Ende Gelände lässt sich nicht einschüchtern – Prozessbericht

Ich übernehmen einen Artikel von Hannes über die Prozesse gegen Klimaaktivist*innen im Rheinland – der Artikel enthält ein Bericht über den Prozess um die Kletteraktion an der Autobahn bei Ende Gelände 2015. Ich verteidige in diesem Prozess (Siehe auch Laienverteidigung). Er wird am 5.12. um 13 Uhr vor dem Amtsgericht Erkelenz fortgesetzt. Der Artikel ist in der Zeitschrift Graswurzelrevolution Nr. 414 (Dezember 2016) erschienen. Aktuelle Infos zu den Prozessen gibt es zudem auf der Antirep-Seite.

Repressionswelle gegen Klima-AktivistInnen

Das Klimagerechtigkeits- und Anti-Braunkohle-Bündnis Ende Gelände, das 2015 mit knapp 1.500 Menschen den rheinländischen Tagebau Garzweiler stundenlang stilllegte und 2016 mit mehr als 3.500 Menschen beträchtliche Teile der Lausitzer Braunkohleinfrastruktur für ein ganzes Wochenende blockierte (die GWR berichtete), sieht sich in diesem Herbst einer erwartbaren, aber dennoch anstrengenden Repressionswelle ausgesetzt.
Fast wöchentlich laden die zuständigen  Amtsgerichte in Erkelenz und Grevenbroich nun Aktivist*innen ein, die während der Aktionen 2015 am Tagebau Garzweiler festgenommen  wurden. Ein großer Teil der damals Festgenommenen stellte die Polizei durch die Verweigerung der Personalienangabe vor eine unlösbare Aufgabe und konnte somit der Verfolgung durch die Justiz entgehen; scheinbar ein Grund mehr für die Strafverfolgungsbehörden, sich mit besonderer Härte denjenigen zuzuwenden, die sich identifizieren ließen und sie stellvertretend für alle Aktivist*innen abzustrafen. Die Vorwürfe gehen dabei von Hausfriedensbruch, über Landfriedensbruch bis hin zum versuchten schweren Eingriff in den Straßenverkehr.

Ich übernehmen einen Artikel von Hannes über die Prozesse gegen Klimaaktivist*innen im Rheinland – der Artikel enthält ein Bericht über den Prozess um die Kletteraktion an der Autobahn bei Ende Gelände 2015. Ich verteidige in diesem Prozess (Siehe auch Laienverteidigung). Er wird am 5.12. um 13 Uhr vor dem Amtsgericht Erkelenz fortgesetzt. Der Artikel ist in der Zeitschrift Graswurzelrevolution Nr. 414 (Dezember 2016) erschienen. Aktuelle Infos zu den Prozessen gibt es zudem auf der Antirep-Seite.

Repressionswelle gegen Klima-AktivistInnen

Das Klimagerechtigkeits- und Anti-Braunkohle-Bündnis Ende Gelände, das 2015 mit knapp 1.500 Menschen den rheinländischen Tagebau Garzweiler stundenlang stilllegte und 2016 mit mehr als 3.500 Menschen beträchtliche Teile der Lausitzer Braunkohleinfrastruktur für ein ganzes Wochenende blockierte (die GWR berichtete), sieht sich in diesem Herbst einer erwartbaren, aber dennoch anstrengenden Repressionswelle ausgesetzt.
Fast wöchentlich laden die zuständigen  Amtsgerichte in Erkelenz und Grevenbroich nun Aktivist*innen ein, die während der Aktionen 2015 am Tagebau Garzweiler festgenommen  wurden. Ein großer Teil der damals Festgenommenen stellte die Polizei durch die Verweigerung der Personalienangabe vor eine unlösbare Aufgabe und konnte somit der Verfolgung durch die Justiz entgehen; scheinbar ein Grund mehr für die Strafverfolgungsbehörden, sich mit besonderer Härte denjenigen zuzuwenden, die sich identifizieren ließen und sie stellvertretend für alle Aktivist*innen abzustrafen. Die Vorwürfe gehen dabei von Hausfriedensbruch, über Landfriedensbruch bis hin zum versuchten schweren Eingriff in den Straßenverkehr.

Ab Mitte dieses Jahres erhielten die ersten Aktivist*innen sogenannte Strafbefehle zugestellt. Die Geldstrafen bewegten sich dabei je nach Vorwurf zwischen 300 und 2400 Euro und waren damit von vornherein ungewöhnlich hoch angesetzt. Selbstverständlich wurde von Seiten der Aktivist*innen Widerspruch gegen diese Verurteilungen eingelegt, sodass nun eine Menge Verfahren in den entsprechenden Amtsgerichten anstehen. Von Anfang Oktober bis Mitte November wurden insgesamt vier Hauptverhandlungen in Erkelenz begonnen, von denen bisher nur eine abgeschlossen wurde. Die Schlagzahl wird sich in den kommenden Wochen nochmals deutlich erhöhen, weil die angefangenen Verhandlungen fortgeführt werden und auch das Amtsgericht Grevenbroich begonnen hat, massenhaft Prozesstermine zu verschicken.

Zum Auftakt der Prozessserie wurden der Tatbestand des Landfriedensbruchs und des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz wegen Vermummung verhandelt. Als Landfriedensbruch gelten Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen, die aus einer Menschenmenge heraus in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise begangen werden. Insgesamt konnte der ausgesprochen schwere Vorwurf des Landfriedensbruchs nicht aufrechterhalten werden, wobei der Richter während seiner Einschätzung zur Rechtslage eine sehr ungewöhnliche Rechtsauffassung offenbarte, als er äußerte, für ihn gelte es als gewaltsam, wenn ein Polizist zur Seite treten müsse. Zudem wertete er die Atemschutzmaske als Grenzfall zur Vermummung und damit als möglichen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Nach einer kurzen Rechtsbesprechung einigten sich die beteiligten Parteien auf eine Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung von 500 Euro an die Amadeu Antonio-Stiftung und damit auf einen Bruchteil der im Strafbefehl geforderten 2400 Euro. Bemerkenswert an dem Prozess waren zudem die Aussagen des Polizeizeugen, der anführte, dass die Aktivist*innen auf der Brücke geschlossen mit Strohsäcken eine Polizeikette durchbrochen und damit auch Kollegen von ihm zu Fall gebracht hätten – Aussagen die leicht durch Videos und Fotos zu entkräften gewesen wären; eine Möglichkeit, die leider nicht genutzt wurde. Dennoch zeigte sich damit beispielhaft die ergebnisorientierte Aussagekultur und somit auch die Unglaubwürdigkeit von Polizeizeugen.

Die Unhaltbarkeit der Anklage bestätigte sich ebenfalls beim zweiten Landfriedensbruchprozess, den der Richter damit begann, den Vorwurf aufzuheben. Stattdessen wurde der Angeklagten nun ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz wegen Schutzbewaffnung und/oder Vermummung (Mitführen eines Strohsacks, Mundschutz & Sonnenbrille im Gesicht) vorgeworfen. Der Richter könne sich aber vorstellen, ebenfalls wie im voran gegangenen Prozess das Verfahren gegen Zahlung einer Auflage einzustellen. Das lehnten Verteidigung und Angeklagte ab, da sie keine Notwendigkeit für ein solches Zugeständnis sahen. Im Folgenden drehte sich die Diskussion fast ausschließlich um den Strohsack. Obwohl sogar der Polizeizeuge aussagte, die Angeklagte hätte den Strohsack nach der Festnahme lediglich als Sitzkissen benutzt, zeigte sich schnell, dass Gericht und Staatsanwaltschaft nicht Willens sind, die Klima-Aktivistin unbestraft aus dem Prozess zu entlassen. Auf Antrag des Verteidigers wurde der Prozess ausgesetzt, um sich gezielt auf die neue Anklagesituation vorbereiten zu können.

Ebenfalls vertagt wurde das Urteil über den Hausfriedensbruch. Unter dem fadenscheinigen Argument, der Wahlverteidiger – ein ausgesprochen erfahrener und auch bekannter Laienverteidiger – könne seine juristischen Kenntnisse nicht nachweisen, wurde der Prozess direkt zu Beginn zur Klärung von dessen Kompetenz verschoben.

Nur einen Tag später vertraten drei Laienverteidiger*innen drei Aktivist*innen, die des „versuchten schweren Eingriffs in den Straßenverkehr“ angeklagt waren. Eine der verteidigenden Personen war eben jener Laienverteidiger vom Vortag – da aber Richter und Staatsanwältin gewechselt hatten, durfte die Laienverteidigung diesmal ohne Einwände ihre angedachte Aufgabe antreten. Somit begann ein kämpferisch und offensiv geführter Prozess, der sich über den gesamten Prozesstag erstreckte. Kleine Schmankerl in diesem ansonsten sehr ernsten Prozess war das unter Jubel der Anwesenden durchgeführte Entrollen des Banners mit der Aufschrift „Kohle Killt!“, um Erinnerungslücken der Polizeizeugen zu schließen.

Im Anschluss an die Zeugenbefragung sollte mithilfe von vier Beweisanträgen abgeklopft werden, ob der Richter die gegen die Anklageschrift erbrachten Argumente auch als Beweise würdigen würde. So formulierten die Aktivist*innen, dass der Verkehr während der gesamten Kletteraktion uneingeschränkt weiterlaufen konnte und sie somit kein Hindernis für diesen darstellten. Auch seien sie alle gut geübte Kletter*innen, die weder sich noch andere Personen in Gefahr bringen würden. Um dies zu untermauern, beantragten sie Simon Bromma zu laden, ein in Heidelberg enttarnter Polizeispitzel, der sich unter anderem in klimaaktivistischen Zusammenhängen bewegte und an einer Kletter*innenausbildung teilgenommen hatte. Zudem hätten sie mit der Aktion von ihrem Versammlungsrecht Gebrauch gemacht, um auf die zerstörerischen Auswirkungen der Kohleverstromung hinzuweisen und diese Versammlung sei auch nicht rechtskräftig aufgelöst worden. Zu guter Letzt legten sie dar, dass der menschengemachte Klimawandel heute schon Menschenleben kostet und dass ein schnellstes Eingreifen von Nöten ist, um die Erderwärmung zu begrenzen und dass somit ihre Handlungen durch einen rechtfertigenden Notstand gedeckt seien. Alle Beweisanträge wurden vom Richter zwar abgelehnt, jedoch mit der Begründung, dass die vorgestellten Tatsachen als wahr unterstellt werden könnten. Somit stimmte er faktisch der gesamten Argumentationslinie zu, stellte aber formal fest, dass es nicht notwendig sei dazu zusätzliche Beweise zu erheben. Nach knapp sechsstündiger Verhandlung sah auch die Staatsanwaltschaft ein, dass ihr Vorwurf nicht haltbar ist. Doch führte dies nicht zu einer Verfahrenseinstellung. Stattdessen wurde der Tatvorwurf abgeändert und ein zweiter Prozesstag angesetzt.

Spätestens nach diesem Prozess ist offensichtlich, dass das Gericht am Ende der Prozesse unter keinen Umständen Freisprüche aussprechen möchte. Keiner der verhandelten schweren Vorwürfe, die im Strafbefehl erhoben wurden, war auch nur im Ansatz haltbar. Dass diese Strafbefehle überhaupt verschickt wurden, obwohl sie keiner gerichtlichen Untersuchung standhalten, muss als stumpfe, aber eindrückliche Methode der Einschüchterung betrachtet werden. Schließlich ist ein enormer zeitlicher und emotionaler Aufwand nötig, um die erhobenen Vorwürfe zu entkräften. Der im Raum stehende Vorwurf und die damit einhergehende staatliche Bestrafung basierten in keinem der Prozesse auf der gegebenen Faktenlage und es ist skandalös, dass sich die Strafverfolgung nicht entblöden lässt, auf politischen Druck hin drastisch gegen Klimaaktivist*innen vorzugehen. In diesem Zusammenhang ist es auch brisant festzuhalten, dass der Vorwurf Hausfriedensbruch nicht verhandelt, sondern verschoben wurde. Das Gericht wird die Frage beantworten müssen, ob diese zivil ungehorsame Blockade der Grube in Anbetracht der klimaschädlichen Handlungen RWEs nicht aus einem rechtfertigenden Notstand heraus durchgeführt wurde. Ob dieses Urteil  im Herzen des rheinischen Braunkohlereviers abschließend gefällt wird, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Doch völlig unabhängig davon, wie die Gerichte in den einzelnen Fällen entscheiden; Ende Gelände wird auch 2017 wieder massenhaft Kohleinfrastruktur blockieren und sich nicht vom staatlichen Repressionsapparat einschüchtern lassen. Klimaschutz bleibt Handarbeit – mehr denn je.

Hannes

Une réflexion sur « Ende Gelände lässt sich nicht einschüchtern – Prozessbericht »

  1. Update vom 5.12.

    Die Staatsanwaltschaft hat den Prozess platzen lassen. Nach 6 Stunden Verhandlung und 2,5 Wochen zwischen den Verhandlungstage will sie wissen, dass die Verteidiger keine Rechtskunde haben und hat gegen die Genehmigung der Verteidiger*innen nach §138II StPO Beschwerde eingelegt. Besagte Beschwerde liegt aber noch nicht schriftlich vor, die Staatsanwältin war mit der Formulierung nicht fertig. Interessant: die Vertreterin der Staatsanwaltschaft, die die Beschwerde formuliert, war am ersten Verhandlungstag gar nicht dabei, will aber Dinge wissen, die ihrer Kollegin die am 16.11. beim ersten Prozesstag sechs Stunden lang nicht aufgefallen sind – gegen die Genehmigung der Verteidiger*innen hatte die Kollegin keine Einwände erhoben. Interessant auch, dass die Staatsanwältin die nur wegen angeblich fehlender Rechtskunde gegen die Verteidiger*innen vorgeht, in einem anderen Endegelände-Prozess – nämlich den Hausfriedensbruch-Prozess vom 15.11. gegen die Bestellung eines Verteidigers vorging mit Verweis auf ein Gesetz, dass es schon 9 Jahre nicht mehr gibt.

    Die Verhandlung wurde auf Grund der Beschwerde der Staatsanwältin nach ca. 15 Minuten geschlossen. Der Prozess dürfte damit erstmals vorbei sein. Denn es kann Monate dauern, bis das Landgericht über die Beschwerde entscheidet… der Prozess muss dann von neuem Beginnen. Die Angeklagten und Zeugen, die weit weg wohnen müssen dann wieder antanzen und das teure Autobahngutachten erneut vorgestellt werden (Beweisaufnahme muss wiederholt werden).  Ach und es kann sein, dass der Vorwurfskarussel auch weiter geht! Der Staatsanwaltschaft scheint aufgefallen zu sein, dass am Vorwurf des versuchten gefährlichen in den Straßenverkehr nichts dran ist. Also will sie es nun mit der Nötigung versuchen – es ist somit die 2. Änderung des Vorwurfes.

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