So entstehen Zugverspätungen – nein wir sind hier nicht beim Postillon, sondern im realen Leben. Der Reihe nach.
Der ICE4 gilt bei der deutschen Bahn als „barrierefrei“, weil er zum Überwinden der Einstiegsstufen über eine bordeigene Rampe für Rollstuhlnutzende verfügt. Das entspricht nicht einmal der Definition von „barrierefrei“, wonach die Infrastruktur so geschaffen werden muss, dass ein selbstbestimmter Einstieg möglich ist, aber geschenkt. Darum geht es in diesem Erlebnisbericht nicht.
Der Vorteil der bordeigenen Rollstuhlrampe soll sein, dass Zugfahren auch außerhalb der Dienstzeiten vom Mobilitätsservice möglich ist. In der Theorie.
Als der Mobilitätsservice mir bei meiner Anmeldung für eine Fahrt im Fernverkehr mit Ankunft um 23h24 in Darmstadt HBf mitteilte, das Zugpersonal werde informiert, dass es die Bordampe nutzen müssen, weil das Service Personal bereits Stunden früher Feierabend machen und der ICE4 glücklicherweise über eine Bordrampe verfüge, dachte mich mir schon meinen Teil. Aber ich war immerhin froh keine Ablehnung für meine Reise mit Rollstuhl zu erhalten.
Die Rampe von Siemens hat keinen besonders guten Ruf. Ob es daran liegt, dass Siemens keine funktionstüchtige Rampe bauen kann, oder dass die Bahn das bekommen hat, was sie bestellt hat, weiß ich nicht.
Jedenfalls merkte ich, als ich dem Zugpersonal die frohe Botschaft zu meinem Ausstieg mitteilte (die Zentrale vom Mobilitätsservice hatte doch nicht informiert), wurden lange Gesichter gezogen und halb laut gegen die Zentrale vom Mobilitätsservice geschimpft. Von wegen mit der Rampe dauere es länger, der Zug würde Verspätung einfachen. „Hilfe beim Ein- und Ausstieg“ steht dann als Verspätungsgrund. Nein! Der wirkliche Grund ist : mangelhafte Barrierefreiheit!
Vor vollenden Tatsachen gestellt, machte sich die Zugmanschaft an der Rampe ran. Ich wollte ja den Zug verlassen. Der Zug war gerade pünktlich in den Bahnhof eingefahren.
Und was folgte ist wie Slapstick-Theater.
„Wo ist die Nummer eins?“ hieß es zunächst. Oh je das fängt gut an, dachte ich mir. Der erste Schrank wurde gefunden. Immerhin.
Bei Schrank drei wurde es stressiger – für das Personal. Diese lies sich nicht öffnen, die insgesamt 4 Bahnmenschen (3 Schaffner und ich glaube Nummer 4 war der Lockführer) machten sich daran. Als sie im begriff waren, aufzugeben, Sprang die Tür des Schranks aus ihrer Verankerung, der Hublift wurde „befreit“. Hurraa!
Doch nicht zu früh freuen… das Ausfahren gestaltete sich schwierig. „Normalerweise müsste sich die Rampe verriegeln lassen, wie geht das normal?“ Es wurde gesucht und gesucht… und nicht herausgefunden, wie die tolle Rampe denn Funktioniert. Das Teil bleib wackeling, unbenutzbar. Die 4 zusammengesteckten Köpfe konnten das Siemens-Rampen-Problem an diesem späten Abend nicht lösen. Und ich saß immer noch im ICE, auf meinen Ausstieg wartend. Der Zug hatte inzwischen über 10min Verspätung. Ich hatte aller Zeit der Welt, Fahrgäste die Situationen und die Probleme mit der Barrierefreiheit zu erläutert. Die jungen Menschen neben mir waren entspannt, etwas amüsiert, verstanden aber auch was für ein Stress die Probleme mit nicht vorhandener Barrierefreiheit bedeuten können.
Das Team gab schließlich mit der Bordrampe auf.
Der Zugführer kam in seiner Verzweifelung auf eine Idee: „ Ist der Bahnsteiglift fest gekettet?“Gemeint war der Hubkäfig, den das Personal vom Mobilitätsservice für Ein- und Ausstiegshilfe nutzt. Das Zugpersonal darf diesen nicht nutzen, „nicht versichert“ aber… drauf wurde ein Auge zugedrückt. Dem „Ernst“ der Situation entsprechend. Der Zugführer wusste immerhin wie dieser funktioniert.
Der Bahnsteighublift konnte schließlich eingesetzt werden und ich war innerhalb von 2 Minuten dann auf dem Bahnsteig. Der Zug konnte seine Weiterfahrt mit 15min Verspätung fortsetzen. Und ich Richtung Bett weiter…
So viel zum barrierefreien ICE4…
Kein Einzelfall
Hier eine Auflistung der Probleme mit dem Lift von Siemens bei barrierefreie Bahn für Alle
Und ein aufschlussreiches Video vom Lift im Einsatz… zwar ein gelunger Einsatz, aber wie…