Bericht Teil II
Atomkraftgegner*innen sind für das Gericht nur Störer
Der Einstieg in die inhaltliche Verhandlung verzögerte sich weiter, aufgrund unverhältnismäßiger Eingangskontrollen. Ich habe die Verletzung der Gerichtsöffentlichkeit durch Stigmatisierung, Kriminalisierung und Einschüchterung der Prozessbesucher*innen und mit Verweis auf Rechtsprechung, die solche Unverhältnismäßige Eingangskontrollen als rechtswidrig eingestuft hat.
Der Amtsrichter hatte scharfe Kontrollen angeordnet, nicht mal alle Zuschauer*innen durften einen Stift in den Saal mitnehmen, einer Zuschauerin wurde gedroht, sie in den Keller einzusperren, weil bei ihrer Durchsuchung etwas Konfetti aus der Kleidung fiel. Jaaa total gefährlich!
Hinzu kommt, daß die Gerichtsöffentlichkeit kein Störer i.S.d. Polizeirechts ist, weshalb sie bei dem Betreten des Gebäudes als Nichtstörer zu betrachten sind. Ein Nichtstörer darf zwar auf seine Person beim Betreten des Gebäudes kontrolliert werden, dies kann jedoch nicht dazu führen, daß bei einem Verfahren ohne Gefährdungslage eine derart intensive Kontrolle durchgeführt wird, wie sie in Hochsicherheitstrakten bzw. bei Flughäfen der Fall ist.
Zur EinleitungVG Wiesbaden, Beschluss vom 20.01.2010 – 6 K 1063/09.WI
Zuschauerin abgewiesen
Wohl wissend, dass die Einschränkung der Öffentlichkeit ein Revisionsgrund sein kann, lies der Richter ins Protokoll der Hauptverhandlung aufnehmen, es haben alle Zuschauer*innen, die die Verhandlung besuchen wollen, Zutritt erhalten. Eine Wahrheitserfindung, wie sich später heraus stellte. Eine Frau wurde vor die Tür gesetzt, weil sie zu viele Fragen zu den Kontrollen stellte, wie das Bündnis AgiEL mitteilte. Die Beschwerde der Frau liegt mir inzwischen vor (Pdf, anonymisiert).
Der Richter behauptet zudem, keinen Einfluss auf die Eingangskontrollen zu haben, diese habe der Amtsgerichtsdirektor angeordnet. Seltsam. Es dürfte die Halbe Wahrheit sein. In der Akte gibt es eine Verfügung, von Richter Hofmeier persönlich unterschrieben, mit der Eingangskontrollen für den 11.2. und 18.2. angeordnet wurden. Einzig der Demonstrationsverbot vor dem Gerichtsgebäude, scheint der Amtsgerichtsdirektor unter Verweis auf sein Hausrecht angeordnet zu haben.
Grundrechte am Amtsgericht Lingen? NiX da!
Aber am ende geht es bei der Einlegung von Rechtsmittel nicht um das Geschehene, sondern um das was als Wahrheit im Namen des Volkes ins Protokoll aufgenommen wurde.
Zivil-Polizist beschwert sich „privat“ über die Verteidigung beim Amtsrichter
Der Richter lehnte im weiteren Verlauf, meinen Antrag möglicherweise im Publikum anwesende Zivilpolizisten aus der Verhandlung wegen ihrer Einflussnahme auf das Verfahren auszuschließen. Ich durfte meinen schriftlich vorbereiten Antrag erst gar nicht einbringen.
Ich habe den Antrag mündlich damit begründet, dass es viele Gründe gibt, anzunehmen, dass Beamten in zivil im Publikum anwesend sind – Zuschauer*innen haben mir nach der Verhandlung mitgeteilt, dass tatsächlich mind. zwei Beamt*innen im Publikum saßen. Der aktenkundige Brief des Polizeibeamten H., der sich „privat“ an den vorsitzenden wendete um sich über den Ablauf der ersten Verhandlungstag im Herbst zu beschwerten, belege außerdem die Tatsache, dass Beamten in dem Fall Privatem von Beruflichem nicht trennen und Einfluss auf das Verfahren nehmen. Der Inhalt des Briefes wurde in der Hauptverhandlung sinngemäß wieder gegeben.
Beschwerdebrief ans Gericht
Beim ersten Prozessanlauf am 8.10.2019 waren zwei Beamten anwesend. Diese erklärten zwar nur aus „privatem“ Interesse anwesend zu sein. Einer der Beamten erklärte aber im Staatsschutz tätig zu sein. Die Gefahr, dass er in seiner Dienststelle über den heutigen Fall plaudert und direkte Zeugen beeinflusst ist gegeben. [… ]
Auch hat sich nach der Verhandlung vom 8.10.2019 Herr H. persönlich beim Vorsitzenden gemeldet. Er ist Polizeibeamter bei der Polizei in Lingen. In seinem aktenkundigen Schreiben beschwert er sich darüber, wie er am 8.10. behandelt wurde (dass er sich als Polizeibeamter outen musste, warum das wichtig ist wird in diesem Antrag ausführlich erläutert.) und an seinem Schreiben ist genau zu sehen, dass er Privatem von Beruflichem nicht trennen kann. Er bezieht sich im Schreiben auf seine Erfahrung als Polizeibeamter und beschwert sich über die Verteidigungsstrategie der Verteidigung und versucht Einfluss auf diesen Prozess zu nehmen, u.a. mit Hinweis auf seinen Beruf. So behauptet er, dass Prozessbeobachter*innen den Prozess wortwörtlich während der Verhandlung getwittert hätten. Und er weiß dass sein Wort als Polizeibeamter bei Gericht Eindruck macht. Und schwuppdiwupp haben wir es nun mit deutlich schärferen Eingangskontrollen zu tun mit Handy Verbot. Welch ein Zufall! Aber nein das hat sicher nicht mit diesem Beamten zu tun, oder doch? Es ist meines Wissens zum einen nicht grundsätzlich verboten, über Twitter über eine Verhandlung zu berichten und Zitaten aus der eigenen Notizen zu verwenden. Es ist außerdem unzutreffend, dass damals WÄHREND der Verhandlung über den Prozess auf Twitter berichtet wurde. Es wurde davor und danach berichtet. […]
Auszug aus der schriftlichen Begründung meines Antrages, den ich nur in Auszügen mündlich einbringen durfte.
Mein Anwalt schaltete sich hier ein und unterstrich die Einflussnahme des Polizisten auf das Verfahren. Der Vorsitzende sagte sodann, die Kontrollen haben mit dem Brief nichts zu tun, er habe andere Quellen (ich wüsste gern welche, ich habe nichts gefunden). Wieder Wahrheits(er)findung?
Eine Internetrecherche hat zudem ergeben, dass der Polizeibeamte H. im Presseteam der Lingener Polizei ist und die Socialmedia Accounts mitbetreut. Es ist somit nicht auszuschließen, dass der Beamte indirekt mit der Demonstration vom 19.1.2019 beschäftigt war in dieser Funktion. Die Polizei veröffentlichte Meldungen über ihre Socialmedia Accounts sowie eine Pressemitteilung zur Demonstration gegen die Brennelementefabrik. Wohlgemerkt mit Fake News als es die Rede von Hausfriendensbruch und Sachbeschädigung war. Es gab nachweislich keinen strafbaren Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung.[…]
Weiterer Auszug aus dem Antrag
Zivi-Einmischung auf Twitter
Das ist leider kein Einzelfall, die Kolleg*innen verhalten sich ähnlich. Nach der Hauptverhandlung hat ein Twitter Nutzer Namens @Eminovic86 über die Verhandlung getwittert, er will das Video aus der Akte kennen. Twittert aber privat darüber. Der Account gehört höchstwahrscheinlich einem Polizisten der Lingener Polizei (so weit ich weiß ist es aber kein privater Account vom Verfasser des Briefes). Wo stammt sein Kenntnis der Akte her? War er im Saal anwesend, als das Video im Rahmen der Beweisaufnahme am Dienstag vorgespielt wurde? Was beredet er nun mit den Kollegeg*innen? Oder hat er Zugagn zum Video auf der Wache erhalten und plappert nun « privat » darüber?
Wahnsinn wie viele Polizisten sich „privat“ für das Verfahren interessieren!
Zum Bericht Teil III: Lange Zeugenbefragung und Gericht ohne Menschenwürde