Am 9.3.2020 habe ich bei der jüngsten Kreistagssitzung in Lüneburg versucht, Fragen zum Thema Barrierefreiheit im ÖPNV in Lüneburg zu stellen. Ich betone hier „versucht“, weil man mich meine Fragen nicht zu Ende stellen lassen hat und die Antworten nichts-sagend ausgefallen sind.
Ich habe mich in der Vergangenheit mehrfach schriftlich an den Landkreis, der für den ÖPNV und die Verträge mit KVG Stade zuständig ist, gewendet. Ohne groß was zu erreichen. Aus diesem Grund wollte ich nun die Bürgerfragestunde nutzen. Ich durfte zwar eine Frage stellen, diese aber nicht erläutern. Aber was bringt ein „Wie ist diesen Zustand mit UN-BRK und § 8 Absatz 3 Personenbeförderungsgesetz in Einklang zu bringen?“ taja die Frage kann nur beantwortet werden, wenn erläutert werden kann – und das geht in kurzen Sätzen – was für ein Zustand gemeint ist. Ich meinte damit sowohl der immer wieder vorkommende Ausschluss von Menschen mit Rollstuhl (oder Kinderwagen und Rollator), weil es in den Bussen nicht ausreichend Platz gibt (nur einen Platz für Rollstuhlfahrende), sowie der (nicht-)barrierefreie Ausbau der Haltestellen.
In Sache Barrierefreiheit ist im Landkreis viel Luft nach oben. Und das ich auch jetzt trotz oder wegen Corona wichtig!
Corona und Mobilität
Auch wenn derzeit die „Coronakrise“ mit COVI-19 die Nachrichtenlandschaft und Gespräche der Menschen dominiert und Menschenansammlung und Ausflüge in die Stadt auf das Minimum zu reduzieren sind: Mobilität und Inklusion bleiben wichtige Themen. Es geht um langfristige Planung und Entscheidungen. Und es geht um Zeiten wie jetzt. Dass Menschen mit Behinderung nicht noch mehr Hürden in den Weg gestellt werden, als sonst. Die Bewältigung der Situation fällt chronisch kranke Menschen schon schwer genug. Ich habe Therapie- und Arzt-Termine, die sich nicht verlegen lassen.
Meine Polyarthritis macht keine Pause einfach so, weil Corona herum schwirrt. Ich brauche eine angemessene Behandlung meiner chronischer Erkrankung. Ich kann nicht mehrere Monate einfach so auf die Therapien verzichten, ohne die Gefahr zu laufen, dass mein Gesundheitszustand sich erheblich verschlechtert.
Sollte ich an COVID19 erkranken – ich passe gut auf, aber früher oder später rechne ich damit – , ja da müsste ich für zwei Wochen darauf verzichten (nehmen wir mal einen nicht zu schweren Verlauf an), klar. Aber zwei Wochen, das ist etwas anderes als zwei Monate oder mehr. Ich rechne damit, dass der Corona-Ausnahmezustand mehrere Monate andauern wird. Und nein es ist keine schöne Vorstellung, diese Pandemie, vor allem wenn man zur Risikogruppe gehört. Ich bin chronisch krank, ich habe eine autoimmun Krankheit und nehme Tabletten, die das Immunsystem unterdrücken (interessante Infos für Patient*innen zu Corona gibt es auf der Homepage der Rheuma Liga). Also bei meinen Reisen wiege ich selbstverständlich ab.
Wenn ich dann aber lese, dass im Regionalverkehr die Bahn Hilfeleistungen für Rollstuhlfahrer*innen, um das Personal vor Corona zu schützen, ablehnt… denke ich mir:
Verdammt nochmal wir sind nur deshalb auf Hilfe angewiesen, weil ihr ständig neue Züge mit blöden Stufen lauft – obwohl es ohne möglich wäre. Ihr sagt dann wir sollten uns nicht beschweren, wir bekommen ja mit Hublift oder Rampen, Ein- und Ausstiegshilfe. Jetzt haben wir hierzulande mit den verstuften“ und „verrampten Zügen und Bussen den Salat! Noch mehr Diskriminierung als sonst!
genervte Cécile
In der Schweiz habe ich Züge genommen, das ging super und ohne fremde Hilfe. Das entspricht dem richtigen Verständnis von Barrierefreiheit!
Barrierefreiheit ist die Auffindbarkeit, Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der gestalteten Lebensbereiche für alle Menschen. Der Zugang und die Nutzung müssen für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe möglich sein; hierbei ist die Nutzung persönlicher Hilfsmittel zulässig.
http://pbefg.ab-nrw.de/
Corona oder nicht: ich will meine Arzttermine wahrnehmen, ich will nicht alleine zu Hause mit unerträglichen Schmerzen die leicht behandelbar sind, zu kämpfen haben. Ich will wissen, wie weit die Beschädigung meiner Halswirbelsäule nach dem jüngsten heftigen Schub voranschreitet – ich habe dafür ein MRT termin, auf den ich schon 3 Wochen warte, in einer Woche. Wenn der Zeitpunkt für bestimmte therapeutische oder gar operative Maßmahnern verpasst wird, droht eine Querschnittlähmung ab Höhe der oberen Halswirbelsäule.
Ich bin zudem Pflegebedürftig, daraus ergeben sich Fahrten zu Personen, die mir helfen können, wenn es aus einem oder anderen Grund in meiner WG nicht geht. In Zeiten von mangelnden Fachkräften im Pflegebereich, basiert die Unterstützung für mich im Alltag auf mein Freundeskreis. Manche Fahrten übernimmt die Krankenbkasse (Taxi) , aber nicht alle. Also nicht meine Fahrten nach Hamburg um mein medizinisches Cannabis bei der Apotheke abzuholen (in Hamburg weil ich dort gut beraten werde und weil die Lüneburger Apotheken, die ich fragte die Arznei nicht bestellen wollten). Auch nicht Fahrten zu einer Bekannten Person, bei der ich mich aufhalten kann, um meine WG temporär zu entlassen (Pflege).
Das war ein kleiner Exkurs um zu erläutern, weshalb Mobilität und Barrierefreiheit immer und zwar auch in Krisenzeiten wie jetzt mit Corona, wichtig sind.
Kreistag: Sitzung(ssaal) mit Barrieren
Am 9.3., dem Tag der Sitzung, war Corona hier im Landkreis noch kein Thema…
Ich hätte mir aber gleich denken können, dass Barrierefreiheit nicht auf der Prioritäten Liste im Landkreis Lüneburg steht.
Jüngst stand in der Zeitung, dass bei der Planung der Event-Halle Arena „vergessen“ wurde, den Behindertenbeirat zur Rat zu holen… und ja in Sache Barrierefreiheit wurde ziemlich viel Mist gebaut, wie man jetzt feststellt. Zwei Vertreter*innen vom Behindertenbeirat waren bei der Sitzung ebenfalls anwesend, ihre Bürgerfragen wurden ähnlich wie meine abgeschmettert. Sinngemäß: Tut uns Leid, wir haben es halt vergessen, euch einzubinden, aber es ist alles gut, wir haben Vorschriften eingehalten. Und wir geben sehr viel Geld für die Halle aus, aber in ihrem Genuss sollen nicht alle kommen. Behindertensport ist nicht vorgesehen, „gehört nicht zum definierten Anforderungsprofil der Halle“, so der Landrat wörtllich.
Barrierefreiheit gehört auch nicht zum „definierten Anforderungsprofil“ des Sitzungssaal. Der Saal war stufenlos betretbar, nicht aber der Zuschauerbereich… der bestand aus einer Art Podest. ich blieb im Durchzug der Eingangstür sitzen. Diese wurde ständig auf und zu gemacht, weil die Abgeordneten sich beim Catering im Raum nebenan versorgen.
Die Fragen
Ich hatte mehrere Fragen, aber ich durfte nur eine Stellen. Da die Fragen zusammenhängen, habe ich es geschafft, zwei einzubringen. Aber ich konnte sie nicht oder nicht ausreichend erläutern… Das tue ich hier damit die Fragen verstanden werden. Die Antworten… fielen der mau aus. Ich bleibe am Ball, ich werde andere Wege suchen. Ich bleibe am Ball, sonst wird nie Verbesserungen geben!
Die erste Frage betraf den ASM, hier mit ausführlicher Erläuterung
Begleitperson von Schwerbehinderten und Anruf Sammel Mobil
Schwerbehinderte haben meiner Meinung nach den gleichen Anspruch auf Mobilität wie Nicht-Behinderte Menschen. Ich bin häufig für Termin mit der Bahn unterwegs. Wenn ich abends mit meiner Begleitung nach Hause fahre, gibt es keinen Bus. Also bin ich auf ASM oder auf eine private Lösung angewiesen. Wenn ich als Schwerbehinderte (Merkzeichen G, aG und B) ASM in Lüneburg nutze, wird von mir UND meiner Begleitperson der Fahrtpreis für die Reise verlangt.
Also zahle ich doppelt, weil ich auf Begleitung angewiesen bin. Ich halte es für rechtswidrig und diskriminierend, dass ich für meine Begleitperson zahlen muss. Das ist für mich am Endeffekt genauso teuer wie ein normales Taxi und der Dienst ist schlechter: längeres Warten, Umwege, immer wieder Fahrer, die nicht wissen wie der Rollstuhl im Fahrzeug von ASM befestigt wird ( = reise ungemütlich und unter Umstände gar gefährlich).
Ich habe mich deshalb schriftlich an den Landkreis gewendet. Es wurde mir mitgeteilt, dass meine Anregung die Regelung zu ändern, weiter gegeben wird.
Ich frage daher: Hat meine Anregung, die Fahrt für die Begleitperson wie es sonst im ÖPNV der Fall ist, kostenlos zu machen, die Fraktionen erreicht? Wie ist die aktuelle Regelung mit dem Verbot der Diskriminierung in Einklang zu bringen? Ist beabsichtigt, zeitnah Abhilfe zu schaffen?
Céciles Bürgerfrage
Die Zweite Frage bezog sich auf die Busfahrzeuge und die Bushaltestellen
Barrierefreiheit und Bussverkehr
Ich komme als Mensch der Mit Rollstuhl unterwegs ist, immer wieder nicht in die Busse rein, weil es keinen Platz für mich gibt (weil es entweder bereits einen anderen Rollstuhlfahrer gibt und es gibt nur 1 Platz pro Bus, oder Kinderwagen, Menschen mit Rollator pp. den Platz bereits besetzen). Dies habe ich öfter dem Landkreis gemeldet.
Es wurde mir geantwortet, dass beabsichtigt ist, Busse mit 2 Rollstuhlplätzen ab 2022 anzuschaffen.
Darüber hinaus sind zahlreiche Bushaltestellen immer noch nicht barrierefrei ausgebaut. Selbst an zentrale Umsteigeplätze wie Am Sande.
Ich frage :
Wann werden die Bushaltestellen denn endlich barrierefrei (also Erhöhung der Bordsteinkante) ausgebaut?. Wie ist der geschilderte Zustand bei den Fahrzeugen und Busteigen mit der UN-BRK und § 8 Absatz 3 Personenbeförderungsgesetz in Einklang zu bringen?
Céciles weitere Bürgerfrage
Der Nahverkehrsplan hat die Belange der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Menschen mit dem Ziel zu berücksichtigen, für die Nutzung des ÖPNV bis 1. Januar 2022 vollständige Barrierefreiheit zu erreichen. Wenn die passenden Busse ab 2022 angeschafft werden, dauert es Jahre bis ich mir sicher sein kann, dass ich befördert und nicht wegen mangelnder Platz für den Rollstuhl abgelehnt werde, wenn ein Bus kommt.
Die Antworten:
Es sei nach wie vor im Gespräch, eine Lösung für ASM zu finden, mein Anliegen werde ernst genommen. Tja warum braucht es so viel zeit, es ist keine Baumaßnahme oder sonst…
Zu der Ausstattung der Busse kam nur die Bestätigung dass man erst ab 2022 Busse kaufen will, die zwei Rollstuhlplätze haben. Kein Wort zur UN-BRK und zum Personenbeförderungsgesetz.
Und man konnte mir nicht sagen, wann die Bahnsteige barrierefrei ausgebaut werden, das dauere alles lange. Spricht es scheint so zu sein, dass die Baumaßnahmen nicht mal geplant sind. 2022 wird sicher nicht eingehalten. Und hier wieder kein Wort und UN-BRK und Personenbeförderungsgesetz.
Wie weiter?
Ich bleibe am Ball. Ich werde gucken, ob der Behindertenbeirat mich unterstützen kann (aber der Landkreis scheint seine Ratschläge nicht für wichtig zu halten). Ich werde meine Fragen an Die Linke weiter geben, damit ich konkrete Zahlen (zu wann Bahnsteige ausgebaut werden) und konkretere Antworten darüber erhalte, wie das alles mit UN-BRK und Personenbeförderungsgesetz im Einklang zu bringen ist.
Wenn es sich nichts ändert und die Fristen nicht eingehalten werden, verliere ich spätestens am 1.1.2022 die Geduld und klage die Barrierefreiheit vor Gericht ein. Zur Bahn gibt es ein rechtliches Gutachten, das als Grundlage für Klagen dienen könnte. Ich denke ich kann es auch für eine Klage zum ÖPNV Busverkehr nutzen.
Das Rechtsgutachtens von Rechtsanwalt Dr. Oliver Tolmein heißt „EU-Fahrgastrechte und die Beförderungssituation von Menschen mit Behinderungen im deutschen Bahnverkehr“
Das Rechtsgutachten wurde von der Schlichtungsstelle BGG (Behindertengleichstellungsgesetz) aufgrund eines Schlichtungsantrages der ISL in Auftrag gegeben. Die ISL fordert unter anderem, dass alle Fahrgäste mit Behinderungen an allen Bahnhöfen zu allen Zeiten mit Zugverkehr bei Bedarf eine Assistenz zum Ein- und Ausstieg erhalten.