen
Antifa-Fahne im Baum

Die antifaschistische Musik schien der „Corona-Kundgebung“ Menschen nicht zu gefallen. Sie zogen in Absprache mit der Polizei zu einem anderen Park (Liebesgrund). Der Umzug gestaltete sich in der Innenstadt ganz schön chaotisch. Durcheinander von Teilnehmer*innen beider Kundgebungen, verwirrte Passant*innenblicke, Menschenstau an der Baustelle Bardowicker Strasse, keine Polizei in Sicht weil diese mit ihren Autos wegen der Baustelle außenrum fuhr. Ein teil der Polizei blieb am Clamart Park bis die Baumaktivis eine Stunde später herunter kletterten.

Gegenkundgebung der Antifa
Gegenkundgebung der Antifa
Corona-Kundgebung am Clamart Park
Corona-Kundgebung am Clamart Park. Alles Frieden Eierkuchen mit Friedenstauben

Ich habe das Ganze begleitet und dokumentiert. Ein paar Zurufe konnte ich mir nicht verkneifen, als die Corona-wutbürger-verschwörer-ersoteriker*innen ihren Unsinn kund taten. Warum ich diese Corona-Kundgebungen ablehne und für gefährlich halte, erläutere ich heute kurz.

Der Protest im Baum war einfach und … wirkungsvoll. Die Musik fand ich gut! Den Aktivistis wurde Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen, welcher auch immer. Ein Prozess mit der Anmelderin der Querfront Kundgebung im Zeugenstand wäre sicherlich spannend! Wir werden sehen, (ob) was kommt.

Die Corona-Kritiker-Leugner*innen fuhren ihre Kundgebung am Liebesgrund fort. Man beschwerte sich über die antifa Musik im anderen Park zuvor und das Durcheinanderbringen des Kundgebungsprogramms. Die gesamte Lautsprecheranlage konnte scheinbar auf die Schnelle nicht wieder aufgebaut werden. In einem Redebeitrag wurde sich darüber beschwert, es gebe wegen Corona keine Grundrechte mehr, insbesondere keine Meinungsfreiheit. Da fragte ich laut wie es denn sein könne, dass die Kundgebung statt finde, dass man sogar in Absprache mit der Polizei zu einem nicht angemeldeten Ort ziehen durfte…und nun seine Redebeiträge halten dürfe, vor einer dicht zusammendrängten Masse, gegen Corono-Demo-Auflagen verstoßend…

Abstand halten? Nix da bei Corona-Kundgebung
Abstand halten? Nix da bei Corona-Kundgebung

Die « Lügenpresse » und die böse GEZ fanden selbstverständlich auch Erwähnung in Redebeiträge. Grenzwertige historische Vergleiche gab es auch. Das Narrativ der neuen Rechte war in einigen Redebeiträgen wiederzuerkennen. Die Querfrontzeitung « demokratischer Widerstand » vom ominösen widerstand2020 wurde bei Corona Querfront Versammlungen andernort angeboten. Die Querfrontler*innen durften ihre Zeitung unter die Menchen verteilen. Der Antifa wurde durch die das Verteilen von Flyern wegen Corona-Schutz untersagt und Repression angedroht. Möglicherweise hatte die corona-Kundgebung diese Auflage auch, aber wie so oft, es wird mit zweierlei Maß gemessen. Der Staat fühlt sich wohl durch Linke Antifas bedrohter also durch der Haufen der da als Coronakritiker*innen/Leugner*innen/Querfront auftrat.

kein Aluhut, aber metall Kügelchen der Verschwörungsideolog*innen fehlte nicht
kein Aluhut, aber metall Kügelchen der Verschwörungsideolog*innen fehlte nicht

Die Anmelderin, eine Tierärztin, sprach über das Virus und das Immunsystem. An sich ein interessantes Thema und einiger ihrer Aussagen würde ich sogar zustimmen. Ja es stärkt das Immunsystem wenn man in die frische Luft geht und es ist gefährlicher Blödsinn dies zu verbieten – nicht desto trotz kommt es dann auf das « Wie » man frische Luft schnappt. Darum ist es bei Schutzmaßnahmen wichtig auf die Verhältnismäßigkeit zu achten, dass die Pest nicht gleich mit Cholera bekämpft wird.

Ich gehöre zu den Kritiker*innen der ersten Stunde, was die autoritären Corona-Maßnahmen angeht. Nur: ich brauche dafür keine Relativierung der Gefährlichkeit des Virus und keine Verschwörungsideologie.

Und tja… wo waren diese ganzen Corona-Kritiker-Leugner*innen, als zu Beginn der Corona-Maßnahmen Grundrechte tatsächlich außer Kraft gesetzt wurden? Wer hat das Demonstrationsrecht, das sie nun nutzen erkämpft? Das waren wir, die „Linken“, die „antifas“! Unsere erste Demo wurde in Lüneburg untersagt, mit Hilfe eines solidarischen Anwaltes haben wir gegen diesen unverhältnismäßigen willkürlichen Verbot erfolgreich gekämpft. Denn Schutzmaßnahmen ja, richtig. Aber es darf nicht über das Ziel hinaus geschossen werden, um autoritäres Gehabe der Regierenden zu befriedigen. Es ist möglich zu demonstrieren, auch unter Berücksichtigung dessen, dass wir uns in einer Pandemie-Situation befinden. Eben! Demonstrieren mit Schutzmaske und Abstand zueinander. Daran hielten sich aber die Menschen heute nicht (die Antifa schon…)! Sie standen dicht zueinander und viele trugen keinen Mund-Nasen-Schutz.

Ich habe keine Lust, dass diese Menschen, die sich wie Virenschleuder verhalten, mich gefährden. Ich habe eine Autoimmunerkrankung, mein Immunsystem spielt verrückt. Corona kann für mich sehr gefährlich werden. Das ist Heuchelei, in Redebeiträge vom Wohlergehen der Menschen zu reden – natürlich nur der Menschen hierzulande, die Situation in den Flüchtlingslagern wurde nicht thematisiert – und sich zugleich so zu verhalten.

Polizeidirektor Brauer neben Ziviauto
Polizeidirektor Brauer neben Ziviauto

Die Anmelderin versuchte zwischendurch mit mir zu reden, als ich dies mit einem Zwischenruf kritisierte. Ich erklärte, mit einer Person die mich gefährdet, nicht reden zu wollen. Sie trug keinen Mund-Nasen-Schutz und scheint zahlreiche Kontakte zu pflegen. Da habe ich in meinem Gegenüber kein Vertrauen, ich will nicht, dass es mir nahe kommt. Außerdem wenn ich im Rollstuhl sitze fallen die Aerosolen der Person beim Sprechen erst recht in Richtung meines Gesichts. Ich musste mehrfach mit dem Rolli zurück setzen, weil die Dame keine 1,5 Meter Abstand zu mir hielt. Bis andere Menschen und ja, sogar ein Polizist reagierten.

Meine Vorsicht ist nicht übertrieben. Der Landkreis Lüneburg gilt gerade zwar als Coronafrei, aber die Dunkelziffer ist nicht bekannt. Und der Fall vom Restaurant in Leer (Niedersachsen) zeigt, dass ein einziger Restaurantbesuch für die Verbreitung des Virus ausreicht. Ich weiß ja nicht wo die Dame sonst hin geht, sich aufhält. Aber wie sie die Gefährlichkeit von Corona herunter spielt und gegen die Schutzmaßnahmen spricht… nö da hab ich wirklich keine Lust auf Körpernähe.

Anmelderin ohne Mund-Nase-Schutz im gespräch mit Polizeidirektor Brauer
Anmelderin ohne Mund-Nase-Schutz im Gespräch mit Polizeidirektor Brauer

witzig dabei, dass mir, weil ich auf Abstand und Mundschutz bestand, vorgeworfen wurde, « staatstragend » zu sein!!!!!! Wenn sie wüssten « wer » ich bin… Muss ich hier nicht näher erläutern, oder? Ich habe mich bei der Bemerkung schlapp gelacht.

Corona Querfront

Ich schreibe hier bewusst, dass es sich bei den Demonstrat*innen der Corona-Demo um Corona Querfront handelt. Ich habe vor Ort keine „hardcore“ Nazis gesehen. Sie schwirrten herum, waren aber nicht beteiligt. Möglicherweise überlegen sie sich noch, ob und wie sie andocken können.

Die Mischung aus besorgten Gutmenschen und Verschwörungsideologen ist allerdings gefährlich. Das ist der Nährboden der neuen Rechte. Ich habe leider feststellen müssen, dass die Menschen schnell hinein rutschen können (siehe meine Erfahrung mit dem Wagenplatz Fango, der Bericht ist 2 Jahre alt, ich weiß nicht wie es heute dort aussieht). Gefährlich ist außerdem, dass keine klare Kante gegen Rechts gezeigt wird. Daher der Begriff Querfront. Wer nach allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht, heiß ein Spruch, der es auf dem Punkt bringt.

Die Corona-Demos erinnern mich an die „Mahnwachen für den Frieden“, die 2014 entstanden. Wir sind doch alle für den Frieden… was kann denn schlecht daran sein? Und das ist auch was ich mit besorgten Gutmenschen meine, sie waren vielfach auf diese Mahnwachen anzutreffen, viele mit „guten“ Absichten. Interessanterweise begann die heutige Kundgebung mit der gleichen Inszenierung, Fahnen mit Friedenstauben überall. Kann doch nicht schlecht sein, oder? Auf den Mahnwachen für den Frieden wurden aber Verschwörungsideologien geteilt, Reichsbürger kamen regelmäßig zu Wort, Nazis nahmen offen daran teil und wurden toleriert oder gar explizit eingeladen. Ich bin keine Expertin, über diese Mahnwachen haben vor mir andere geschrieben und zurecht davor gewarnt. Das ist und war gefährlicher Querfront. Die Corona-Demos sind es auch.

Auftakt Corona-demo mit den Friedenstauben
Auftakt Corona-demo mit den Friedenstauben (u.a Fahne am Baum), wir sind doch alle für den Frieden, oder?

Darum finde ich den Begriff Corona-Querfront richtig, als Unterscheidung von anderer Art von Kritik an die Corona-Politik. Ich gehe mit dem Corona-Querfront nicht mit. Es heißt jedoch nicht, dass ich mit der Politik der Regierung einverstanden bin. Kapitalismus war vor Corona scheiße! Und ist es immer noch.

Es gibt viele Gründe zu Protestieren: gegen das Massensterben im Mittelmeer, die unwürdige Behandlung von Geflüchteten in Camps an den EU-Außengrenzen und in Lagern hierzulande. Gegen die angekündigte bescheuerte Abwrackprämie, dagegen gibt es am 29.5. einen Aktionstag von Sand im Getriebe. Gegen das 9 Milliarden Euro Geschenk an die Lufthansa. Capitalism kills climate! Gegen Massentierhaltung und unwürdige Arbeitsbedingungen in Schlachthöfe, gegen die Ausbeutung der Erntehelfer*innen. Für mehr Geld und Mittel für Pflegekräfte (statt Applaus). Gegen die Heimpolitik und das neue Sphansinn-Gesetz zur Heimpflicht für künstlich beatmete Menschen. Wir haben ja mit Corona gesehen, dass Heimunterbringung die Menschen in Gefahr bringt, Coronaviren haben es dort am leichtesten.

Nur um ein paar aktuelle Beispiele zu nennen… es gibt viel zu tun, für eine bessere Welt. Aber das wird erst recht nicht mit einem Corona Querfront passieren!

Das war kein « Lärm » sondern coole Antifa-Musik!