Die Konstruktion einer Nicht-Versammlung

Die Gerichts-Verhandlung um meine Klage gegen die Polizei vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg hatte gestern etwas Kafkaeskes. Das Urteil klingt genauso. Ich habe im großen und ganzen gewonnen, verschiedene Handlungen der Polizei wurden für rechtswidrig erklärt, aber ohne schriftliche Urteilsgründe kann ich nicht viel mehr dazu sagen. Es wird sich noch zeigen. Ich veröffentliche hier meine Pressemitteilung vom heutigen Tag (unten) sowie ein paar Gedanken zur gestrigen Verhandlung – daher die Überschrift. » Die Konstruktion einer Nicht-Versammlung » – das ist eine treffende Beschreibung für die Verteidigungslinie der Polizei.

Die Gerichts-Verhandlung um meine Klage gegen die Polizei vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg hatte gestern etwas Kafkaeskes. Das Urteil klingt genauso. Ich habe im großen und ganzen gewonnen, verschiedene Handlungen der Polizei wurden für rechtswidrig erklärt, aber ohne schriftliche Urteilsgründe kann ich nicht viel mehr dazu sagen. Es wird sich noch zeigen. Ich veröffentliche hier meine Pressemitteilung vom heutigen Tag (unten) sowie ein paar Gedanken zur gestrigen Verhandlung – daher die Überschrift. » Die Konstruktion einer Nicht-Versammlung » – das ist eine treffende Beschreibung für die Verteidigungslinie der Polizei.

– Die Polizei meint, es war keine Versammlung, weil sie nicht gesehen hat, dass unsere 10-köpfige Gruppe gelbe Xe und Transparente mit sich führte – auch will sie nicht gesehen haben, dass ich ein solches Widerstandssymbol in einem Baum aufgehangen habe (als einzige der Gruppe war ich vor Ankunft der Polizei hoch gekommen). Deshalb durfte sie unser Grundrecht auf Versammlungsfreiheit missachten und nach Polizeigesetz vorgehen.

– Ihr Vorgehen nach dem Polizeigesetz begründete sie wiederum mit unserer politischen Gesinnung, wir würden eine Protestaktion gegen den CASTOR-Transport starten wollen – das wäre aber wiederum eine Versammlung und das Polizeirecht darf nicht angewendet werden. Aber die Lösung ist einfach: Was man nicht sehen will sieht man ja auch nicht. So konstruierten die Polizeizeugen vor Gericht eine Nicht-Versammlung.

Daraus kann man folgendes schließen (Anmerkung eines Zuschauers): « Wenn die Polizei zu blöd ist, eine Versammlung zu erkennen, dann ist es keine Versammlung »

– Ein anderer interessanter Gedanke: Ein Polizeiführer erklärt, er hätte mir gegenüber eine « Gefährderansprache » ausgesprochen (schön dass ich es in der Hauptverhandlung erfahre) und mich aufgefordert herunterzukommen. Ich hätte ihm aber böse beschimpft/beleidigt (was sozialadäquat gewesen wäre, es gitb gute Gründe gegen illkür zu schimpfen). Auf eine Anzeige wegen Beleidigung hätte er wiederum verzichtet, weil ich einen verwirrten Eindruck gemacht hätte. Wie großzügig. Die Idee hat ihm der Lüneburger Polizeipräsident Niehörster sicher gesteckt.

– Keine Minute später bekundet der Beamte im Zeugenstand, dass man sich dafür entschieden hat, keine Spezialeinheit anzufordern, um mich aus dem Baum zu holen, ich sei ja ausgezeichnete Kletterin und es habe für mich keine Gefahr bestanden. Ach ja, ich dachte ich sei verwirrt gewesen…. Klettern muss doch gefährlich sein, wenn man verwirrt ist. Und schön, dass ein Herr in Uniform der sich mit Klettern nicht auskennt meint, meine Sicherheit einschätzen zu können.

– Herr Brauer, der Polizeidirektor, war persönlich anwesend. Er scheint die Sache sehr persönlich zu nehmen, er hatte zwischendurch einen ganz roten Kopf (aus Wut), als eine Zeugin die Unverhältnismäßigkeit des von ihm angeordneten Einsatzes schilderte.

– Und die Vertreterin der Polizei hatte mein Buch auf dem Tisch liegen, mit ganz vielen Zettelchen drin. Ich frage mich jedoch, ob die Polizei wirklich lesen kann. In ihrem Schlussvortrag hat sie auf mein Buch Bezug genommen, um zu zeigen wie schlimm ich bin, ja gefährlich. Nur: ich habe mich da gar nicht erkannt. Nach deren Darstellung bin ich richtig Superwomen, komme überall blitzschnell hoch um Seile zu spannen, etc. Schön wäre es, wenn es so wäre, wenn ich gar fliegen und die Schwerkraft verändern könnte. Es war auf jeden Fall ein von selektiver Wahrnehmung geprägter Bezug auf mein Buch! Denn darüber, dass die Polizei diese Protestform immer wieder zu Unrecht unterbindet (ja, selbst an die eigenen Gesetze hält sie sich nicht), hat sie kein einziges Wort verloren!

Ich veröffentliche nun meine heutige Mitteilung zur gestrigen Gerichtsverhandlung.

Wieder mal rechtswidrig: Polizei gegen Kletteraktivistin

Im Verwaltungsgerichtsstreit zwischen der Lüneburger Kletteraktivistin Cécile Lecomte und der Polizeidirektion wurde gestern nach einer 8-stündigen mündlichen Verhandlung mit 5 Zeugenbefragungen ein Urteil gesprochen. Das Gericht stellte die Rechtswidrigkeit von polizeilichen Maßnahmen gegen die Atomkraftgegnerin anlässlich einer Kletteraktion am Streckenaktionstag gegen den Castortransport im Jahre 2011 fest. Rund 10 AktivistInnen hatten sich im Wald in Höhe Tiergarten zusammen getroffen, um ihre Meinung mittels gelben Xen (Widerstandssymbol) und Transparenten an Waldwege an der Castorstrecke kund zu tun. Die Polizei ging aber dazwischen und beschlagnahmte die Kletterausrüstungen der sich bei ihrer Ankunft am Boden befindlichen VersammlungsteilnehmerInnen.
Im Einzelnen rügte die Kammer die Rechtswidrigkeit von Filmaufnahmen durch die Polizei sowie die Sicherstellung von Kletterausrüstungen. Ein mit Gründen versehenes schriftliches Urteil wird in den kommenden Wochen folgen.

„Die Polizei begründete ihr Vorgehen gegen die AktivistInnen  mit der politischen Gesinnung der Beteiligten. Sie äußerte die Befürchtung, die AktivistInnen würden gegen die Atomkraft demonstrieren wollen. Bei der damaligen Zusammenkunft mehrerer Personen unter freiem Himmel will sie aber nun keine Versammlung gesehen haben.“ Kommentiert Cécile Lecomte die Widersprüchlichen Aussagen der beklagten Polizei in der gestrigen mündlichen Verhandlung. „Das nenne ich die Konstruktion einer „Nicht-Versammlung!“ durch die Polizei, die somit Art 8 Grundgesetz missachten kann.“

Die Aktivistin amüsierte sich zum Schluss über den durch die Polizei betriebenen Aufwand: der Verhandlung wohnte Polizeidirektor Brauer bei. Darüber hinaus hielt die Vertreterin der beklagten Polizei bei ihrem Schlussvortrag das Buch der Kletteraktivistin „Kommen Sie da runter!“ in der Hand, um ihre angebliche Gefährlichkeit zu belegen. „Ist Baumklettern für die Polizei so wichtig? Mein Buch hat die Beklagte äußerst selektiv wahr genommen. Ihr Schlussvortrag war reale Satire, ich dachte wir sind bei Kafka, im „Prozess“.

Weitere Informationen

Bericht zur damaligen Aktion
Terminankündigung zur Gerichtsverhandlung
Eichhörnchen-Buch : http://www.graswurzel.net/verlag/eichhoernchen.php und http://blog.eichhoernchen.fr/pages/Eichhoernchen-Buch