Die SPD gerät vor der morgigen Großdemonstration gegen das neue Polizeigesetz in die Defensive und versucht es zu verteidigen: „Die Behauptung, ein präventiver Polizeigewahrsam oder andere präventive Maßnahmen könnten künftig nahezu jeden treffen, ist falsch.“ Schreibt sie auf ihrer Seite.
Wie bitte? Das ist Realitätsverweigerung und Heuchelei. Denn Gewahrsamnahmen – und zwar auch Langzeitgewahrsam – werden bei der jetzigen Gesetzeslage jetzt schon beispielsweise zur Einschüchterung und Kriminalisierung von unerwünschtem politischem Protest missbraucht. Oder war mein Langzeitgewahrsam beim CASTOR-Transport 2008 eine Halluzination?
Baumklettern gegen den Castor wurde damals durch Polizei und Gerichte einfach zu einer Handlung erklärt, die die öffentliche Sicherheit derart gefährdet, dass ich präventiv eingesperrt wurde. Es wurde anhand von durch die Polizei gesammelten Daten wie Redebeiträge auf Demonstrationen eine „Gefahrenprognose“ erstellt und schnell war der mehrtägige Gewahrsam beschlossene Sache. Als das Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG) damals verabschiedet wurde, war natürlich nicht die Rede davon. Jetzt sollen die Befugnisse der Polizei erweitert werden, aber nein das wird niemals missbraucht verspricht und die SPD.
Zu meinem Langzeitgewahrsam habe ich die Informationen auf meiner Homepage gesammelt, das kann alles nachgelesen werden, dort habe ich auch eine Kurzgeschichte aus meinem Buch veröffentlicht: « Wenn der Staat seine Bürger*innen schützt »: http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/repression/langzeitgewahrsam.html
Für wie doof hält die SPD die Menschen? Das neue Gesetz bietet alles andere als Rechtssicherheit, die Begriffe und Paragrafen sind zum Teil derart unbestimmt, dass der Spielraum für dessen fantasievollen Auslegung durch die Polizei enorm ist.
Bei „Gefährdern“ wird schwadroniert, es gehe um islamistischen Terror und das Gesetz ziele darauf, sei zur Bekämpfung von Terrorismus notwendig.
Aus der SPD-Homepage: „Ein Gefährder ist etwa ein Islamist oder ein Extremist, bei dem die Polizei aufgrund bestimmter Tatsachen oder Anhaltspunkte einen konkreten Verdacht hat, dass diese Person in absehbarer Zeit einen Anschlag oder eine ähnliche Straftat vorbereitet.“
Ein solches Gesetz ist zum einem nicht zur Bekämpfung von Terrorismus nötig. Die aktuellen Straf- und Polizeigesetze reichen dafür aus. Es ist zum anderen einfach falsch, was die SPD hier schreibt.Gefährder ist ein unbestimmter auslegbarer begriff, das ist meine persönliche Erfahrung.
Oder weshalb wurde ich bereits als „relevante Person“ in Polizeidateien geführt? Der Begriff „relevante Person“ steht im direkten Zusammenhang mit dem Begriff „Gefährder“. Das sind ebenfalls Personen, denen die Polizei zutraut, Staatsgefährdende Straftaten vorzubereiten. Das war zumindest das Ergebnis einer parlamentarischen Anfrage. Also ist ein Missbrauch des neuen Gesetzes zur Unterbindung von Umweltprotest oder anderem politischem Engagement, das denn Herrschenden nicht in den Kram passt, vorprogrammiert.
Das sehen wir auch aktuell im Hambacher Forst, das kurzer Hand durch die Polizei zu einem „Gefährlichen Ort“ erklärt wurde, um die Aushebung von Grundrechten zu rechtfertigen. Was eine „Gefahr“ oder ein „Gefährder“ ist bestimmt die Polizei offensichtlich nach ihren eigenen Regeln und Fantasie.
Zu der willkürlichen Einstufung als „relevante Person“ habe ich einen Blog-Artikel vor wenigen Monaten veröffentlicht. Das kannst du hier nachlesen: http://blog.eichhoernchen.fr/post/Einstufung-einer-Umweltaktivistin-als-relevante-Person
Ein letztes Beispiel für heute: Überwachung betrifft nur die bösen Terroristen? Das jetzige Gesetz wird jetzt auch schon zur Kriminalisierung von unerwünschtem politischem Protest missbraucht – und das soll nun mit weiteren Überwachungsmaßnahmen ausgeweitet werden!
Oder war meine Überwachung durch das MEK vor dem CASTOR-Transport auch eine Halluzination? Darüber habe ich vor kurzem eine Kurzgeschichte aus meinem Buch „Kommen Sie da runter!“ in diesem Blog veröffentlicht: http://blog.eichhoernchen.fr/post/Telekinese-im-Ueberwachungsstaat
Ich hätte nicht gedacht, dass mein Buch, das bereits 2014 erschien, heute noch so aktuell sein würde.