Gezieltes Herausgreifen durch die Polizei im ICE – Verfassungsbeschwerde um PKH gewonnen

Polizeikontrolle im ICE

Ich fange mit dem in meinen Augen entscheidenden Zitat aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an.

„Welche polizeilichen Erkenntnisse dennoch die Annahme einer Gefahr beziehungsweise eines Gefahrenverdachts in der konkreten Situation haben begründen sollen, bleibt unklar. Die augenscheinliche Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Eigenschaft als polizeibekannte Aktivistin für eine jederzeitige Durchsuchung an Verkehrsknotenpunkten im Bundesgebiet ausreiche, wäre jedenfalls einer vertieften Erörterung im Hauptsacheverfahren vorbehalten gewesen. Stützt sich die Polizei für die Vornahme von Grundrechtseingriffen auf gespeicherte Daten aus ihren Datenbeständen, dürfen die Gerichte die Rechtmäßigkeit dieser Speicherung und Verwendung nicht ohne Weiteres unterstellen. Sind – wie hier – Vorkenntnisse die Grundlage für ein gezieltes Herausgreifen einer Person, kann von dieser Rechtmäßigkeitsprüfung grundsätzlich nicht abgesehen werden.“

BVerfG Az. 1 BvR 687/22

Die Entscheidung betrifft mich. Aber der Absatz ist für andere Menschen, die im Fokus von Überwachung- und Kontrollmaßnahmen der Polizei geraten, wichtig.

Hintergrund des ganzen Verfahren ist eine Kontrolle im ICE im Dezember 2020. Ich wurde gezielt im Zug heraus gegriffen und meine Taschen durchsucht. Die Maßnahmen dauerten 40 Minuten an. Der Zug hatte danach Verspätung. (nicht)Begründung: Gefahrenabwehr. Ohne konkreten Vorwurf. Außer die Vermutung ich wolle im Dannenröder Wald gegen den Autobahnbau protestieren. Dabei hatte mein Zug Marburg und Gießen bereits passiert, der Zug stand in Frankfurt am Main. Ich stand danach unter Schock, denn ich hatte nicht damit gerechnet. Ich war nicht zu einer Protestaktion unterwegs. Ich habe ein Video zum geschehen veröffentlicht

Ich habe gegen die Kontrolle und Durchsuchung mit Hilfe von RA Spörkel Klage vor dem Verwaltungsgericht Gießen eingereicht, verbunden mit einem Antrag auf Protestkostenhilfe (PKH). Bei der PKH geht es darum, dass der Staat die Verfahrenskosten und Kosten für den Anwalt vorstreckt, wenn man wenig verdient, mittellos ist. Das ermöglicht die Klage zu führen. Das VG Gießen ist für seine Protest-feindlichen Beschlüssen im Zusammenhang mit dem Protest gegen die Autobahn und für den Dannenröder Wald bekannt. Einer der am Beschluss mitwirkenden Richter wurde außerdem durch das Bundesverfassungsgericht in einem Asylverfahren für Befangen erklärt. Es lehnte die Prozesskostenhilfe erwartungsgemäß ab. Wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg, denn es sei eine ganz normale Kontrolle von geringfügiger Intensität gewesen, kein Feststellungsinteresse.

Das Verfahren um die PKH ging sodann vor dem Verwaltungsgerichtshof VGH. Es erkannte zwar ein Feststellungsinteresse, sprach die Aussicht auf Erfolg jedoch ab. Ich durfte kontrolliert werden, weil ich eine polizeibekannte Umweltaktivistin bin und die Polizei sagt sie hatte den verdacht ich wolle in den Dannenröder Forst. Die Entscheidung fiel ohne Kenntnis der Akte oder der konkreten Gefahrenprognose. Die Polizei hatte zuerst erklärt es gebe keine Akte, war dann zurück gerudert erklärte aber, die Akte sei Verschlusssache

Darüber habe ich in einem Blogbeitrag ausführlich berichtet

Das ist des Grund weshalb ich Verfassungsbeschwerde eingereicht habe. Das war für mich als nicht Juristin viel Arbeit diese zu formulieren. Aber ich konnte die Entscheidung des VGH nicht so stehen lassen.

Das Bundesverfassungsgericht hat an den VGH zurück verwiesen. Wenn der VGH nun die PKH bewilligt – mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts muss es eigentlich die PKH bewilligen – kann die Klage in der Hauptsache vor dem Verwaltungsgericht Gießen endlich verhandelt werden. Ob die Akte geheim bleibt? Das Bundesverfassungsgericht hat klar gestellt, dass die Prüfung, ohne Offenlegung der Gefahrenprognose der Polizei, nicht vonstatten gehen kann. Ich gehe davon aus, dass die Polizei die Akte unter Verschluss hält, weil diese einiges nach sich ziehen könnte… wegen illegaler Überwachung?! Oder: wie wusste die Polizei, dass ich in dem Zug saß, sie wusste sogar in welchem Wagen ich saß. Und ich hatte die Reise weder angekündigt noch während der Reise öffentlich was dazu geschrieben. Der Zug war – bis zur Kontrolle – pünktlich und der Einstieg mit dem Mobilitätsservice, den ich wegen dem Rollstuhl vorab buchen muss, problemlos verlaufen.

Ich werde berichten!

Vor Kurzem habe ich 2 Klagen gegen #Polizeiproblem und Überwachung vor dem VG Hannover genonnen. Die Urteile sind Rechtskräftig. Ich versuche es nun mit Schmerzensgeld. Ich sehe nämlich eine Wiederholungsgefahr und es war ein Eingriff in die Privatsphäre. Bei Gewahrsam klappt es inzwischen ganz gut, die Polizei findet es nicht lustig wenn ich sage, ok mit dem Schmerzensgeld für diese rechtswidrige Festnahme, werde ich die kommenden Aktionen finanzieren. Ätsch!

Das Titelbild habe ich im ICE bei der Kontrolle am 3.12.2020 aufgenommen ehe die Polizei das Fotografieren unterband mit der Drohung das Handy zu beschlagnehmen.

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