Fortsetzung zum vorigen Beitrag « Ein Stück Freiheit erkämpfen… » aus meiner Reihe « Anders sein«
Ich habe meinen Adaptiv-Rollstuhl am 30. April bekommen. Die Bürokratie um Antrag, Ablehnung, Widerspruch und Bewilligung hat mir 2 Monate unnötigen Schmerzen gebracht. Danke MDK und Krankenkasse! (siehe voriger Beitrag)
Ich habe gerade keinen Schub, so dass ich den Umgang entspannt lernen kann. Ich kenne mich schon ein bisschen aus, denn ich hatte im Januar einen Rollstuhl ausgeliehen bekommen. Es war aber kein adaptiv Rollstuhl,dieser war nicht wendig, er war für Draußen nicht geeignet. Jetzt merke ich den Unterschied! Ich kann endlich weitestgehend schmerzfrei nach Draußen! Noch gehe ich lieber mit Begleitung raus, weil die E-Räder noch nicht geliefert worden sind und selbst ohne Rheumaschub mir bei auch nur kleinen Steigerungen die Kraft fehlt, das Ding anzuschieben – Ellenbogen und Handgelenke sind auch von der Krankheit betroffen. Aber ich merke jetzt schon wie viel Entspannung es mir im Alltag bringt.
Das wirkt sich auch positiv auf die Psyche aus. Wenn ich stehen und laufen kann, tue ich dies, damit meine Gelenke nicht versteifen und ich in Bewegung bleibe. Wenn ich zu viele Schmerzen habe, setze ich mich hin, statt bei jedem Schritt vor Schmerzen zu heulen oder stürzen. Und ich kann mich trotzdem – nur anders – bewegen. Ich habe endlich mal wieder Lust einfach mal spazieren zu gehen (fahren!) oder auch den Einkauf um die Ecke zu erledigen.
Viele Hürden
Natürlich wünsche ich mir, ich wäre gesund und könnte die Spaziergänge ohne Rollstuhl unternehmen. Denn es gibt viele Hürden, wenn man mit einem Rollstuhl unterwegs ist. Ich nenne einfach mal ein paar Beispiele der letzten Tagen:
- Einkauf im Supermarkt: ich komme an der Kasse nicht durch, obwohl es da ein Rollstuhl-Schild gibt. Zwei Zentimeter fehlen in der Breite. Mein Rollstuhl hat eigentlich eine Standardbreite.
- Busfahren: die Busfahrer achten nicht auf Rollstuhlfahrer*innen und halten mit der Tür direkt vor einem Pfahl der Haltestelle, so dass die Platte zum hinein rollen nicht herausgehoben werden kann oder man nicht darauf fahren kann. Oft gibt es nur einen Platz für einen Rolli-Fahrer oder Kinderwagen, wenn dieser belegt ist, dass heiß es, auf den nächsten Bus warten.
- Straßenbahn: wenn man in einer fremden Stadt unterwegs ist, ist es eine Herausforderung, weil auf den Plänen nicht immer steht, ob die Haltestelle barrierefrei ausgebaut ist oder nicht!
- Bahn: Kaputte Aufzüge sind keine Seltenheit. Der Mobilitätsdienst bearbeitet Anfragen sehr zügig, ist aber nicht überall verfügbar. Wenn man ihn gebucht hat, ist er mal da mal nicht da und wenn man einen Anschluss verpasst hat, wird es erst recht chaotisch. Interessant sind auch in Zügen fest eingebaute Einstiegshilfen, die gar nicht funktionieren, weil der Bahnsteig entweder zu hoch oder zu niedrig ist – so zum Beispiel der Regionalzug von Heidelberg nach Heilbronn. Andere Anekdote: Behindertenklo in der Bahn ist durch einen Schwarzfahrer dauerhaft besetzt. Schwarzfahren finde ich grundsätzlich richtig (siehe Debatte um kostenloses ÖPNV), deshalb habe ich mich auch nicht beschwert. Aber bitte nicht das einzige für Rollis erreichbare Klo besetzen, sondern ein anderes!
- öffentliches Gebäude: Am Amtsgericht Heilbronn, wo ich am 7. Mai dem Prozess eines Freundes wegen Castor-Blockade beiwohnte, ist der Aufzug zu klein für meinen Rollstuhl! Die Tür geht nicht zu. Ich musste die Fußraste abmontieren um den Stuhl zu kürzen. Dieser hat eigentlich eine Standardtiefe. Auf der Homepage des Gerichts ist die Rede von barrierefreiem Zugang. Die Damen und Herren, die diesen Unsinn schreiben, sitzen offensichtlich nicht im Rollstuhl!
- Gehsteig: die unterschiedlichen Neigungen machen die Steuerung des Rollstuhls schwer (okay ich bin Anfängerin). Viele Autofahrer*innen sind doof und parken genau dort wo man mit dem Rolli durch muss… also kommt man wegen Falschparker*innen nicht durch. Na toll.
- Gasthaus: Auf der Homepage steht, Haus ist für Rollifahrer*innen geeignet. Rollifahrer*innen können aber das Haus nicht erreichen, weil die Zufahrtsstraße viel viel zu steil ist. Der Hinweis auf die Zufahrtsstraße wäre fein gewesen. Ich war zum Glück nicht alleine unterwegs.
Ich habe es immerhin relativ einfach. Ich kann, wenn es ein Problem gibt, kurz aufstehen, mit den Krücken ein paar Schritte oder Stufen gehen und ich finde fast immer hilfsbereite Menschen, die den Stuhl dann kurz tragen. Querschnittgelähmte haben es sicherlich deutlich schwerer.
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