Fortsetzung zum vorigen Beitrag » Ein Stück Freiheit zurück gewinnen » aus meiner Reihe « Anders sein«
Update: ich habe am Ende des Beitrages 3 Video-Anleitungen zum Aktionsklettern für Menschen mit körperlichen Einschränkungen eingefügt.
Menschen, die mich als Kletteraktivistin kennen, fragen mich immer wieder, ob ich einen Unfall gehabt habe, wenn ich mit Gehstützen und oder Rollstuhl unterwegs bin. Es ist belastend, immer wieder das gleiche zu wiederholen. Aber Lügen mit einem „Ja“ ich hatte einen Unfall löst das Problem nicht, wenn es Menschen sind, die Mensch wieder sehen wird.
Wenn ich sage „nein“, meine chronische Krankheit schreitet voran, kommt die nächste Frage: „Dann kannst du nicht mehr klettern, oder?“
Diese Frage ist ebenfalls belastend. Zum einem, weil es mir tagtäglich vor Augen führt, dass ich nicht mehr alles machen kann was ich früher – oder auch nur vor einem Jahr – machen konnte. Und es gibt Tage, wo ich einfach keine Lust darauf habe, daran zu denken und darüber zu reden.
Zum anderen, weil ich keine Lust darauf habe, mich ständig dafür rechtfertigen zu müssen, dass ich trotz Rheuma und Gehbehinderung noch klettern kann und will!
Die Menschen haben das Stereotyp im Kopfe, dass Menschen mit Behinderung nichts können, weil sie eben behindert sind. Kann man Betroffenen es nicht überlassen, selbst einzuschätzen, was sie können und was sie nicht können? Warum muss man sich dafür rechtfertigen, dass man – ja „trotz Behinderung » – Dinge tun kann, die vielleicht nicht jede-r kann?
Denn ja, Klettern ist schmerzhaft für meine Gelenke. Aber ich entscheide selbst darüber, wie viele Schmerzen ich bereit bin, zu ertragen. Wenn es um Leidenschaft geht, ist die Schmerzgrenze höher, Adrenalin und Glücksgefühle wirken besser als Schmerzmittel! Der Mensch braucht auch die Glücksgefühle, die mit Tätigkeiten die er liebt verknüpft sind. Wo bleibt ansonsten der Spaß am Leben?
Und nein, ich kann nicht alles wie früher. Felsklettern ist inzwischen so gut wie unmöglich geworden. Ich komme nur schwer hin und Felsklettern ohne auf die Beine stehen zu können und mit wenig Kraft in den Armen, ist eine große Herausforderung. Ich gehe trotzdem immer wieder Felsklettern oder im Winter in die Kletterhalle. Ich mache kleine einfache Routen und frage mich manchmal wie sinnvoll es ist, wenn ich vor Schmerzen heulend die Umlenkung erreiche. Aber ich brauche die Gefühle vom Klettern!
Und es mag für nicht kletterkundige Menschen eine seltsame Vorstellung sein, aber fürs einfache Klettern am Seil im Baum braucht man kaum Kraft. Sondern Technik. Ich nutze Flaschenzugtechniken. Die Technik verlangt kaum Kraft ab – sondern eine gute Koordination. Ich habe keine Kraft und Schmerzen. Dafür klappt es mit der Koordination gut und ich kann mit meinen Händen zwar nicht drücken,mich hoch ziehen kann ich aber. Mit dem richtigen Schwung komme ich hoch! Und im Seil hängen, das kann ich gut:-)
Warum sollte ich mir diesen Spaß verderben, nur weil ich gehbehindert bin?! Warum sollte ich keine Kletteraktionen durchführen, wenn ich daran mehr Spaß als an einer Latschdemo habe. Wenn sowohl Laufen und Klettern schmerzhaft sind, entscheide ich mich für meine Leidenschaft! Gut, mit meinem Rollstuhl kann ich mich endlich wieder an Latschdemos beteiligen. Das freut mich auch. Das ist eben ein Stück Freiheit, wenn ich die Wahl habe!
Bilder
1) Eichhörnchen zu Hause im Baum mit Flaschengzugstechnik, das mach Spaß! April 2018, Quelle: Unfug
2)3)4) Eichhörnchen im Park im Baum mit Flaschengzugstechnik, Mai 2018. Quelle Privat
5) Eichhörnchen steigt für eine Protestaktion aufs Dach, April 2017 Jepp! Das geht auch mit Krücken! Quelle:T. christensen
Neu 2019: Videos – Anleitungen
Klettertechniken, die für Menschen mit wenig Kraft und körperlichen Einschränkungen geeignet sind
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- Klettertechnik am Doppelseil mit Klemmknotenlift
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- Klettertechnik am Einfachseil mit Grigri und Flaschenzug
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- Klettertechnik am einfachen Seil mit Klemmknotenlift