So unterschiedlich können Gerichtsverhandlungen Ablaufen. In Heilbronn durfte ich im April keine Anträge stellen und wurde raus geschmissen, weil ich dieses recht dass jedem Angeklagten und Betroffenen zusteht einforderte (Bericht). Gegen das Urteil läuft noch mein Rechtsmittel. In Hamburg lief es bei meinem Prozess um eine Abseilaktion gegen ein Uranzug dagegen entspannter. Ich durfte meine Anträge einbringen und es wurde sachlich verhandelt. Das bekräftigt meinen Eindruck wonach die Verhandlungsleitung von Richter Reißer in Heilbronn einfach nur willkürlich war. Der Prozess am Amtsgericht Hamburg Harburg war und ist trotzdem politisch motiviert. Repression hat nun mal viele Gesichter.
Ich veröffentliche heute meinen Bericht über den Prozess in Hamburg Harburg.
Am Mittwoch fand vor dem Amtsgericht Hamburg Harburg ein Prozess um eine Kletteraktion gegen Urantransporte statt. Hintergrund war die 7-stündige Verzögerung eines Uranzugs bei seiner Abfahrt aus der Terminal von der Atom-Umschlagfirma C. Steinweg im Hamburger Hafen im November 2014. Die radioaktive Fracht war für die Uranfabrik von Orano (ex AREVA) in Südfrankreich bestimmt. Angeklagt sind zwei Kletter*innen in zwei verschiedenen Verfahren, die sich in über der Bahnstrecke aufgespannten Seilen aufhielten. Die Sitzblockierer*innen wurden nicht angeklagt.
Gerichte und Staatsanwaltschaft streiten seit nun ca. 4 Jahren um die Strafbarkeit der Handlung. Wie eine Demonstration im Luftraum einer Bahnanlage einzuordnen ist, ist umstritten. Die Staatsanwaltschaft sieht darin eine Nötigung. Ein Kletterer wurde verurteilt, das Urteil wurde aber später durch das OLG aufgehoben. Die andere Kletterin stand am Mittwoch vor Gericht. Das Amtsgericht hat in ihrem Fall das Verfahren mit dem Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit, eines Vorstoßes gegen die Eisenbahn- Bau und Betriebsordnung (EBO), eröffnet.
Am Mittwoch wurde das Verfahren durch Gericht und Staatsanwaltschaft erneut verzögert und nach anderthalb Stunden ausgesetzt. Die Verhandlung muss zu einem späteren Zeitpunkt von Neuem beginnen.
Das Gericht hatte vergessen, ein Zeuge zu laden und ein späteres Erscheinen des Zeugens am Nachmittag war nicht möglich, weil die Staatsanwältin zum Zahnarzt wollte. Einer Einstellung stimmte die Staatsanwaltschaft trotz erheblicher Verfahrensverzögerung und der Tatsache, dass es in dem Verfahren inzwischen nur noch um eine Ordnungswidrigkeit geht, nicht zu. Das sei die Linie der Hamburger Staatsanwaltschaft bei politischen Verfahren. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft sprach sich zwar für eine Einstellung des Verfahren aus. Ihre Zustimmung dürfe sie aber ohne Zustimmung der Abteilungsleitung nicht abgeben und diese sei gerade urlaubsbedingt und wegen laufenden G20 Verfahren am Amtsgericht Mitte nicht erreichbar.
Die Staatsanwältin war nicht besonders glücklich darüber, ihre Behörde in dem Verfahren vertreten zu müssen. Bei einer Ordnungswidrigkeit kommt es äußerst selten vor, dass die Staatsanwaltschaft anwesend ist.
Zuständig für das Verfahren war eine junge Richterin, Frau Schirm. Sie hatte unverhältnismäßige Eingangskontrollen angeordnet, die für Unmut sorgten. Auch Nachfrage erklärte sie, sie sei neu hier im Gericht und habe die Kontrollen angeordnet, weil ihr durch die Gerichtsleitung gesagt worden sei, das sei bei politischen Verfahren üblich. Einen Antrag auf Aufhebung der Kontrollen stellte sie zurück. Darin sieht man wie Gerichte – das muss nicht auf die Richterin persönlich zutreffen – bei politischen Verfahren voreingenommen sind. Verfolgt wird formal eine Handlung. Real soll aber eine politische Einstellung kriminalisiert und vermittelt werden, dass Polit-Aktivist*innen gefährliche Menschen sind.
Der Prozess kam am Mittwoch über die Genehmigung eines Wahlverteidigers in der Person eines befreundeten Aktivisten und die politische Einlassung der Betroffenen über die Umstände der Handlung nicht hinaus. Eine Aussage zur Sache machte sie nicht und sie bestand auf die Vernehmung des nicht erschienenen Zeugen. Die Betroffene lies sich auf einen Verzicht auf die Vernehmung des Zeugen nicht ein. Den Fehler und die Verzögerung haben schließlich Gericht und Staatsanwaltschaft zu verantworten.
Es bleibt abzuwarten ob der Prozess neu angesetzt wird – oder das Verfahren doch noch eingestellt wird.
Prozesse werden die Aktivist*innen nicht von weiteren Aktionen abhalten. Denn der Protest zeigt etwas Wirkung und es ist noch viel zu tun. Der Hamburger Senat sah sich vor kurzem dazu genötigt, Ankündigungen über eine vermeintliche Einschränkung von Atomtransporten im Hamburger Hafen zu verbreiten. Noch ist es heiße Luft, wie sich herausgestellt hat. Der Senat hat erklärt, eine Vereinbarung über einen freiwilligen Verzicht auf Atomtransporte mit Happag Llyod und HHLA getroffen zu haben. Der Verzicht betrifft allerdings nur Kernbrennstoffe – nicht also Transporte wie der Urantransport, der Gegenstand der Prozesses am Mittwoch war. Beobachtungen zur Folge finden außerdem nach wie vor Kernbrennstoff Transporte statt. Die Veröffentlichung von Bildern eines Atomtransportes bei der HHLA vor zwei Wochen setzte den städtischen Hafenbetreiber unter Druck. Diese erklärte, sich an der Verzichtserklärung halten zu wollen, es sei nur noch nicht so weit. Einen Termin nannte das Unternehmen nicht. Also muss der Druck durch aufrecht erhalten werden! (Bericht dazu)
Eine Möglichkeit Energie für den weiteren Widerstand aufzutanken und sich zu vernetzen, gibt es Anfang August beim internationalen Antiatom-Camp in Narbonne.